Kurt Gödel: Die Grenzen der Mathematik und rotierende Universen
So, 06.10.2002 14:00 Uhr CEST, Symposium

Ein Expertenteam des »Time-Magazine« wählte Kurt Gödel im Jahr 1999 zum größten Mathematiker des 20. Jahrhunderts. Der Mythos des 1906 im tschechischen Brünn, damals Österreich-Ungarn, geborenen Wissenschaftlers, der 1978 in Princeton [USA] starb, entstand vollständig unabhängig von seinem Leben und blieb – im Gegensatz zum Mythos Albert Einstein – in merkwürdiger Weise bildlos.

Zentral für den Gödel-Mythos ist das Motiv der Grenze. Gödel steht für die Begrenztheit unseres Denkens, für die Grenzen mathematischer Beweisbarkeit, manchmal sogar für die Grenzen der Wissenschaft überhaupt. 1931 publizierte er »Über formal unentscheidbare Sätze der Principia Mathematica und verwandter Systeme I« und belegte mit mathematischer Exaktheit die Unbeweisbarkeit bestimmter formaler Systeme der Mathematik.
Gödel steht aber auch für einen Topos, an den sich unsere fiktionale Wissenschaftswelt inzwischen gewöhnt zu haben scheint: die Paradoxa von Zeitreisen. Mit seinem rotierenden Universum, das einem weitgereisten Beobachter die Rückkehr in die eigene Vergangenheit oder Zukunft ermöglicht, gratulierte Gödel seinem Freund Einstein zum siebzigsten Geburtstag. Später fand er auch eine Lösung der Einsteingleichung, die mit der Expansion des Universums vereinbar war. Gödels Universum und seine immer zahlreichere Verwandtschaft sind aber nicht nur ein Artefakt mathematischer Modellierung, sondern werfen auch zentrale philosophische Fragen über das physikalische Verständnis von Bewegungsphänomenen auf. Mit neueren Versuchen, die Rotation des Universums mit der Quantentheorie in Verbindung zu bringen, eröffnet sich eine neue, eine quanten-physikalische Brücke zurück zum Problem der Berechenbarkeit.

Das Symposium widmet sich dem Bild Gödels in der Informatik, Mathematik und Physik. Aus einer medien- und kulturwissenschaftlichen Perspektive wird zudem die Funktion wissenschaftlicher Mythen befragt: Welche Rolle spielen Sekundärdarstellungen, Filme, Bilder? Wie sehr unterscheiden sich die Formalwissenschaften von den Naturwissenschaften? Der international renommierte Mathematiker und Computerwissenschaftler Gregory Chaitin, der Gödels Ergebnisse verallgemeinerte und die Struktur des Zufalls in der Mathematik in eine neue Theorie fasste, konnte gewonnen werden, seine wissenschaftlich grundlegenden Einsichten in das Gödelsche Theorem vorzustellen.
 

Programm

14.00 Uhr
Peter Weibel [ZKM Karlsruhe]
Eröffnung

14.10 Uhr
Michael Stöltzner [Institut für Wissenschafts- und Technikforschung (IWT), Universität Bielefeld] / Werner DePauli-Schimanovich [Institut für Statistik und Computer, Universität Wien]
Vorstellung der Publikation »Kurt Gödel: Wahrheit und Beweisbarkeit«

14.30 Uhr
Gregory Chaitin [IBM Watson Research Center, New York]
»On the intelligibility of the universe and the notions of simplicity, complexity and irreducibility«

15.30 Uhr
Pause

15.45 Uhr
Georg Süßmann [Prof. em. der Fakultät für Physik, Ludwigs-Maximilians-Universität München]
»Kann eine Rotation des Universums gemessen werden?«

16:30
Thomas Beth [Universität Karlsruhe]
»Gödel's Logical Universe is physical, too«

17.15 Uhr
Pause

17.30 Uhr
Dietmar Dath [Frankfurter Allgemeine Zeitung]
»Ergebnisse sind das Letzte«

18.00 Uhr
Wolfgang Ullrich [Akademie der Bildenden Künste München]
»Mythos ohne Bild«