Robert Schoen: Die verlorenen Söhne
Ein orangenes Quadrat mit Augen auf blauem Hintergrund. Rechts und links davon kleinere Quadrate
Fr, 10.11.2017 16:00 Uhr CET, Hörspiel

Am 9. März 1918 zählt der aus Algerien stammende Buhamad Azau ben Ali plötzlich bis zehn. Das Dokument dieses Ereignisses – eine Schellackplatte mit der Archivnummer PK 1229 – wird heute im Lautarchiv der Humboldt-Universität zu Berlin aufbewahrt. Ort der Aufnahme: das sogenannte Halbmondlager bei Wünsdorf in der brandenburgischen Heide. Versprengte Söhne Mohammeds aus aller Welt sollten hier einer Gehirnwäsche unterzogen werden, um als dschihadistische Agenten einer deutsch-türkischen Waffenbruderschaft den 1. Weltkrieg doch noch zu Gunsten des Deutschen Reiches zu entscheiden. An den Reglern: Sprachwissenschaftler Wilhelm Doegen, der sich nicht um Sultane und Schicksale kümmert, den der Kriegskaiser nur als Finanzier seiner Vision interessiert: Den Stimmen der Welt nachzulauschen, und sie für die Nachwelt auf Walzen zu ritzen und auf Platten zu pressen.

Am 9. März 2015 sitzt der 37-jährige gebürtige Braunschweiger Etzel Mauss visionsermattet in seiner 20 m. - Wohnung im 11. Pariser Bezirk und schreibt einen Brief: »Vati! Lieber Vati, ich hoffe, Dir geht es gut. Es tut mir sehr leid, was damals passiert ist. Ich habe einen großen Fehler gemacht ...«.Wenn Herr Mauss den Entwurf seines Briefes vorliest, dann in so genannter Knarrstimme und unter Verwendung regelmäßger Hesitations-Vokalisationen. Was fasziniert, sind seine wilden Interjektionen, interessanterweise ingressiv. Aber auch der Mund- und Rachenraum des Sprachwissenschaftlers Prof. Dr. Bernd Pompino-Marschall eignet sich nicht schlecht für speläologische Spekulationen.

Robert Schoen, geboren 1966 in Berlin, dort lebhaft. Studium der Angewandten Theaterwissenschaften in Gießen. Radioarbeiten seit Mitte der 1990er-Jahre. »Hörspielpreis der Kriegsblinden« 2011 für »Schicksal, Hauptsache Schicksal« sowie »ARD Online Award« 2013 für »Heidi Heimat«.

Mit: Lorenz Eberle, Robert Schoen und Bernd Pompino-Marschall
O-Töne: Wilhelm Doegen, Herr Lachiman aus Nepal, Max Myron, Karl Heinrich, Paul Bousquet, Bernard Bilh.s, Louis Serrier, Kurt Williger, August Brockmann
Konzeption und Regie: Robert Schoen Produktion: hr 2016 Länge: 51’55’’

Im Anschluss findet eine Jurydiskussion und ein Publikumsgespräch Robert Schoen (Autor und Regie) und Peter Liermann (Dramaturgie und Redaktion) statt. 

Begleitprogramm

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