Ludwig Morenz: Gottes-Worte und Götter-Zeichen

Von Figurativität und Ikonizität der frühen Hieroglyphenschrift

Von Figurativität und Ikonizität der frühen Hieroglyphenschrift
Dauer
1:03:48
Kategorie
Vortrag/Gespräch
Datum
19.10.2012
Beschreibung

Die ägyptische Hieroglyphenschrift ist durch eine hohe Figurativität der Zeichen charakterisiert. Daneben wurde eine kursive Schreibform praktiziert, das Hieratische. Hinsichtlich der Ikonozität wurden beide Schriftweisen gleichwertig gebraucht, und sind fast komplett ineinander überführbar. Ganz wie beispielsweise die mesopotamische Keilschrift kann das ägyptische Schriftsystem als ein phono-semantisches Hybrid verstanden werden. Hier wurden sowohl Phonogramme (insb. Ein- und Zweikonsonantenzeichen) als auch Semogramme (insb. Ideogramme und Determinative) nebeneinander und im Zusammenspiel miteinander verwendet.
Ein frühes kulturelles Feld des Schriftgebrauchs war das sakrale, wozu die Schreibung von Götternamen gehört. Hier zeigen sich medien- und mentalitätsgeschichtliche Entwicklungen buchstäblich verzeichnet. Mit drei Fallstudien soll eine Scharnierszeit der ägyptischen Schriftgeschichte in den Blick genommen werden, das spätere 4. und das frühe 3. Jt. v.Chr.:

a) Varianten des Götterkonzepts im Spiegel der Zeichenformen
b) Neith, eine bereits vor-ägyptische Göttin – Veränderungen in der Zeichenform als Anzeichen kultureller Brüche
c) Von Horus zu Re. Eine frühe Entmythologisierung des Sonnengottes

Vorstellungen und Denkräume, Diskurse und Brüche in Diskursen sind als Spuren in den Hieroglyphen selbst und im Zeichengebrauch abgelagert. Dabei erscheint die dezidiert poetische und metaphorische Dimension der Schrift als differentia specifica der phono-semantischen Hybride im Unterschied zur phonozentrischen Alphabetschrift. Allerdings ist dies nur eine Grundtendenz, denn auch in Alphabetschrift schlummert ein ikonisches Rezidiv, während umgekehrt mit phono-semantischen Hybriden auch phono-logisch geschrieben werden konnte und wurde.

Ludwig D. Morenz ist seit 2009 Professor für Ägyptologie an der Universität Bonn. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Schriftgeschichte, Kultursemiotik, Ägyptologische Bildanthropologie und Literatur des Mittleren Reiches. Zu den aktuellen Monographien zählen: Schriftentwicklung im Kulturkontakt. Das erste Jahrtausend der Alphabetschrift, Bd. 1 der Reihe Thot. Beiträge zur historischen Epistemologie und Medienarchäologie, Berlin, EB-Verlag, 2012; Kultur- und mediengeschichtliche Essays zu einer Archäologie der Schrift. Von den frühneolithischen Zeichensystemen bis zu den frühen Schriftsystemen in Ägypten und dem Vorderen Orient, Bd. 4 der Reihe Thot. "Beiträge zur historischen Epistemologie und Medienarchäologie", Berlin, EB-Verlag, 20120.

Mitwirkende