Siemens Medienkunstpreis 1995: Jean Baudrillard

Von der Revolution der Ungewissheit

Schwarzweiße Fotografie: Jean Baudrillard, eine Zigarette rauchend.

Die Jury würdigt sein spartenübergreifendes Schaffen als Philosoph, Soziologe und Medientheoretiker.

Der Beitrag von Jean Baudrillard für die Preisverleihung des Siemens-Medienkunstpreises 1995 wurde in der Publikation »Medienkunstpreis 1995« (ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe, Karlsruhe 1995) veröffentlicht.

„Es gibt keinen Maßstab mehr für Wahrheit, Kausalität oder Verantwortlichkeit. Es gibt kein Mittel mehr, um die Dinge entweder auf die Seite des Wahren oder auf die des Falschen zu sortieren. Weder im historischen noch im fraktalen Raum bestehen die Dinge noch aus einer, zwei oder drei Dimensionen – sie schweben in einer Zwischendimension.

Jemand lanciert eine Information. Solange sie nicht dementiert wird, ist sie wahrscheinlich. Ohne einen günstigen Zufall wird sie in Echtzeit niemals dementiert werden – daher bleibt sie immer glaubwürdig. Aber auch wenn sie dementiert werden sollte, würde sie niemals ganz falsch, da sie einmal glaubwürdig gewesen ist. Im Gegensatz zur Wahrheit hat die Glaubwürdigkeit keine Grenzen. Sie widerlegt sich nicht selbst, da sie virtuell ist.

Wir sind mit einer Art fraktaler Wahrheit konfrontiert: Sowenig wie ein fraktales Objekt eine, zwei oder drei Dimensionen (in ganzen Zahlen) besitzt, sondern etwa 1,2 oder 2,3 Dimensionen, so ist auch ein Ereignis nicht ganz wahr oder falsch, sondern oszilliert zwischen einer, zwei oder drei Oktaven der Wahrheit. Der Raum zwischen wahr und falsch ist kein Raum der gegenseitigen Beziehungen mehr, sondern ein Raum der zufälligen Verteilung.

Daher hat sich sozusagen eine metabolische Veränderung von Wahrheit und Verantwortlichkeit ereignet. Beide sind wie bei Mandelbrot vital und fraktal geworden. Selbst das Geschlecht befindet sich heute in einer seltsamen Zwischendimension. Es hat weder eine noch zwei Dimensionen, es ist weder männlich noch weiblich, sondern es liegt irgendwo zwischen den zwei Dimensionen – folglich wird die sexuelle Differenz immer weniger spürbar und das Prinzip der Ungewißheit wohnt selbst im Herzen des sexuellen Lebens.

Die Ungewißheit reißt uns in einen verrückten Kreislauf mit, in einen Wettlauf von Verifikation und Falsifikation, von Viren und Schutzmaßnahmen – in der Kunst, in der Welt der Finanzen, in der Informatik, im Bereich der Ideen, aber auch in der Sexualität, wo wir heute alle dem serologischen Test unterworfen werden – einer Erweiterung der allgemeinen Manie des Testens. Hier liegt unsere neue Erbsünde. Sie begründet sich genau gegensätzlich zur herkömmlichen Erbsünde, die aus der Erkenntnis des Guten und des Bösen entstanden ist. Unser Fluch besteht in der Unmöglichkeit, noch zwischen gut und böse, zwischen wahr und falsch unterscheiden zu können.

Adam und Eva waren in die moralische Angst der Unterscheidung gestürzt, wir sind in die amoralische Panik der Ununterscheidbarkeit, der Verschmelzung aller Kriterien, der wechselseitigen Kontamination des Guten und des Bösen gestürzt. Daher sind die Viren heuten Symptome des Zustandes unserer Kultur. Sie verkörpern die Ununterscheidbarkeit der Werte, die Kontiguität der Gegensätze, die Kettenreaktionen des Guten und des Bösen (aber das hat nichts mit der paradiesischen Unschuld zu tun, für die es den Unterschied zwischen Gut und Böse nicht gab).

Unser Eintritt in das Zeitalter des Virus, des Virus der Verschmelzung von gut und böse, entspricht der Austreibung unserer Vorfahren aus dem Paradies, die allerdings aus dem entgegengesetzten Grund erfolgte, nämlich das Gute und das Böse erkennen zu können.

Von nun an stehen uns alle Erbsünden und Übel bevor, da sowohl der Sex als auch der Gedanke seine Immunität verloren hat. Alle tödlichen Infektionen belauern uns, alle Sünden kehren aus der primitiven Szene zurück, alle Viren, die in unseren Zeiten geschlafen haben, wachen beim Aufbrechen der Krise auf! Unsere Machtlosigkeit gegenüber der fraktalen und fatalen Zerstreuung der ist viel schlimmer, viel verhängnisvoller als die alte Verantwortlichkeit, die mit dem Gewissen und dem Bewußtsein einherging.

Die Zersetzung der Kategorien von wahr und falsch und ihres geregelten Gegensatzes bringt auch hier dasselbe Paradox einer Übersteigerung ins Extreme hervor – das paradoxe Zusammentreffen des »weder-falsch-noch-wahr« – das Extrem des Neutralen oder des Nullpunktes – mit dem, was »wahrer-als-das-Wahre«, und dem, was »falscher-als-das-Falsche« ist. Jedenfalls ist das Gleichgewicht zwischen beiden zerbrochen, und die Ungewißheit, das Prinzip der Ungewißheit unserer Welt ist total geworden.

Die Medien und die Informationen haben die Schallmauer des »Weder-wahr-noch-falsch« längst überschritten, da alles auf der unmittelbaren Glaubwürdigkeit beruht: Die Mediatisierung löscht jeden Hinweis auf Referenz und Wahrheit aus. Deswegen erfaßt die Ununterscheidbarkeit des Wahren und des Falschen alle Bereiche: den ästhetischen des Kunstwerks, den historischen des Ereignisses und des Gedächtnisses, den politischen der Handlung und der Meinung uns selbst den wissenschaftlichen Bereich des Experimentes und des Beweises (vergleiche den Fall vom Gedächtnis des Wassers bei Benveniste).

Wenn alles weder wahr noch falsch ist, werden die Lüge und jede Strategie der Perversion und der Verführung unmöglich. Wir sind in der Situation von Agnostikern, wo die Frage nicht mehr ist, ob man glauben oder nicht glauben soll, da alles auf Beglaubigung ausgerichtet ist und sich in diesem Effekt der Glaubwürdigkeit erschöpft.

Sowohl die Meinungsumfragen als auch die Werbung sind weder wahr noch falsch, genauso wie die Mode weder schön noch häßlich ist. Es handelt sich um ein statistisches, aleatorisches Hin- und Herschwingen von Wahrheits- und Schönheitseffekten. Vom Gegenpol befreit, kann sich jeder Wert potenzieren und seine Effekte multiplizieren. Das Wahre wird wahrer als das Wahre, das Falsche falscher als das Falsche. Selbst das Weder-wahr-noch-falsch, der Nullpunkt, die Sinnlosigkeit kann durch eine Art von Überbietung der Nichtigkeit zu einer überlegenen Macht und die Banalität zur X-Potenz erhoben werden – was man jeden Tag in der Kunst, in der Politik, in der Allgemeinheit des Kitsches erleben kann. Dieser Nullpunkt des Wertes spiegelt sich in unserer Gleichgültigkeit wider, in unserer emotionalen, psychologischen, politischen Indifferenz. Es ist eine Indifferenz, die zu einer Art kollektiver Virus, zu einer Art pathetischer und pathologischer Abstraktion geworden ist.

Das Nichts kann sich selbst übersteigen, die Dinge können sich in der Leere intensivieren: das ist der eigentliche Impuls unserer (Post)Modernität. Sogar das Wahre wird von der Energie des Falschen und das Falsche von der Energie des Wahren verklärt.
Die Information zum Beispiel ist wahrer als das Wahre – sie ist in Echtzeit wahr. deswegen ist sie ganz und gar unsicher. Die Ungewißheit entsteht im Grunde aus einem Exzess an Positivität. Aus diesem Exzess des Guten folgt paradoxerweise, daß nur das Böse, daß nur das Falsche gewiß ist, aber niemals das Wahre.

In der Zweideutigkeit der Werte siegt immer das Falsche. Das ist unsere Zuflucht gegenüber dem Unbestimmten. In der modernen Kunst beispielsweise stützt sich alles, da ästhetische Kriterien fehlen, auf die Authentizität, auf die Signatur des Werke, die an die Stelle des echten Wertes tritt. Alles stützt sich auf die Expertise, woraus eine grenzenlose Spekulation entsteht. Die Marktgesetze kommen zur selben Zeit ins Schwanken wie die Kriterien des ästhetischen Wertes. Wenn man von Authentizität spricht, dann heißt dies, daß sie unwiederbringlich verschwunden ist. Ganz genauso sind, wenn man von der Echtzeit oder den Menschenrechten spricht, die Zeit und die Rechte bereits verloren gegangen.

Diese Infiltration, diese Kontamination der Werte ist universell. Selbst im geschichtlichen Bereich kann die Objektivität durch einen Virus kontaminiert werden, der heute den Zweifel an der Realität der Gaskammern ermöglicht hat. Selbst wenn dieser Zweifel heftig abgestritten wird, prägt er sich in das Bewußtsein ein, was zuvor undenkbar war. Die Computerviren führen zu einer virtuellen Destabilisierungn jeder Information, andere Viren zur Destabilisierung des sexuellen Lebens.

Politische Destabilisierung: Da Kriterien für die Wahlentscheidung und die Meinungsbildung fehlen, treten an die Stelle der wirklichen politischen Fragen die Meinungsumfragen, die in einem ununterbrochenen Wettkampf die öffentliche Imagination unterhalten.

Ökonomische Destabilisierung: Die reale Ökonomie wird durch die gespenstische Ökonomie der Spekulation ersetzt, die durch die reine Simulation des Kapitalflusses zu wuchern beginnt. Auch diese virtuelle Ökonomie ist weder wahr noch falsch – man kann ihr nichts entgegenstellen. Durch die Verleugnung seiner eigenen Spielregel, seiner eigenen Finalitäten wird das spekulative Kapital unverwundbar. Es schreckt die reale Ökonomie ab und wird auf perfekte Weise autonom . Aber es ist nicht gegen die Viren geschützt, die es durch seine eigene Autonomie, durch seine »transökonomische« Immunität selbst erzeugt: es wird auto-immun und stürzt eben dadurch in eine andere Pathologie.

Gegen diesen Triumph der Unbestimmbarkeit, die die Transparenz des Bösen einleitet, ebenso wie die Osmose des Guten und des Bösen die Transparenz einleitet, versuchen wir uns um jeden Preis durch die Wiederbelebung der Authentizität, der Tatsachen, der Ursachen, der Referenz und der Beweise zur Wehr zu setzen. Wenn jede Finalität ausbleibt, dann wird es äußerst wichtig, sich der Objektivität, dem Ursprung, der Ursache zuzuwenden. Daraus stammt unser starker Trieb zur Bewährung, zur Klarstellung, zum Sachverhalt, zur Dokumentation, der sich überall ganz offensichtlich durch den Willen ausbreitet, dieser Unbestimmbarkeit durch alle Mittel der Wirklichkeit und der Geschichte etwas entgegenzustellen. Leider verrät uns aber auch die Geschichte, selbst sie ist heute ein Komplize der Ungewißheit.

Das Meteo-Stadium
Dieses unstete Fließen der Werte, das im scharfen Gegensatz zur Umwertung aller Werte bei Nietzsche steht, diese universelle Ungewißheit treibt alle Ereignisse und ihre Deutung in einen Zustand, den man meteorologisch nennen könnte. dieser Zustand ist nicht mehr durch den unvorhersehbaren natürlichen Prozeß der Elemente, der Wolken, der Winde und Unwetter charakterisiert, sondern durch eine sekundäre Unbestimmbarkeit, die aus der Vervollkommnung der Information selbst entstanden ist.

Nehmen wir den Wetterbericht im Fernsehen. Die Sprecher haben daraus ein Fernsehspiel gemacht. Mit den Satellitendaten, die als wissenschaftliches Alibi dienen, bieten sie ein ideales Martingal, das die Zuschauer zufriedenstellt, ohne dem Wetter selbst allzu sehr zu widersprechen. Die Sprecher sind zwischen der Instabilität der atmosphärischen Schwankungen und den kollektiven Wünschen gefangen, weswegen der Wetterbericht zu einer politischen Angelegenheit wird. Sie versuchen all das, Tag für Tag, in flüchtigen Simulationsmodellen einzufangen.

So kann der Wetterbericht genau dem widersprechen, was man durch das Fenster sieht, aber in der Simulation ist er wahr, weil er aus einem Modellszenario abgeleitet wird, in das übrigens noch ganz andere Dinge als meteorologische Sachverhalte eingehen. Zum Beispiel muß ein Sprecher berücksichtigen, daß der letzte Bericht nicht richtig war oder daß das Wetter nicht zu lange schlecht sein sollte (die Bevölkerung würde es nicht aushalten). Natürlich muß er auch die wirklichen Ereignisse berücksichtigen, aber sie sind im Grunde nicht ausschlaggebend.

Daraus folgt, daß der Zuverlässigkeitsgrad des Wetterberichts den der normalen Intuition weit unterschreitet und daß wir täglich der poetischen Ungewißheit des Himmels die willkürliche des meteorologischen Diskurses hinzufügen müssen. Es ist also kein Zufall, daß der Wetterbericht im Fernsehen und in der Presse unmittelbar vor oder nach den Börsenkursen kommt. Die Börsenschwankungen und Wetterberechnungen spiegeln sich sozusagen gegenseitig in den selben Fluktuationen. Die Fluktuation der vielen Meinungsumfragen, die im Bereich der öffentlichen Meinung die selbe Logik offenbaren, schließen sich dem an.

Wenn man einmal annimmt, daß es eine Realität der ökonomischen Aktivität, eine Realität der klimatischen Prozesse und eine Realität der öffentlichen Meinung gibt, wie diese auch immer sein mögen, dann ist die Version, die uns davon durch die Börse, den Wetterbericht und die Meinungsumfragen gegeben wird, eine rein virtuelle, spekulative Version, die mit den betreffenden Realitäten nur entfernt zu tun hat. Diese simulative Umschreibung entspricht wahrscheinlich einer Strategie, aber niemand weiß, wer dabei gewinnt.

Keiner kann sich damit brüsten, die Meinungsumfragen für sich zu benutzen, vor allem nicht diejenigen, die glauben, diese zu manipulieren. Was die Absichten der Börse angeht, so sind diese einfach unbegreiflich. Man spürt irgendwie, daß diese Schwankungen der Werte, der Kurse und der Währungen einen Sinn haben muß – aber für wen und für was? In unserem System ist sie jedenfalls ein mächtiges Mittel der Täuschung und Enttäuschung, der kollektiven Ungewißheit. Sie ist eine transpolitische Form der Destabilisierung des gesellschaftlichen Körpers.

Wenn der Wetterbericht irgendwie politisch wird, wird die Politik ihrerseits meteorologisch. Man spielt mit Zahlen, Koeffizienten oder Umfragen wie mit dem gerade zufällig herrschenden Wetter. Die Hoch - und Tiefdruckzonen wechseln mit derselben Periodizität im Feld der Ereignisse und der Meinung wie in der Stratosphäre. Die Realität scheint sich schließlich sogar an diese reinen Spekulationen anpassen zu wollen. Allmählich schmiegt sich die Meinung an die Umfrage an – jedenfalls gibt es keinen anderen Spiegel der Meinung mehr als jene (und dafür gibt es einen guten Grund, nämlich daß es keine wirklich öffentliche Meinung gibt).

Die reale Ökonomie spiegelt sich in der Börse, wo sie als unmittelbare Operation ohne bestimmte Finalität, als reines finanzielles Würfelspiel und Schauspiel erscheint. Nach und nach hat der Modus der Börse, des Dumping, des offenen Kredits und der Spekulation alle Sektoren der Produktion und des Handels erobert.

Man erhält den Eindruck, daß schließlich alles, auch das Wetter selbst, den Modellen gehorcht und allmählich genauso inkohärent wird wie die Modelle. Es ist, als ob das Wetter selbst durcheinander gebracht worden wäre, genauso wie die Geldspekulationen die ökonomischen Prozesse durcheinanderbringen und wie die Umfragen die öffentliche Meinung verführen und verdunkeln. Zweifellos gerät die Realität selbst durch den Kontakt mit den Modellen in eine Verwirrung, oder sie gleicht sich diesen an, wie sich die Träume und das Unbewußte der Primitiven durch den Kontakt mit den Psychoanthropologen diesen angleichen.

Eins ist gewiß: Die Meteorologie ist eine Referenz geworden. So lange das Rationelle und Berechenbare in allen Disziplinen galt, angefangen von den Sozialwissenschaften bis hin zu den exakten Wissenschaften, war die Meteorologie das Symbol der Unvorhersehbarkeit, des Aleatorischen, und deshalb natürlich das Objekt des alltäglichen Kommentars. Heute aber, wo alle Disziplinen, vom der Physik bis zur Ökonomie, von der Kosmologie bis zur Soziologie, von der Biologie bis zur Geschichte, sich, wenn schon nicht auf das Irrationale, so doch zumindest auf das Prinzip der Ungewißheit, auf Wahrscheinlichkeiten oder auf flexible Hypothesen einstellen, wird die Metereologie zum Spiegel, zum Paradigma der allgemeinen Ungewißheit.

Aus einer gefälligen und zufälligen klimatischen Phantasie wird sie zu einem prophetischen Entwurf unserer neuesten Ereignisse. Das ist allerdings nichts Neues. Das Zufällige, das Akzidentielle, das Sinnlose, das Alltägliche, das Banale, das Abweichende, das Abnorme und Wandelbare, alles was nicht den Regeln gehorcht, ist schon lange zum Mittel der Analyse geworden. Warum nicht auch das Wetter und das Unwetter?

Ist es nicht wunderbar, daß unsere ausgeklügelsten Pläne und Berechnungen mit der Unstetigkeit des Wetters übereinstimmen? Ist es nicht das Merkwürdigste an der Politik, daß ihre Strategien schließlich den Ereignissen in der Stratosphäre gleichen und sie manchmal ausgleichen?

Das stellt auf allen Ebenen, auch in der Politik, wieder einen längst verschwundenen Suspense her. Das einzig mögliche Ereignis geschieht heute gegen die Statistiken (genauso wie es gegen die Polititk und gegen die Geschichte geschieht. Für die Menschen, die gar keine persönliche Meinung, geschweige denn die Möglichkeit haben, sie geltend zu machen, verschiebt sich der Einsatz vom ideologischen Feld auf das statistische. und die einzige Aussicht, die einzige Hoffnung liegt darin, die statistischen Daten durcheinander zu bringen und dem antizipierten Ergebnis zu entwischen.

Hier agiert irgendein kollektiver böser Genius oder irgendeine fatale Strategie, die im langweiligen Spiel der Politik launisch und stochastisch eingreift (wie beispielsweise beim französischen Referendum über Europa im September 1992). Die Unbeständigkeit der statistischen Massen, die den Launen und dem Unmut der Wolken gleicht, führt die Umfragen auf eine Art Lotterie und die Demokratie auf eine Art Glücksspiel zurück. So erhebt sie, wie in der Fabel über die Lotterie von Babylon bei Borges, das Prinzip der Ungewißheit auf den Rang einer Spielregel (einer transpolitischen, postdemokratischen Spielregel).“

Aus dem Französischen übersetzt von Florian Rötzer.