1. Das Schwebende

Schweben und Schwebendes zeigten sich am Bauhaus in verschiedener Ausprägung. Man findet sie als Motive in der Architektur, bildenden Kunst sowie als Metapher für einen modernen Lebensentwurf. 

Als Marcel Breuer 1926 in seiner Collage »Ein Bauhaus-Film« die Entwicklung seiner Sitzmöbel demonstrierte, stand am Anfang der »Afrikanische Stuhl«, der 1921 am Bauhaus in Weimar entstanden war. Als Endpunkt und zukünftiges Ziel in dieser Reihe, präsentierte Breuer einen sitzenden Menschen, schwebend auf einer »federnden Luftsäule«. Stahlrohrmöbel wie Breuers und Ludwig Mies van der Rohes Freischwinger sind Vorstufen dieser Sehnsucht nach Entmaterialisierung.

Seit der Eröffnung des Bauhausgebäudes 1926 in Dessau fotografierten sich viele Bauhäusler in einer Weise, dass der Eindruck entstand, sie würden schweben – oder wären kurz davor abzuheben. Fernab jeglicher Schwere erscheint auch der Entwurf von Mies für ein »Hochhaus in Glas und Eisenbeton« von 1923, das aufgrund seiner Transparenz sich aufzulösen scheint. Ein Phänomen, welches auch das Dessauer Bauhausgebäude von Walter Gropius, besondere nachts erleuchtet, vermittelte. Schon 1923 hatte Gropius erklärt:

»Mit zunehmender Festigkeit und Dichtigkeit der modernen Baustoffe (Eisen, Beton, Glas) und mit wachsender Kühnheit neuer schwebender Konstruktion wandelt sich das Gefühl der Schwere, das die alten Bauformen entscheidend bestimmte.«

Walter Gropius

Dort, im Dessauer Bauhausgebäude, waren immer wieder »schwebende plastiken« der Studierenden aus dem Vorkurs von Moholy-Nagy zu bestaunen, die für den Bauhaus-Meister wertvolle Vorstufen zur »im höchsten maße vergeistigten form«, nämlich zu »kinetischen plastiken« darstellten.

Kurator: Boris Friedewald