#VirtuelleRealität

#HMD #ComputersimulierteUmgebungen #AugmentedReality #ComputerGeneriertesDesign #Eskapismus

Um die aktuelle Bedeutung der Begriffe virtuell und #VirtuelleRealität zu verstehen, ist die Entstehungsgeschichte ihres heutigen Gebrauchs zu betrachten. Virtuelle Realität (VR) wird als technischer Begriff verstanden, als ein Medium, das für die BetrachterInnen die Erfahrung von Raum reproduziert – und zwar eines Raumes, der physisch nicht vorhanden ist, d. h. der beispielsweise taktil nicht erfahrbar ist. Letzteres trifft insbesondere dann zu, wenn andere Reize ausgespart bleiben (was z. B. beim Einsatz von Head-Mounted-Displays (#HDM) der Fall ist). In der Kunst werden seit ca. 1920 Volumen, die nur scheinbar existieren, virtuell genannt (z. B. Naum Gabo, »Konstruktion«, 1921). Die motorbasierte und elektrisch betriebene Drehung eines Drahtes erzeugt beispielsweise auf einer Scheibe ein scheinbares Volumen. Experimentalpsychologie und Gestalttheorie der 1920er-Jahre befassten sich mit diesen Phänomenen, z. B. dem stereokinetischen Effekt. Kinetik und Op-Art sind deren Produkte. Seit der Ausdruck im Zusammenhang mit Computertechnologie gebraucht wird, fand die Bedeutung, die sich auf #ComputersimulierteUmgebungen bezieht, auch Eingang in Wörterbuchdefinitionen: simuliert von einem Computer oder einem Computernetzwerk oder in einer virtuellen Realität existierend. [1]

Daraus können wir folgern, dass »das Virtuelle ein Substitut ist – ›es agiert ohne materielle Handlungsträgerschaft‹ –, ein immaterieller Stellvertreter des Materiellen.« [2]

Im Bereich der Philosophie haben Henri Bergson (1859–1941), Gilles Deleuze (1925–1995), Félix Guattari (1930–1992) und Pierre Lévy (*1956) verschiedene Konzepte des Virtuellen entwickelt. Bergson beschreibt die Immaterialität der Erinnerung als virtuell. [3] Für Deleuze steht virtuell nicht im Gegensatz zu real, sondern zu aktuell, sodass virtuell in diesem Ansatz einen Modus der Realität bezeichnet. [4] Für Guattari ist das Virtuelle eine von »vier ontologischen Funktoren« [5], zu denen zudem, das Aktuelle, das Reale und das Mögliche zählen. Der Begriff »Virtuelle Realität« ist recht jung und wurde wahrscheinlich von Antonin Artaud (1896–1948) in seinem 1938 auf Französisch erschienenen Buch »Das Theater und sein Double« geprägt. [6] Unser heutiges Verständnis entspricht nicht mehr der Begriffsverwendung Artauds. Während der letzten Jahrzehnte hat sich seine Bedeutung geändert und der Begriff wird heute – wie auch der Begriff #AugmentedReality – vor allem für computergestützte interaktive und immersive Umgebungen gebraucht, auf die man über projizierte Bilder zugreift sowie in vielen Fällen über zusätzliche technische Geräte (wie etwa HMDs).

KünstlerInnen und TechnikerInnen begannen mit dem Medium in den 1980er-Jahren (Myron W. Krueger, »Artificial Reality«, 1983) zu experimentieren und trugen mit zur Entwicklung des #ComputerGeneriertesDesign bei. Vor allem in den 1990er-Jahren entstanden zahlreiche Anwendungen und künstlerische Experimente auf dem Gebiet der VR, aus denen Kunstwerke hervorgingen. Seit der wachsenden Verfügbarkeit von Hardware und Software für VR-Anwendungen nutzen KünstlerInnen zunehmend Virtual Reality als künstlerisches Medium.

Das Medium ermöglicht völlige visuelle Immersion und öffnet nicht nur, wie Leon Battista Alberti (1404–1472) in seinem Traktat »Über die Malkunst« (1435) formulierte, ein Fenster, wie die Malerei und gerahmte Bilder es tun. Vielmehr zieht »The Art of Immersion« die BetrachterInnen in das Bild hinein. VR bildet eine Tür, durch welche die BetrachterInnen aus der realen Welt in die virtuelle Welt ein- und austreten können. VR öffnet buchstäblich die Tür zu einer anderen Realität.

Nicht nur in der Spieleindustrie, sondern auch in der Medizin wird die Technologie häufig eingesetzt. So können beispielsweise ChirurgInnen mithilfe virtueller Modelle den sichersten und effizientesten Weg zur Lokalisation und Operation von Tumoren bestimmen. PsychologInnen und andere medizinische Berufsgruppen nutzen VR, um traditionelle Therapiemethoden weiterzuentwickeln und effektive Behandlungsmethoden für Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS), Angststörungen und soziale Phobien zu finden. MaklerInnen und ArchitektInnen begleiten potenzielle KäuferInnen, MieterInnen oder BauunternehmerInnen auf Rundgängen durch noch nicht existierende Gebäude.

Virtual-Reality-Technologien werden langsam allgegenwärtig, aber nicht nur aufgrund des Höchstmaßes an #Eskapismus, den das Medium bietet, sondern auch wegen seiner praktischen und wirtschaftlichen Einsatzmöglichkeiten.

Lívia Nolasco-Rózsás

 

[1] Vgl. »Webster’s Third New International Dictionary«, ungekürzte Auflage, Merriam Webster, 1993.

[2] Anne Friedberg, »The Virtual Window: From Alberti to Microsoft«, The MIT Press, Cambridge (MA), London, 2006. S. 8.

[3] Vgl. Henri Bergson, »Materie und Gedächtnis. Eine Abhandlung über die Beziehung zwischen Körper und Geist«, mit einer Einleitung von Erik Oger, Verlag Felix Meiner, Hamburg, 1991, S. 127.

[4] Manuel DeLanda liefert eine umfassende Erklärung für den Vorgang, den Deleuze als »Gegenverwirklichung« bezeichnet (der Übergang vom Aktuellen zum Virtuellen) –, siehe dazu Manuel DeLanda, »Intensive Science and Virtual Philosophy«, Continuum, London, 2002.

[5] Felix Guattari, »Chaosmosis: An Ethico-aesthetic Paradigm«, Indiana University Press, Bloomington, 1995.

[6] Vgl. Antonin Artaud, »Das Theater und sein Double«, Matthes & Seitz, München, 1996, S. 52.

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