Critical Zones research group x Armin Linke

Blind Sensorium. Il paradosso dell’Antropocene

Eine Gruppe von Menschen stehen im freien vor einer bergigen Landschaft.

Vom 7. bis 10. Dezember 2019 besuchten die TeilnehmerInnen des Forschungsseminars »Critical Zones« an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung (HfG) Karlsruhe das italienische Matera – eine der beiden europäischen Kulturhauptstädte 2019 (zusammen mit Plovdiv in Bulgarien).

Auf Einladung des Künstlers Armin Linke errichteten die ForscherInnen ihr Lager in der Ausstellung »Blind Sensorium. Il paradosso dell'Antropocene«. In Vorträgen und Workshops diskutierten sie ästhetische Strategien, die unsere veränderte Beziehung zu einer Erde greifbar machen, deren Ökosysteme stark von der rücksichtslosen Ausbeutung durch den Menschen betroffen sind.

Die von Armin Linke organisierte Ausstellung, kuratiert in Zusammenarbeit mit Giulia Bruno und Giuseppe Ielasi, wurde zwischen dem 6. September 2019 und dem 6. Januar 2020 in den Ausstellungs- und Depotflächen des Museo Archeologico Nazionale »Domenico Ridola« und dem verlassenen Gebäude der ehemaligen Schule Alessandro Volta in Matera gezeigt. Die Wahl des Standorts – inmitten der Sammlung eines archäologischen Museums sowie in einer ehemaligen Schule für die ärmeren Bevölkerungsgruppen der Stadt – spiegelte die komplexen Wechselverhältnisse des »Neuen Klimaregimes« (ein von Bruno Latour geprägter Begriff) wider: Die aktuelle Klimakrise ist nicht nur eine Frage von Ökologie auf der einen und von Politik auf der anderen Seite. Vielmehr beeinflussen die Auswirkungen und Implikationen des Klimawandels inzwischen fast alle Bereiche der Gesellschaft, auch jene Institutionen, die Wissen in Wissenschaft und Bildung herstellen und weitergeben. 

Mit der Betonung dieser komplexen Beziehungen, die in der Ausstellung abgebildet werden, liefert die Kunstzeitschrift e-flux eine präzise Beschreibung der künstlerischen Untersuchung von Armin Linke:

»Blind Sensorium. Il Paradosso dell'Antropocene« ist der Höhepunkt der zehnjährigen künstlerischen Auseinandersetzung des Fotografen und Filmemachers Armin Linke und seiner Kollaborateure mit den Kräften, die das Gesicht der Erde verändern. Dass die Erdoberfläche radikale Veränderungen erfährt, ist mit dem bloßen Auge sichtbar. Und doch sehen wir nur den kleinsten Bruchteil dieser Veränderungen. Der Großteil des Anthropozäns – unserer heutigen Ära, in der der menschliche Einfluss auf die Erde den Planeten an den Rand des Klimawandels gedrängt hat – bleibt unsichtbar, selbst in seinen materiellen Prozessen. Das Wissen um diese radikalen Veränderungen des Erdsystems wird meist nicht mit unseren eigenen Sinnen, sondern durch riesige technologische Infrastrukturen und die von ihnen gesammelten Daten wahrgenommen. Doch auch das von diesem technologischen Sensorium generierte Wissen ist gekennzeichnet durch seine eigenen blinden Flecken – nämlich dass diese Technologie selbst Teil jenes sich beschleunigenden Systems ist, welches die Natur ausbeutet. Armin Linke ist in seinen Arbeiten WissenschaftlerInnen, PolitikerInnen und AktivistInnen gefolgt, indem er das konfliktreiche und in der Tat oft paradoxe Verhältnis zwischen Wissenschaft, Ökonomie und politischen Institutionen hinterfragte. »Bind Sensorium« ist eine visuelle Anthropologie der konfliktreichen Rolle, die Menschen und moderne kapitalistische Gesellschaften bei der gegenwärtigen planetarischen Transformation spielen.«

Die Workshops und Vorträge, die vom 7. bis 10. Dezember stattfanden, brachten unterschiedliche Themen wie das geologische Profil des Anthropozän, die vielfältigen Symbiosen zwischen Tieren und Mikroben oder die Erzählungen von Star Trek als Hilfsmittel für eine neue Begegnung mit unseren eigenen Lebensbedingungen auf der Erde zusammen. Erarbeitet wurden sie von Colin Waters (Arbeitsgruppe Anthropozän), Lilo Viehweg (Stiftung Bauhaus Dessau), xtro relam (Künstlerkollektiv, Budapest), Dennis Pohl & Hananh Knoop (Karlsruher Institut für Technologie, Abteilung Architektur), Studio Òbelo (Studio für visuelle Forschung, Mailand) sowie von TeilnehmerInen der Forschungsseminars »Critical Zones«: Francesca Romana Audretsch, Ali Gharib, Bilge Hasdemir, Daniel Irrgang, Hanna Jurisch, Bettina Korintenberg, Olga Lukyanova, Robert Preusse, Stefanie Rau, Anne Schreiber.