Renata Sas, Claudius Böhm: Learning to Be a Tourist
Screenshot des Films »Learning to Be a Tourist«: Rote Erde vor schwarzem Hintergrund, mit weißen Zahlen
Fr, 20.05.2005 – So, 31.07.2005
Renata Sas, Claudius Böhm, »Learning to Be a Tourist«, Video/Animation, 13 Min., Loop, 2004 
Zu sehen täglich zwischen 21:00 und 6:00 Uhr

Wer vom Ort seines Begehrens träumt, kann heute durch das Netz der Datenströme dorthin reisen. So langweilig, so unspektakulär und so bewegungslos das Bild einer Web-Cam auch sein mag - es hat eine Qualität, der Aufmerksamkeit zu schenken es sich lohnt. Der Blick der Kamera ist nicht vorselektiert. Seine einzige Bestimmung ist es, in einer konkreten Position oder einem konkreten Radius, ohne weitere Manipulation, ohne Dramatik, ohne einen pittoresken Anspruch das aufzuzeichnen, was gerade geschieht. Die Bilder sprechen eine klare Sprache, sie sind weder kompliziert noch schwer zu verstehen. Das Interesse des Reisenden konzentriert sich auf den Standort des Gerätes und je prominenter ein Ort, umso größer die Begeisterung für einen Blick durch das Auge der Kamera. Das Netz der Web-Cams fungiert als Karte. Nicht selten reist man mehrmals zu einem Aussichtspunkt, vielleicht in der Hoffnung zum Beobachter eines einmaligen Geschehens zu werden. Die Bewegung im Netz suggeriert ein Gefühl der Freiheit, das sich mit dem Empfinden einer beruhigenden Anonymität vereinigt. Unversehens stellt sich jedoch die Frage: sind im Netz alle Touristen oder ist jeder ein Einheimischer der Netzströme?

»Learning to Be a Tourist« vermeidet touristische Sensationen, um sich auf die privaten-, straßenverkehrs-, wissenschaftlichen Aufnahmen zu konzentrieren und dadurch den Kanon der schönen Aussicht zu durchbrechen. Die grafisch dargestellten statistischen Daten der World Tourist Organisation dokumentieren Wachstum in der Touristik-Branche und bezeugen, dass der Tourismus der erfolgreichste und gewinnbringendste Wirtschaftszweig ist.

Mit Hilfe eines Traceroute-Programms, lässt sich die geografische Lage einer IP-Adresse ermitteln. Das Programm visualisiert die Route vom Rechner zum Server in Form von Vektoren auf der Weltkarte und/oder tabellarischen Protokollen. Eine durch Vektoren verbildlichte Route zeigt bei jedem Knick einen größeren Verbindungsknoten im Netzwerk, im dazugehörenden Protokoll entspricht dies einer Zeile. So wird jedes Protokoll zum Kommentar der virtuellen Reise. Für die Animation wurden von 219 besuchten Web-Cams ca. 10.000 Web-Cam-Stills heruntergeladen.

Text: Ika Szope
Organisation / Institution
ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie

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