Eine Frau kniet und beugt sich nach hinten

18.02.2014

Der körperliche Impuls setzt sich fort

Die Tänzer der Sasha-Waltz-Ausstellung im ZKM zeigten eigene Choreografien.  

VON SUSANNE SCHILLER

Seit vier Monaten füllt eine Gruppe von Tänzerinnen und Tänzern die ZKM-Ausstellung „Sasha Waltz“ mit Bewegung und verleiht der Präsentation dadurch ihre Besonderheit. Alles funktioniert nach einer exakt vorgegebenen Choreografie von Körpern im Raum und einer strengen Inszenierung.

Die von Sasha Waltz zusammengestellte „Karlsruher Compagnie“, bestehend aus professionellen, modern ausgebildeten Darstellern, bietet keinen Platz für gestalterische Alleingänge. Doch in der handverlesenen Schar schlummert enormes Potenzial, das nun Gelegenheit hatte, sich zu entfalten. Die Mitglieder des international besetzten Ausstellungs-Ensembles brachen in einer „young choreographers session“ aus ihrem Gefüge aus und zeigten nicht nur, was in ihnen steckt, sondern welche Wirkung dabei auch das Gesamtprojekt auf sie ausübt.

Wer achtet schon auf die dünnen roten Linien auf schwarzem Grund, die die Außenfront des Medientheaters im Rapport überziehen? Auf sie machten Piotr Tomczyk und Carolin Hettler in höchst sensibler Weise aufmerksam, bevor die Besucher im restlos ausverkauften Innenraum Platz nahmen. An der Wand zogen sich die Akteure entlang, folgten der Horizontale auf mitunter artistische Weise und mit selbst erzeugter Blockflötenbegleitung. Unauffällige Zusammenhänge bekamen Gestalt, stießen die tänzerische Performance an: Dies galt auch für die folgenden so kurzen wie kurzweiligen Darbietungen auf der Bühne.

Am eindrucksvollsten gelang dies in den Gruppenauftritten, die nicht nur die professionelle Dynamik des Zusammenwirkens der zusammengewürfelten Truppe demonstrierten, sondern auch die körperliche Verbindung, die daraus entstand. Die Vibrationen der Glieder eines Einzelnen wurden in Claire Hurpeaus Stück an die Kollegen weitergegeben und individuell entwickelt. Der Impuls pflanzte sich fort, auch in Kyriaki Nasioulas und Anna Kanellopoulous Konzept, das ein Fest in ein bacchantisches Gelage verwandelte, das sich zu einem Körper- wie Sprachgewirr steigerte und am Ende eine fast regungslose Ordnung entstehen ließ, die wahrhaft an den Haaren herbeigezogen war.

Das Gros der Auftritte machten Soli und Zweierformationen aus, die darauf abzielten, Gefühle und Haltungen mit tänzerischem Ausdruck aufzuladen: Matina Kokolaki und Andreas Rama etwa führten existenzielle Abhängigkeit vor, die ohne Berührung auskommt.

Claudia Katarzi schuf mit enormer Beweglichkeit frappierende körperliche Illusionen, andere – wie Emmanouela-Nikoli Dolianti – wanden sich, um den Dimensionen des Lebens nachzuspüren oder versetzten sich in tänzerische Ausnahmezustände (Stephanie Roser). Das Publikum feierte einen Abend voller Spannung, der weit mehr war, als eine Zugabe zu einem Aufsehen erregenden Ausstellungsprojekt.

Quelle: Badische Neueste Nachrichten | Karlsruhe | KULTUR IN KARLSRUHE | 25.01.2014