Sandeep Bhagwati: Making Music Glocally

Ästhetiken, Theorien, Werke und Praktiken post-exotistischer Polytraditionalität in dramaturgischen Klangformen

Ästhetiken, Theorien, Werke und Praktiken post-exotistischer Polytraditionalität in dramaturgischen Klangformen
Dauer
1:32:03
Kategorie
Vortrag/Gespräch
Datum
08.05.2013
Beschreibung

Nach fast anderthalb Jahrhunderten voller Neugierden, Exotismen, Aneignungen, Amalgamierungen und Hybridisierungen - und den erst kolonialen, dann ethnomusikologischen und schließlich post-kolonialen Theorien zu diesen Phänomenen – ist das Mischen heterogener Ingredienzien musikalischer Alltag geworden. Allerdings ohne, dass sich für diese kreative »Cuisine« schon ein ästhetisches Handwerk entwickelt hätte. Anfangs ging die Vereinigung verschiedener Musiktraditionen vor allem vom »verzauberten Ohr« einzelner Randfiguren aus. In den letzten Jahrzehnten allerdings bringen die polykulturellen, multi-hybriden, urbanen Lebensrealitäten immer mehr sowohl kommerzielle als auch offiziell geförderte und kuratierte »Multikulti«-Musikprojekte hervor. Allerdings sind diese oftmals musikalisch unreflektiert – sie leben von einer freiwilligen Selbst-Exotisierung ihrer MusikerInnen und vor allem von ihrer politischen Korrektheit: Alle Menschen werden Brüder, wo ein Groove das Ohr betäubt. Es gibt aber auch eine andere Strömung inter-traditioneller Musik, die sich bewusst den Differenzen zwischen verschiedenen Musiziertraditionen, Musizierhaltungen und Musik-Ästhetiken widmet und aus diesen Differenzen neue Einsichten und musikalische Erlebnisformen gewinnt. Viele Fragen harren hierbei noch nach einer Antwort: Beispielsweise welche ästhetischen, sozialen, praktischen und legitimatorischen Strategien (ver-)bieten sich einer Komposition, bei welcher bewusst auf die Präsenz diverser Musikkulturen gesetzt wird? Wie soll man sich ästhetisch und diskursiv in dem existentiellen Spannungsfeld zwischen den eigenen komplizierten, post-exotistischen Praktiken und den im öffentlichen Raum immer noch dominierenden, exotisierenden Kommunikationsstrategien und Rezeptionsreflexen verhalten? Diesen und anderen Fragen will Sandeep Bhagwati in seinem Vortrag auf den Grund gehen.

Sandeep Bhagwati ist international aktiver Komponist, Forschungsprofessor für interdisziplinäre und interkulturelle Kunst, Theatermacher und Medienkünstler. Seine großen, oft ortsspezifischen Multimedia-Installationen und Performances fanden seit 1995 in vielen Städten der Welt statt. Zwischen 1990 und 2003 rief er selbst mehrere Festivals für Neue Musik ins Leben und war 2003 Kurator des Festivals »RasalÎla« am Haus der Kulturen der Welt, an welchem zeitgenössische Musik indischer KomponistInnen erstmals umfassend vorgestellt wurde. Er hat seine wissenschaftliche Forschung und künstlerische Arbeit seit Mitte der 1980er-Jahre auf vielen internationalen Konferenzen und Symposien vorgestellt. In Kanada hat er die Etablierung von »Research-Creation« als wissenschaftliche Methode mitgeprägt. Bhagwati war Gastkomponist am IRCAM Paris, am Institut für elektronische Musik Graz, am ZKM | Karlsruhe, beim Beethovenorchester Bonn sowie am California Institute for the Arts. 2013/14 wird er als Gastforscher an der UdK Berlin sein. Im Jahr 2000 wurde Bhagwati an der Hochschule für Musik Karlsruhe auf den Lehrstuhl für Komposition und Multimedia berufen. 2006 erfolgte der Ruf an den für ihn geschaffenen »Canada Research Chair for Inter-X Art« an der Concordia University Montréal. Hier leitet er als Direktor das von ihm gegründete »matralab« – ein Labor für interdisziplinäre und interkulturelle künstlerische Forschung in Musik und den darstellenden Künsten.