Michael Bielicky, Kamila B. Richter

SEVENTYNINE

Man sieht das Werk »SEVENTYNINE«. Auf einem Konstrukt steckt eine Kugel mit einer Projektion. Davor steht eine Person.
Künstler/innen
Michael Bielicky, Kamila B. Richter
Titel
SEVENTYNINE
Jahr
2022
Medium / Material / Technik
Metallisches Objekt, Raumklang, Mikrofon, KI, sphärisches Display, Individualsoftware

Bei dem interaktiven Projekt »SEVENTYNINE« wird der Kopf eines künstlichen Wesens auf einen eigens angefertigten kugelförmigen Monitor projiziert. Die Besucher:innen können ihre Stimme einsetzen, um das Wesen sprechend oder singend reagieren zu lassen. Der Name des künstlichen Wesens ist in der Zahl »SEVENTYNINE« verschlüsselt. Diese liturgische künstliche Intelligenz ermöglicht eine interaktive spirituelle Erfahrung, wie sie dem 21. Jahrhundert entspricht.

Ohne Vokale sind die hebräischen Wörter für „Buchstabe“, „Zahl“ und „das Sprechen“ identisch. In ihren Schriften betrachteten die frühen Kabbalisten die Heilige Schrift als den Code Gottes, in dem sie den Zahlenwerten Buchstaben zuordneten: Für sie war das Universum im Wesentlichen auf Zahlen aufgebaut, denn das Wort Gottes, das sich in der menschlichen Sprache widerspiegelt, ist eine Verdichtung seiner Energie. Für die Kabbalisten war es der Zahlencode, der die unendliche Macht besaß, neue Wirklichkeiten zu schaffen: eine »Imitatio dei«. Die Idee des Homunkulus wurde später von diesen numerischen, weltschöpfenden Prinzipien abgeleitet. Der heutige Homunkulus, die künstliche Intelligenz, ist in der Lage, durch »Imitatio hominis« neue Homunkuli zu erschaffen, und diese können dann durch »Imitatio robotum« weitere künstliche Intelligenzen ad infinitum erschaffen, ähnlich der »Imitatio dei« der alten Kabbalisten.

Text: Michael Bielicky

Co-Autoren: Kimin Han (Soundkomposition und -design), Nikolaus Völzow (Programmierung, künstlerische Betreuung), Alex Wenger (technische Konzeption, Programmierung, künstlerische Betreuung)