Michael Backes, Oliver Jahraus und Thomas Dreher: Das Problempotential der Nachkriegsavantgarden
Grenzgänge in Literatur, Kunst und Medien
Do, 29.03.2001 19:00 Uhr CEST, Vortrag

Die Autoren Michael Backes, Thomas Dreher und Oliver Jahraus stellen die drei Bände »Das Problempotential der Nachkriegsavantgarden« vor. Sie sind im Rahmen eines Projektes der Deutschen Forschungsgemeinschaft [DFG] entstanden, das von Prof. Dr. Georg Jäger (Institut für Deutsche Philologie der Ludwig-Maximilians-Universität, München) betreut wurde. Im Zentrum dieses Projektes steht die Wiener Nachkriegsavantgarde und ihre Einbettung in den künstlerischen und literarischen Kontext ihrer Zeit. Historische Zusammenhänge und grundlagentheoretische Reflexionen liefern Michael Backes für die Wiener Gruppe, Oliver Jahraus für den Wiener Aktionismus und Thomas Dreher für die Performance Art.


Das Problempotential der Nachkriegsavantgarden
Grenzgänge in Literatur, Kunst und Medien
Herausgegeben von Michael Backes, Thomas Dreher, Georg Jäger und Oliver Jahraus
3 Bde, Wilhelm Fink Verlag, München 2000
[ISBN 3-7705-3482-4]

Die Wiener Gruppe und der Wiener Aktionismus sind die radikalsten deutschsprachigen Nachkriegsavantgarden. Sie machen Front gegen den Kulturbetrieb, gegen die Medien, die Politik und schließlich die gesamte, als bürgerlich diffamierte Gesellschaft. Der Nachweis universeller Codierung, den die Wiener Gruppe zu führen versuchte, ging einher mit Fragen nach dem Status der Abbildung, dem individuellen Verstehen, dem Verhältnis von Zeichen und Gedanke und der Infragestellung des Gegensatzes von Realität und Fiktion.

Der Übergang von der Literatur zur Aktion resultiert aus der Ausweitung und Vertiefung eines Experiments, das zuerst den Mechanismen der Kommunikation, sodann der Konstruktion von »Wirklichkeit« und zuletzt der psychophysischen Verankerung unserer Gesellschaft galt. Im Rahmen exemplarischer Analysen und grundlagentheoretischer Reflexionen wird das Problempotential dieses Experiments rekonstruiert. Historisch wird die weltweite Entwicklung von aktionistischen und intermedialen Kunstformen erstmals im Zusammenhang dargestellt. Als Leitlinie dient die Konzeptualisierung des Werkes und der Beobachterposition und somit der Wandel des Verhältnisses zwischen »Kunst-« und »Weltbeobachtung«.

Bd.1:
Michael Backes: Experimentelle Semiotik in den Literaturavantgarden

Über die Wiener Gruppe mit Bezug auf die Konkrete Poesie
Mit einem beispiellosen theoretischen und praktischen Aufwand versuchte die Wiener Gruppe, etablierte Werte und realitätskonstitutive Symbolanordnungen in ihren Grundfesten zu erschüttern. Die Mittel reichen von seriellen Formzerstörungen über die Dezentrierung »diskursiver Ordnungen« [Derrida, Foucault] bis hin zur aktionistischen Fiktionalisierung von Situationsdefinitionen. In einiger Hinsicht kann man also von einem Poststrukturalismus avant la lettre sprechen. Mit ihm hebt sich die Wiener Gruppe nicht nur von tradierten Literaturmodellen, sondern auch von jener Ästhetik der Selbstidentität ab, die Autoren wie Gomringern vertreten. Am Leitfaden von exemplarischen Mikroanalysen entwickelt Backes ein Begriffsinstrumentarium, mit dem sich die experimentelle Semiotik der Wiener Gruppe im Verhältnis zur Konkreten Poesie adäquat erschließen und historisch situieren läßt.

[ISBN 3-7705-3450-6]

Bd.2::
Oliver Jahraus: Die Aktion des Wiener Aktionismus
Subversion der Kultur und Dispositionierung des Bewußtseins

Die konsequente Aufhebung jeglicher Grenzen zwischen Kunst und Leben - zu diesem Zweck wird die Aktion von den Wiener Aktionisten als avantgardistisches Instrument realisiert. Gewalt und Zerstörung mit und am Körper als Material der Aktion sind die Mittel, mit denen sie inszeniert und soweit radikalisiert wird, daß das Publikum sie nicht mehr als ein ästhetisches Geschehen im Rahmen der Kunst verarbeiten kann. Das Publikum wird überfordert und somit dispositioniert. Damit soll das Bewußtsein des einzelnen aus seinen konstitutiven Ordnungen, wie sie von der Gesellschaft, ihren Zeichensystemen, ihrer staatlichen Macht und ihrer Kultur vorgegeben sind, herausgelöst und diese Ordnungen selbst aufgelöst werden, auch wenn die Aktionen häufig eine Stabilisierung dieser Ordnungen nach sich gezogen haben.

[ISBN 3-7705-3451-4]

Bd. 3:
Thomas Dreher: Performance Art nach 1945
Aktionstheater und Intermedia

Vorgestellt wird die Performancegeschichte nach 1945 mit Schwerpunkten bei Happenings der sechziger Jahre von New Yorker wie Wiener KünstlerInnen und Performances der siebziger Jahre mit »Video-Closed Circuit«. Auch der Wandel des Körperverständnisses in Performances durch Telekommunikation und computergestützte Text- und Bildverarbeitung wird skizziert.
Aus Medienkombinationen werden in Intermedia Art Modelle für die Beobachtung von [Weisen der] Weltbeobachtung gebildet. In ihnen spielen Aktionen und kunstextern entwickelte Medien wie Fotografie, Film und Video eine wichtige Rolle. Auf der Basis einer Revision von Luhmanns Thesen zur Kunst wird eine kunsttheoretische Argumentation für Intermedia Art inklusive Performances entwickelt und gegen die Rückkehr zu klassischen Abgrenzungen zwischen Kunst- und Weltbeobachtung [Greenberg, Danto] argumentiert.

[ISBN 3-7705-3452-2]

Organisation / Institution
ZKM