ARS NOVA
Masken, Zersetzungsprozesse, Momente reiner Präsenz
Sa, 16.02.2002 20:00 Uhr CET, Konzert
Das SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden/Freiburg präsentiert zeitgenössische Musik

Das vierteilige SWR-Konzert ARS NOVA unter der Leitung von Konstantia Gourzi konfrontiert mozartsche Strukturen mit archaisch anmutenden, fießenden und biegbaren musikalischen Gebilden, die vielfältigen Aushorchungen unterworfen sind.
»Kaum Mozart-Kugeln, kein Mozart-Liqueur« kommentiert Friedrich Schenker sein viersätziges Divertimento. Schenker will mit seinen Divertimentoformen keine Klassik nachäffen, schlüpft aber mit bildhafter Drastik und Dramatik immer wieder in Amadeus-Masken. Laut Isabel Mundry handelt Panorama ciego für Klavier und Orchester, das im Juni 2001 in der Berliner Philharmonie uraufgeführt wurde, von der »Lebenszeit eines Mozartorchesters mit Klavier«. Es entstand aus der Beschäftigung mit Lorcas Gedichtsammlung Poeta en Nueva York. Das Klavierkonzert vereint Momente reiner Präsenz, mithin Zustandsbeschreibungen, die ohne Vorbereitung und Ausklang daherkommen, mit ritualisierten Wiederholungsformen, die durch feine Variationen und Zersetzungsprozesse immer wieder ins Schwanken geraten. Dieses duale Prinzip ist auch der Musik Younghi Pagh-Paans eigen. Go-Un Nim [Lobpreisung] aus dem Jahre 1998 könnte als Klangsäule umschrieben werden, die in ihrem schwebenden, immer anders beleuchteten Zustand eine faszinierende Eindringlichkeit zeigt. Der koreanische Titel ist nicht direkt übersetzbar. Er verweist auf Erläuterungen eines koreanischen Dichter-Mönches, der unter NIM all das versteht, was man gutheißen [lobpreisen] kann. Momente des Schwebens und des permanenten Flusses bestimmen auch die Musik Morton Feldmans. In The Turfan Fragments für kleines Orchester schreiten die Klänge nicht voran, sondern häufen sich an ein und derselben Stelle auf. Das tilgt jegliche Vergangenheit. Hier gibt es nicht nur Musik im Verlauf der Zeit, sondern eine neue Konzeption von Zeit. Armin Köhler