Zur Aktualität Marshall McLuhans
Sa, 08.10.2011 18:00 Uhr CEST, Podiumsdiskussion

In den 50er-Jahren von seinen Kollegen an der Universität Toronto als Pop-Soziologe verspottet – weil er sich als Inhaber eines Lehrstuhls für englische Literatur nicht etwa mit Literatur, sondern mit Werbung und Comics beschäftigte und diese gar mit Kunst gleichsetzte. In den späten 60er- und 70er-Jahren von denselben Kollegen beneidet, weil er in aller Munde war, auf dem Cover der Newsweek, im Playboy, in Fernsehshows und von Politikern und Popstars konsultiert wurde, die wissen wollten, was sie da eigentlich in den Medien tun: Marshall McLuhan schien der einzige Mensch auf dem Planeten zu sein, der Erklärungsansätze bieten konnte für das Entstehen der Hippies, der Beatniks, der Bürgerrechtsbewegung.
In den 80ern geriet McLuhan beinahe in Vergessenheit – und wurde fortwährend von den Neidern kleingeredet. In den 90ern stand er mit der Vernetzung der PCs jäh wieder auf und ist seither nicht mehr wegzudenken aus einem medialen Diskurs, den er selbst begründet hat und der heute alle anderen Diskurse an Bedeutung zu überragen scheint.

Heute gilt der 1980 verstorbene Avantgardist Marshall McLuhan als Begründer der Medientheorie – als extravaganter und einsamer Klassiker, als unübertroffener Kenner der Alltagskultur, als Virtuose raffinierter Textmontagen und Konstrukteur eines neuartigen Erkenntnismodells. Für seine Anhänger ist er ein Visionär, der mit seinen Schlagworten vom globalen Dorf und dem Medium als Botschaft die modernen, elektronischen Medienumwelten antizipierte. Obwohl bereits in den 60er-Jahren entstanden, erlebte sein Hauptwerk, insbesondere »Die Gutenberggalaxis« und »Medien verstehen«, seit der Entwicklung von Internet und E-Mail, Social Media Networks und Smartphones eine ungeahnten Renaissance. Zu seinem 100. Geburtstag in diesem Jahr geht das ZKM der Frage nach, wie aktuell Marshall McLuhans Thesen wirklich sind und welchen Einfluss er auf unser Denken hat.

Die beiden McLuhan-Experten und -Übersetzer Martin Baltes und Rainer Höltschl diskutieren mit dem Kulturtheoretiker Klaus Theweleit darüber, ob und wie uns die Lektüre McLuhans heute noch helfen kann, Medien, die Gesellschaft oder gar uns selbst zu verstehen.

Martin Baltes (*1965) Studium der Germanistik, Soziologie, Sprachen in Saarbrücken, Brest, Freiburg. Herausgeber zahlreicher Publikationen zur Medientheorie und Markengeschichte, insbesondere zu Marshall McLuhan.
Rainer Höltschl (*1961), Autor, Übersetzer und Herausgeber. Studium der Literaturwissenschaften und Geschichte in Wien und Freiburg, Promotion. Zahlreiche Veröffentlichungen zu McLuhan, Übersetzung von McLuhan-Interviews und -Aufsätzen. Herausgeber von McLuhan-Sammelbänden.
Klaus Theweleit (*1942) lebt als freier Autor in Freiburg und lehrte dort am Institut für Soziologie. Lehraufträge in Deutschland, den USA, der Schweiz und Österreich und bis 2008 Professor für Kunst und Theorie an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe.

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