Nils Röller: Towards Cuzco 22

View of a house wall and a wall: On there that painting of a green leaf and the word "Coca"
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Lieb.schelm,

wir haben eine Mitleserin oder einen Mitleser mit weiblichem Pseudonym. Heute habe ich folgende mail gefunden:

From: Sabine Schreiber <sabinschreiber@gmx.de>
To: digitale@wallace.khm.de
Subject: Korrektion
Date: Thu, 29 Aug 2002 14:54:08 +0200 (MEST)
Werther K[...],
ich bin eine der größten lebenden
K[...]zeichenzeilenkorriggiererin.
Vielleicht können wir das miteinander? Ihre Fanin Sabin

Ich habe der Sabine unsere letzten mails gesendet: Folgendes kam zurück:

Vererter k [...],

hab ko-regiert: dunkelblau = suggestivfarbe
pink = korrekt in carthes. Coord.

beides aber in keiner weise zwingend.

Also hinreichend aber nicht notwendig. liebe grüss sabin

Ihre Korrekturen sende ich Dir im Attachment mit.

Ansonsten versuche ich mich an Deinen Worten abzuarbeiten. Ich aquarelliere sie nach. Hast Du mir nicht von einem Roman erzählt, in dem ein Wissenschaftler auftaucht, der einmal im Jahr seine Tochter besuchen darf und jedes Jahr stellen ihm die Behörden ein anderes Mädchen vor, er hält sie jedes Mal für seine Tochter, aber sie ist es gar nicht? Ähnlich kommen mir die beiden Grazien vor. Sie waren heute wieder da. Sie kamen am Sonnabend Vormittag und passten mich in dem Moment ab, als ich mit einer geplatzten roten Einkaufstüte vom Penny-Markt meine Ladentür öffnete. Es überrascht mich immer wieder, was man alles bei uns kaufen kann, verglichen mit den Andinos lebe ich wie ein König (Rispentomaten, Vollmilch Joghurt, Melone Galia, Äpfel, Audiokassetten, Champignons, Frühkartoffeln, Lauchzwiebeln, Kraueter Mix, und das alles für 9.17 Euro). Von meinem Einkauf könnte eine Grossfamilie in den Anden vier Tage leben, oder weißt Du Gegenteiliges zu berichten? Die beiden waren mir behilflich beim Auspacken...

Merkwürdig, dass der Zeichenfischer letzte Woche nach ihnen gefragt hat und sie nun wieder in Erscheinung treten. Der Zeichenfischer wird zur Behörde meiner Gefühle. Die beiden sahen wieder phantastisch aus. Die eine trug ein schwarzes Kleid. Ihr Ausschnitt war ein Dolch, der meine verkorksten Händlersinne schied. Zugleich war sie weich anzusehen, wie eine Feder, die behutsam im Wind zu haschen ich versuchen möchte, ohne ihren Flausch zu drücken. Die andere war einfach irre. Sie trug billige Turnschuhe, einen verblichenen Rock aus Sweatshirtstoff und dadrunter einen glänzenden Body aus rotem Lack. Mir wären beinahe alle mentalen Kerzen durchgebrannt. Sie wussten um ihre Wirkung und leiteten sie mit zarten Küssen zur Begrüssung um. Wir haben darüber diskutiert, sie meinten, dass es o.k. ist, wenn ich sie so ansehe. Das sind sie gewohnt und ausserdem fänden sie mich sympathisch. Die beiden haben eine Flasche Wein und Tappas mitgebracht. Sie wollen mein Geschäft für eine Ausstellung mieten, es geht um Kunst und Mode. Ich habe ihnen erzählt, dass wir uns schreiben, und auch, dass Du mit Physikern sprichst, während ich versuche, die sich täglich einbrennenden Bilder schöner Frauen näher zu bestimmen. Das hat sie interessiert. Sie erzählten von einem verrückten Schriftsteller, der an solchen Themen arbeitet, hatten aber seinen Namen nicht parat. Er soll im Winter ein Konzert in Köln veranstaltet haben. Kennst Du ihn?

Die beiden haben sich mir am nächsten Tag verabredet, (deshalb erhältst Du erst heute eine mail). Sie haben mich abgeholt mit einem GPS gesteuerten Sportwagen und dann sind wir über den Rhein in eine Parkgarage gerauscht und von dort in die Mathew Barney-Ausstellung gestürmt. Eine von ihnen war im Stil der Stewardessen des Cremaster Nr. 1 gekleidet. Sie trug ein graues Schiffchen, eine dementsprechende Uniform, dazu aber penetrant rosa Pumps. Die andere trat in spitzen Lederstiefeln auf, begleitet von einem orange fleckigen Overall, auf dem hinten Krupp zu lesen stand. Die beiden informierten mich übrigens über Details aus den Filmen, besonderen Wert legten sie darauf, mich auf die weissen Strapse hinzuweisen. Gefallen fanden sie an der Barneys Selbstdarstellung als Neptun, dessen Glied in einem Budapester Bad an Schnüren von Tauben gehoben wird. Sie sagten mir, dass sie jetzt regelmässig bei mir vorbeikommen wollen, um die geplante Ausstellung vorzubereiten. Das wäre gut für mich, denn ich merke, dass in ihrer Gegenwart die Bilder nicht so brennen. Lass mich noch etwas zu ihrem Haarschmuck sagen. Eine von ihnen trug ihr blondes Haar züchtig hochgesteckt mit Blechspangen und einer roten Haarnadel, die andere liess ihr Haar lockig wehen, mit dünnen Bändern geschmückt, fein gemacht für einen Festritt im gebändigten Westen des schönsten Cowgirls der Comunity.

So long
Dein K[...]