Filme von Matthias Müller, Liisa Roberts, Ann-Sofi Sidén, Beat Streuli
So, 29.02.2004 16:00 Uhr CET
- Ort
- Medientheater
Matthias Müller: »Alpsee« [1994/2002, Video, 13:55 min]
Liisa Roberts: »9 Minutes of Form. A Sculpture, Liisa Roberts, Helsinki, March, 1993. For Carlos Basualdo« [1993, 16 mm]
Ann-Sofi Sidén: »Qm, I Think I Call Her QM« [1997, Video, 28 min]
Beat Streuli: »Allen Street II 5-29-94« [1994, Video, 45 min]
Der in Bielefeld lebende und arbeitende Matthias Müller kombiniert in »Alpsee« seine spezifische Arbeitsweise, die experimentell-surrealistische Montage von Found-Footage Material, erstmals mit dem konventionellen Erzählen einer Geschichte in Spielfilmszenen. Der Film verwendet einerseits exakt nach einem Drehbuch gedrehte Szenen, andererseits greift er zurück auf Filmmaterial aus dem Privatbestand von Müllers Vater, sowie auf ausgesuchte Szenen aus den TV-Serien Fury und Lassie. Die Story dreht sich um einen in den frühen 1960er Jahren heranwachsender Jungen und dessen Verhältnis zu seiner Mutter. Beide verbindet eine seltsam emotionslose Beziehung aus der alles Liebevolle und Körperliche ausgeklammert ist. Die meiste Zeit sieht man die Mutter im Haushalt, während ihr Sohn gelangweilt daneben sitzt. Auf den ersten Blick sieht der Junge sehr brav aus, dennoch hegt er agressiv-subversive Gedanken. Die Filmgeschichte wird durch das Found-Footage-Material von Müllers Vater Eingeräumt. Die Szenen aus den TV-Serien haben dagegen eine die Narration unterstützende Funktion. Sie visualisieren die Träume des Jungen oder sie verdoppeln bestimmte Szenen. Durch den Einsatz von TV-Bildern verliert die Narration ihren privaten, geschlossenen Charakter und setzt das Erzählte in den Rahmen eines kollektiven Gedächtnisses.
In Liisa Roberts Film sieht man über die gesamte Dauer im Bildausschnitt eine rechte Hand, die kontinuierlich schreibt. Das Geschriebene ist unscharf und für den Betrachter nicht lesbar. Während der Filmvorführung wird man Zeuge eines anonymen Schreibvorganges, von der Perspektive vielleicht an diejenige eines Lehrers erinnernd, der während einer Prüfung seinen Schülern über die Schulter schaut. Das handschriftliche Schreiben eines langen Textes auf einem schönen Bogen Papier ist in Zeiten von beschleunigter Kommunikation mit Telefon, Computern, Fax, E-Mail und SMS zur Seltenheit und zu einem extrem intimen Akt geworden. Dem Vorgang selbst wohnt in der ruhigen, gleichmäßigen Fortsetzungen etwas Meditatives und Kontemplatives inne, was in dieser Form nur noch selten in der Öffentlichkeit stattfindet. Durch die Unlesbarkeit konfrontiert die Künstlerin den Betrachter mit dessen unbefriedigter Neugierde bezüglich der Gattung des Geschriebenen. Die Absicht der Künstlerin ist es, die Kategorie Skulptur einer Neubetrachtung zu unterziehen.
Mit »Qm, I Think I Call Her QM« schuf die schwedische Künstlerin Ann-Sofi Sidén einen Film, der zentrale themen ihres Werkes synthetisiert: die Vernunft, die glaubt, das Begehren beherrschen zu können, die Konstruktion des Subjekts durch soziale Überwachung und Kontrolle, die Grenzziehung zwischen Normalität und Wahnsinn sowie die gesellschaftlichen Definitionen des Weiblichen.
In der Videoarbeit »Allen Street II 5-29-94« lenkt Beat Streuli den Blick des Betrachters auf einen Straßenabschnitt in der New Yorker Lower East Side. Die Kamera, deren Position während der gesamten Aufzeichnung unverändert bleibt, scheint ein alltägliches Straßengeschehen wiederzugeben. Sie verzichtet auf jede Art der Dramaturgie und gibt mit ihrer authentisch wirkenden Aufnahme die Möglichkeit, etwas zu betrachten, das wir heute im Alltag übersehen.