Wolfgang Donsbach zu »ARTandPRESS«

Donsbachs Gedanken zur »Funktion« von Zeitung, gesellschaftlichem Nutzungsverhalten und warum er mit Peter Weibels Argumentation übereinstimmt.
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VON WOLFGANG DONSBACH

Um es gleich vorwegzuschicken: Peter Weibel und ich werden nicht zusammenkommen! Und zwar aus zwei Gründen und sie haben beide etwas mit der gesellschaftlichen Funktion von »Zeitung« zu tun. Ich setze das Wort in Anführungsstriche, denn was das ist, müssen wir erst noch klären.

Kommen wir zum ersten Grund: Peter Weibel vertritt nach meiner Auffassung eine archaische Vorstellung von der politischen Rolle der Zeitungen und der anderen Medien. Sie sind in unseren demokratischen Gesellschaften keine »politische Interessenvertretung«, wie Weibel sagt. Ich würde mich dagegen verwahren (und ich tue es ab und an), wenn meine ansonsten geschätzte Frankfurter Allgemeine Zeitung meinte, mich politisch vertreten zu müssen. Das war in vor-demokratischen und vor-sozialen Zeiten sicher eine wichtige Aufgabe der Zeitungen (weil es niemand anders machte), aber heute erwarte ich von den Nachrichtenmedien sachliche Information und Aufklärung, nicht Propaganda. Meine amerikanischen Kollegen Barnhurst und Owens haben in einem Beitrag die Entstehung der journalistischen Profession damit erklärt, dass die Bürger irgendwann jemanden brauchten, der ihnen Gerüchte von Erkenntnissen (»gossip from evidence«) unterscheidet. Die gesellschaftliche Aufgabe des Journalismus liegt darin, ihrem Publikum aus allem, was auf der Welt passiert und über die Welt behauptet wird, das herauszufiltern, was relevant und was wichtig ist – um so auf der Basis gemeinsamen Wissens aller Bürger einen gesellschaftlichen Diskurs herstellen zu können. Nur diese Funktion des neutralen »Intermediärs« (Jarren) macht Journalismus zur Profession, vielleicht zu der »Wissens-Profession« unserer Zeit (Hjarvard). Politische Interessenvertretung ist dagegen Sache der Parteien und anderer Gruppen, die auch unter dieser Flagge segeln und so für den Bürger als Organisationen erkennbar sind, die im Geschäft der Werte unterwegs sind. Wer die Welt verändern will, soll dorthin gehen und nicht Journalist werden. Dass die Zeitungen Leser verlieren, hat nichts mit einem Mangel an Interessensvertretung zu tun, sondern mit verändertem Nutzungsverhalten der Bevölkerung.

Damit kommen wir zum zweiten Grund, warum Peter Weibel und ich uns wahrscheinlich nicht einig werden: Es geht nicht um die technische Plattform, sondern die Profession. Mit anderen Worten: Ob Zeitungen auf Papier gedruckt oder elektronisch ins Netz gestellt werden, ist letztlich gleichgültig. Auch der immer schneller und massiver entstehende Elektronik-Schrott dieser Welt ist ja ein Umweltproblem, nicht nur die Zeitungen, die übrigens überwiegend auf recyceltem Papier gedruckt werden. Da sehe ich die Ökobilanz nicht so eindeutig wie Weibel. Entscheidend ist aber, dass es um die Qualität der Inhalte geht (womit wir wieder beim ersten Punkt wären…). Wir haben mit Tausenden von Beiträgen über einen Zeitraum von 30 Tagen eine umfangreiche Inhaltsanalyse durchgeführt, wie professionelle Medien versus Nachrichten-Blogger sowie traditionelle Auftritte (gedruckt oder gesendet) versus Internet-Quellen über wichtige Themen des Tages berichtet haben. Das Ergebnis ist (in leichter Abwandlung eines Zitats von Clintons Presseberater): »It’s the profession, not the platform, stupid!« Die Beiträge von professionellen Journalisten waren besser recherchiert, präsentierten mehr Fakten und – vor allem - stellten die wichtigen Themen von verschiedenen Perspektiven und nicht nur einseitig dar – egal ob in traditioneller Form oder online. Das ist, was professionellen Journalismus ausmacht und das erwarte ich von ihm. Aber diese Erwartung hat ja nicht jeder, wie wir im Interview gehört haben. Wer politische Interessensvertretung will, findet sie im Netz natürlich zu Hauf.

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Über den Autor

Wolfgang Donsbach (*1949) ist Professor für Kommunikationswissenschaft an der TU Dresden, Gründungsdirektor sowie amtierender Direktor des dortigen Instituts.

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