Ist das Museum der Zukunft noch ein Museum?
Unter dem provokativen Titel »Das Museum der Zukunft ist kein Museum mehr« diskutierten zuletzt Fachleute im ZKM | Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe über eine mögliche Zukunft des Museums im Zeitalter von Digitalisierung und Corona.
VON ZKM REDAKTION
Was, wenn das Museum in Zukunft nicht nur ein realer Ort ist, sondern auch im virtuellen Raum »schwebt« und auch dort darauf wartet, entdeckt und beforscht zu werden? Was, wenn es von nun an fortwährend nicht nur analoge Begegnungen mit der Kunst, mit anderen BesucherInnen, mit den KünstlerInnen und KuratorInnen gibt, sondern auch virtuelle in den Sozialen Netzwerken?
Denken in analogen Räumen
Ab 2017 stand für das ZKM zwei Jahre lang eine besondere Frage im Vordergrund: Wie können technologische Entwicklung und Facetten der Digitalität der breiten Gesellschaft zugänglich gemacht werden? Mit der Ausstellung »Open Codes. Leben in digitalen Welten« – also den digitalen Codes, die unser Leben mitgestalten – hat das ZKM die Grenzen des Museums aufgebrochen: kein herkömmlicher Museumsraum, kein sogenannter »white cube«, dafür ein Coworking Space sollte den Zugang zu einem der wichtigsten Themen unserer Zeit bieten – er sollte die Hemmschwellen senken und eine Annäherung an die neue Kulturtechnik des digitalen Codes erleichtern. »Open Codes« erweiterte die Idee des Museums: Das Ausstellungsexperiment wurde nicht nur zu einer Sammlung von Objekten (der ursprünglichen Idee des Museums), sondern auch zu einer Versammlung von Menschen, die den Austausch suchten, miteinander und voneinander lernten und zugleich den ursprünglichen Museumraum in einen gemeinsamen Wissens- und Erlebnisraum verwandelten. Für ihre aktive und kollektive Wissensarbeit im Ausstellungraum wurden die BesucherInnen belohnt mit freiem Eintritt, freien Getränken & Snacks, freiem Strom und W-Lan, mit einer Bibliothek, mit Tischkicker, Tischtennis und Lounges zur Erfrischung.
Denken in digitalen Räumen
Die Corona-Pandemie führte uns schlagartig vor Augen, dass das Museum in der rein lokalen Form nicht mehr existieren kann. Das große soziale Experiment, in dem wir uns seit dem Ausbruch der Pandemie befinden, zwingt uns, unsere Kulturpraxis zu überdenken. Mit ungeheurer Dynamik wurden wir alle in das digitale Zeitalter geschoben. Die aktuelle Ausstellung zur Klimakrise, »Critical Zones. Horizonte einer neuen Erdpolitik«, wurde in den digitalen Raum verlegt: eine virtuelle Plattform stellte die von KünstlerInnen nun digital neu konzipierten Kunstwerke auf einer sich ständig wandelnden Website vor. Aus der Eröffnung wurde eine Live-Streaming Festival, das von mehr als 30.000 Interessierten von zuhause aus verfolgt wurde. Vorträge mit ReferentInnen aus aller Welt, Diskussionen, Filmscreenings und ein Theaterstück fanden ihren Weg zu den digitalen TeilnehmerInnen, die über Telegram diskutierten und sich so aktiv am Geschehen beteiligten. Im analogen Museum kommen die BesucherInnen ins Museum, um zu schauen. Im digitalen, intelligenten Museum der Zukunft kommt das Museum zu den BesucherInnen nach Hause, um gemeinsam zu erleben und zu denken. Ist dieses »Home Museum« das Museum der Zukunft? Und wenn ja, wie sieht es aus?
Ganzheitlich denken
Das ZKM wurde 1989 als digitales Bauhaus gegründet, nicht als Museum. Als Zentrum für Kunst und Medien erforscht es die künstlerische Anwendung neuer Technologien und als BürgerInnenforum stellt es die Auswirkungen der neuen Technologien auf die Gesellschaft zur Diskussion. Die heute aktuellen Technologien – von VR über KI zu Bio-Media – müssen ihren Weg zu den BürgerInnen finden. Die Zukunft des Museums wird das intelligente Museum sein: Ein Ort, der physisch wie digital Zugänge eröffnet, dessen Türen zu Räumen des gemeinsamen Erlebens und des kritischen Denkens führen. Im Fokus der Forschung am ZKM stehen daher neue Technologien und deren Anwendungspotential für die Kunst, für das Museum und für die BesucherInnen. Interaktion und Partizipation im Analogen und Digitalen sind die Basis für ein smartes, technologisch intelligentes Museum für die Gesellschaft des digitalen 21. Jahrhunderts.