Obsessive Malerei
Ein Rückblick auf die Neuen Wilden
Sa, 27.09.2003 – Mo, 05.01.2004
Die Malerei erlebte Anfang der 1980er Jahre, nachdem sie durch die Minimal Art und Concept-Art weitgehend verdrängt schien, erneut eine kurze aber vehemente Blüte. Junge Künstler schlossen sich in Berlin, Köln und Hamburg zusammen, um als »Neue Wilde« gegen die Vorlagen von Georg Baselitz, Anselm Kiefer, Sigmar Polke und Gerhard Richter zu rebellieren. Ihre radikal subjektivistische Ausrichtung mündete in emphatisch-expressiven Gemälden von meist kräftiger Farbigkeit. Die großen Bildformate eroberten innerhalb weniger Monate den Kunstmarkt und namhafte Kunstsammlungen. Nichtsdestotrotz polarisierte die »heftige Malerei« die Fachwelt damals wie heute. Gerade weil ein abschließendes Urteil über diese Kunstrichtung noch aussteht, beabsichtigt das ZKM | Museum für Neue Kunst, die Gemälde genauer zu untersuchen und in einer Übersichtsschau zur Diskussion zu stellen. Auf der Grundlage von über 40 maßgeblichen Werken aus der Sammlung FER, sowie Leihgaben aus anderen Sammlungen und Museen, sollen die Ziele und Visionen jener jungen Künstler aufgezeigt werden, die sich dem Medium Malerei schon zu Beginn der 1980er Jahre mit großer Obsession zuwandten.
Die Rückkehr zur figurativen Malerei zeichnete sich Ende der 1970er Jahre bei den Berliner Künstlern Rainer Fetting, Helmut Middendorf, Salomé (Wolfgang Cilarz) und Bernd Zimmer ab. Ihre burlesk-ekstatischen Bildfindungen demonstrierten die zunehmende Subjektivierung der Malerei, die formal noch an den deutschen Expressionismus anzuknüpfen schien, inhaltlich aber die Berliner Subkultur, Punkszene und New-Wave-Musik thematisierte. Die im MNK ausgestellten Werke zeigen, dass neben dem exhibitionistischen Umgang mit der eigenen Sexualität bei Salomé und Fetting auch klassische Themen - wie beispielsweise die Landschaft bei Zimmer - wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückten.
Zeitgleich zu den »Berliner Wilden« mieteten in Köln Hans Peter Adamski, Peter Bömmels, Walter Dahn, Jiri Georg Dokoupil, Gerhard Kever und Gerhard Naschberger ein Gemeinschaftsatelier in der namensgebenden Adresse »Mühlheimer Freiheit« Nr. 110. Die von der italienischen »Arte Cifra« beeinflussten ironisch-witzigen Bildkommentare weisen im Vergleich zu den Berliner Bildern noch weniger stilistische Gemeinsamkeiten auf. So zeigen gerade die frühen Gemeinschaftsbilder von Walter Dahn und Jiri Georg Dokoupil, dass die »Kölner Wilden« die Gleichzeitigkeit verschiedener Individualstile kultivierten und sich jeder darüber hinaus gehenden Kategorisierung entzogen.
Anders verhielt es sich bei den Hamburger Künstlern – Werner Büttner, Martin Kippenberger, Albert und Markus Oehlen –, bei denen nicht nur die Künstlerpersönlichkeit, sondern vor allem auch deren Kommentar auf die genormten Wertmaßstäbe bürgerlicher Vorstellungen im Vordergrund stand. Auf den ersten Blick dilettantisch, in Wirklichkeit aber die Perfektion bewusst vermeidend, revoltierten ihre oft dunkeltonigen Bilder gegen die wohlstandsbedingte Apathie der 1980er Jahre.
Um die Differenz der einzelnen Gruppierungen vermitteln zu können, sind die 140 ausgestellten Werke drei - den regionalen Zentren entsprechenden - Bereichen zugeordnet. Diese gruppieren sich um einen architektonisch abgesetzten »Zeittunnel«, der diagonal durch die Ausstellung läuft und die arrivierten Positionen deutscher Malerei schlaglichtartig beleuchtet.
Impressum
- Kurator/in
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Team
Rainer Gabler (Technische Mitarbeit)
Christof Hierholzer (Technische Mitarbeit)
Marianne Meister (Registrarin)