Mediagramm Sonderausgabe
Dezember 1993
- Beschreibung
- 12 S.
- Sprache
- Deutsch
- Jahr
- 1993
- Inhalt
Editorial: Die Architektur als Animation
Hätten wir genügend Zeit gehabt, so hatten wir die hier präsentierten Entwürfe junger Architekten als Videoanimation auf Bildplatte dem Publikum vorgestellt. Denn kaum eine andere Disziplin außer der Chirurgie eignet sich besser für die Umsetzung in bewegte 3-D-Bilder als die Architektur. Die Videoanimation erlaubt es, das räumliche Erscheinungsbild künftiger Bauten exakt darzustellen und im Vorgriff durch die Träume hindurchzunavigieren, um ein plastisches Vorstellungsbild der Gebäudeplanung zu gewinnen. Dem Architekten wie dem Bauherrn kann auf diese Weise geholfen werden, denn nicht immer gelingt es. komplexe Raumzusammenhänge, Grundriß, Aufriß und Schnitt, Perspektiven und Isometrien in ein anschauliches Bild zu übertragen. Nicht einmal das Architekturmodell kann die in einer Videoanimation enthaltenen Möglichketten der Vergegenwärtigung völlig ersetzen.
Immerhin hat das ZKM seit seinem Bestehen drei künstlerisch und architektonisch ansehnliche Animationen verwirklichen können. Wir haben als erstes die eigene Stadt ins Visier genommen und am Beispiel der Stadtplanungen Friedrich Weinbrenners das klassizistische Karlsruhe der Zeit um 1800 rekonstruiert (Ralf Bühler und Harald Ringler). Das Zentrum Karlsruhes, der Marktplatz mit dem Rondellplatz und dem Ettlinger Tor, sind Gegenstand unserer ersten Videoanimation, die uns besser als ein Modell durch Weinbrenners nur zum Teil verwirklichtes Karlsruhe (»Weinbrenners Traum«) hindurchführen kann. Die spröde und doch gliederungsreiche Architektur Weinbrenners hätte uns mit einem sehr anderen Karlsruhe konfrontiert als wir es heute kennen.
Die zweite Architekturanimation aus dem Institut für Bildmedien des ZKM stammt von der Niederländerin Monique Mulder, die zusammen mit dem Leiter des ZKM die neue Ausgrabung einer steinzeitlichen anatolischen Stadt Çatal Höyük, in eine Videoanimation umgesetzt hat. Diese um 6500 v. Chr. entstandene Großsiedlung hat unser Bild von der Entstehungsgeschichte der Städte völlig verändert. Nicht im Zweistromland sind um 3500 v. Chr. – wie wir bisher glaubten – die ersten Städte entstanden, sondern 3000 Jahre früher im Südanatolien hat es bereits eine städtische Hochkultur gegeben. Die Videoanimation des ZKM ist die erste ausführliche Rekonstruktion auf der Basis der Ausgrabungsergebnisse von Çatal Hüyük, so wie sie der englische Archäologe James Mellaart zutage gefördert hat. Die durch die Animation möglich gewordene Fahrt durch die Bauten und Räume dieser Siedlung gleicht einer Fahrt durch die Anfänge der menschlichen Zivilisation.
Mit der dritten Animation von Burkhart Detzler und Dietrich Oertel, die an der mit dem ZKM verschwisterten Hochschule für Gestaltung hergestellt wurde, gelangen wir zur Architektur der Gegenwart. Als einer der im internationalen Wettbewerb des neuen Regierungsviertels von Berlin Ausgezeichneten hat Dietrich Oertel die Animation seines Entwurfs für den Spree-Bogen herstellen lassen. So erst wurden die räumlichen Zusammenhänge, die Distanzen und Gebäudeverhältnisse optisch plausibel. Detzlers Umrißanimation entspricht den Möglichkeiten, die wir auch für die hier präsentierten Entwürfe junger Architekten hatten anwenden können. Als besondere Aufmunterung hat Detzler seine Animation des Barcelona-Pavillons von Mies van der Rohe, jenen wegweisenden Bau der klassischen Moderne, in die Ausstellung der Entwürfe junger Architekten hineingestellt.
Die hier skizzierten Architekturprojekte werden in der Ausstellung durch Fotos und originale Zeichnungen repräsentiert. So wie die Architektur vor der Erfindung des Computers dargestellt wurde. Da es sich bei den Beteiligten um junge Architekten aus verschiedenen Ländern handelt, sei dies als willkommene Gelegenheit genutzt, das ZKM seinen Tribut an das heraufkommende Europa entrichten zu lassen.
Die beiden unternehmungsfreudigen Galeristen, die sonst nur mit Bildern und Plastiken umgehen, Max Hetzler und Philomene Magers, beide Köln, haben sowohl diese ungewöhnliche Ausstellung als auch diese Sonderausgabe des »Mediagramms« möglich gemacht.
– Heinrich KlotzInhaltsverzeichnis
Heinrich Klotz "Editorial: Die Architektur als Animation" S. 2 Fritz Neumeyer "Das Architektonische als Thema" S. 2 Yago Conde / Bea Goller, Barcellona "Unbeachtete Architektur" S. 3 D'Ecoi, Paris "Die sich verändernde Erfahrung: Das Erfahren von Veränderung" S. 3 Kevin Bone, New York "Träume der Prärie" S. 3 Moritz Küng "Raum annehmen" S. 4 Annabelle Selldorf / Wilvan van Campen, New York "Selbstverständlich" S. 6 Myrto Vitart / Jean-Marc Ibos, Paris "Tradition und Fortschritt" S. 6 Karin Bily / Paul Katzenberger, Wien "Wahrnehmung, Kontext, Bedeutung" S. 6 Paloma Lasso de la Vega, Madrid "Die offene Form" S. 7 Meinrad Morger / Heinrich Degelo, Basel "Zeitlos" S. 7 Christine Kreplin / Hubertus Duwensee, Berlin "Das Einzelne und das Ganze" S. 7 Joao Pedro Serodio, Porto "Die Ordnung der Elemente" S. 8 Christian Jabornegg / András Pálffy, Wien "Ökonomie und Bedeutung" S. 8 Erika Overmeer, Zürich "Die Raumtiefe der Fläche" S. 8 Michael Hofstätter / Wolfgang Pauzenberger, Wien "Der Blick ist wieder frei" S. 9 Claudio Silvestrin, London "Bruchstückhafte Überlegungen" S. 10 Kaspar Stevens / Susanne Barsum, Köln "Visionen" S. 10 Heike Büttner / Claus Neumann / Georg Braun, Berlin "Die innere Ordnung" S. 11 Lukas Baumewerd, Köln "Raumbildung" S. 11 ARTEC: Bettina Götz / Richard Manahl, Wien "Funktionseinheit" S. 11 Daniel Marques / Bruno Zurkirchen, Luzern "Unser Verhältnis zur Architektur" S. 12