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Veranstaltung

Wechselpräsentation - no. 1

Chaotic Itinerancy

Fr, 09.06.2000

»Chaotic Itinerancy« ist ein von Ichiro Tsuda geprägter Begriff für die Eigenschaft bestimmter komplexer biologischer Systeme, die selbst aus komplexen Subsystemen bestehen. Die Subsysteme zeigen temporär Charakteristika, wie sie aus der Chaosforschung bekannt wurden, nämlich so genannte „chaotische Attraktoren“. Temporär bedeutet, dass diese Attraktoren keine wirklich für alle Ewigkeit stabilen Strukturen sind, sondern gelegentlich zerfallen. Jeder Zerfall begünstigt die Neuformation eines - ebenfalls temporär stabilen - Attraktors. Es bildet sich ein Wechselspiel des Aufbaus und Zerfalls - eine chaotische Wanderschaft - in dem System aus. Man beobachtet z.B. im Gehirn eine solche »Chaotic Itinerancy«.

Konishi und Kaneko konnten zeigen, dass sich eine »Chaotic Itinerancy« auch in der von Isaac Newton beschriebenen klassischen Physik wiederfindet. Solche Newtonschen Systeme koennen prinzipiell keine echten chaotischen Attraktoren ausbilden. Dass unser Universum aus Werden und Vergehen besteht, ist - umgekehrt argumentiert - ein sehr starkes Indiz dafür, dass die von Newton eingeführten Grundgleichungen der Physik gültig sind. Newtons klassische Physik ist bestechend konsistent und genügt einem Optimierungsprinzip, dem Prinzip der kleinsten Wirkung, das auf Leibniz zurückgeht:

„Unsere Welt ist die beste aller möglichen Welten“.

Probleme bereitet manchmal die Tatsache, dass in der Newtonschen Physik Keine Zeitrichtung festgelegt werden kann. Der Zerfall, das Altern und der Tod sprechen scheinbar für einen Zeitpfeil. Wenn wirklich ein Zeitpfeil existierte, wären aber ewig stabile Strukturen generisch und es stellt sich die Frage, warum man solche nie beobachtet. Die präsentierte Simulation soll zur Überlegung stimulieren, ob unser Empfinden möglicherweise ein Produkt der Tatsache ist, dass wir intrinsischer Teil, also eine nur temporär stabile Substruktur des Universums sind.

Abteilung: ZKM_Institut für Grundlagenforschung

publiziert in: Peter Weibel, Sven Sahle und Hans H. Diebner: »Alt und Neu und Reversiblen Universen«. In: Arnulf Rohsmann (Hrsg.), »Auge Experiment«, Austellungskatalog, Kärntner Landesgalerie, Klagenfurt (2000).

Thomas Macho: Zur Arbeit von Peter Weibel, Sven Sahle und Hans H. Diebner. ebd.

Wissenschafliche Publikation zum Thema: Hans H. Diebner, Thomas Kirner and Otto E. Rössler: Time Reversibility and the Logical Structure of the Universe. Z. Naturforsch. 51A, 960-962 (1996)

Credits: Konzept: Sven Sahle, Hans H. Diebner, Peter Weibel Realisation: Sven Sahle und Hans Diebner Graphik-Interface: Andreas Schiffler

Gattung: Simulation

Hardware: Computer, Projektor, Rückprojektionstrichter, Taster

Software: Simulationssoftware (Sven Sahle), Graphikinterface (Andreas Schiffler)

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