Paulo Ferreira Lopes: doN. Sotto Voce und Horacio Vaggione: Agon. Myr-S
Do, 20.04.2000 20:00 Uhr CEST
- Ort
- Kubus
Im Mittelpunkt des Abends steht »doN«, das jüngste Werk des ZKM-Gastkünstlers Paulo Ferreira Lopes, uraufgeführt am 18. Februar 2000 in Lissabon. Das musiktheatrale Stück kam zustande als Auftrag für eine Hommage an das große Künstlerpaar John Cage und Merce Cunningham durch die Kulturstiftung »Culturgest« der portugiesischen Bank Caixa Geral Depositos. Das Stück fingiert einen nächtlichen Besuch in Johns und Merces »jardin secrète«, jenem geheimen Bezirk der intimsten Gedanken, Wünsche und Lüste. Die Rollen sind vertauscht: Merce ist bereits gestorben, John schreibt an seinem letzten (fiktiven) Stück, einer Art Botschaft an den Freund. Schließlich erscheint ihm Merce in der Morgendämmerung. Das Werk fühlt sich schwarzer Romantik mit ihren mystischen, dunklen Bildern verbunden, nicht ohne allerdings das Gewürz des Humors beizufügen. Wenn man so will: Cage Goes Gothic.
Als Uraufführung zu erleben ist »Sotto Voce«, ein Stück von 1993 für Cello solo (mit Verstärkung) in Erinnerung an die Komponistin und erste Lehrerin von Paulo Ferreira Lopes, Constança Capdeville. Weiterhin sind zwei Kompositionen von Horacio Vaggione, dem späteren Lehrer, zu hören. Der Argentinier, seit langem in Paris lebend, ist hervorgetreten als Schöpfer feinnerviger, fließend-dynamischer, auch hochenergetischer elektro-akustischer Musik, die sich teilweise auch akustischer Instrumente bedient. »Agon« von 1998 spielt die zwei Bedeutungsebenen des Titels aus: Agon(e) bezeichnet in der Physik magnetischer Felder die Linie des Fehlens lokaler Abweichungen der Kompassnadel von der tatsächlichen Nordrichtung, von Vaggione interpretiert als Zustand größter Nähe zwischen Lokalem und Globalem; Agon ist aber auch in der griechischen Antike der geistige wie körperliche Kampf. »Myr-S« von 1997 komplettiert das Programm: ein Stück für Cello mit Zuspielband, realisiert als »sound image«, als Raumklangbild.
mit
Stephen Mason (Trompete)
José Ramalho (Schauspiel, Regie)
Annick Golay (Bild)
Beverley Ellis (Cello)
Horacio Fernandes (Lichtdesign)
Horacio Vaggione wurde 1943 in Cordoba, Argentinien geboren. Er studierte Komposition an der National Universität in Cordoba, Argentinien und anschließend Musikwissenschaft und Ästhetik an der Universität St.Denis-Paris VIII. Seit 1978 lebt Vaggione in Paris, wo er Professor für Musik und Direktor des Doktoranden-Programms für Musik und Technologie an der Universität St.Denis-Paris VIII ist. Er war Gastkünstler und Gastwissenschaftler bei internationalen Computermusik-Zentren. Für seine Werke erhielt Vaggione zahlreiche internationale Preise, u.a. den ersten NEWCOMP Preis 1983, die DAAD Künstler Programm Auszeichnung 1987 und den ICMA Comission Award 1991.
»Agon« wurde 1998 im Auftrag des IIME für das Festival Synthèse realisiert. Der Titel hat zwei verschiedene Bedeutungsebenen: „Agon(e)“ bezeichnet in der Physik magnetischer Felder die Linie des Fehlens lokaler Abweichungen der Kompassnadel von der tatsächlichen Nordrichtung – von Vaggione interpretiert als Zustand größter Nähe zwischen Lokalem und Globalem; „Agon“ ist aber auch der geistige wie körperliche Kampf in der griechischen Antike. In »Agon« wurden ausschließlich Klänge von Schlaginstrumenten verwendet, die durch den Computer aufgenommen und nachbearbeitet wurden. Das Werk entwickelt sich in einem Stück – wie eine hörbare Landschaft, die Objekte aller möglichen Größen beinhaltet, die unterschiedlich beleuchtet sind.
»MYR-S«, ein Auftragswerk des französischen Kultusministeriums, wurde 1996 auf dem »Bourges Electroacoustic Music Festival« uraufgeführt. Es ist ein Stück für Cello mit Zuspielband und wird als „sound image“ – als Raumklangbild – realisiert. Das gesamte elektroakustische Material des Stückes stammt von einigen wenigen Cello Klängen, die aufgenommen und später sowohl durch morphologische Transformation in einem Analyse-Resynthese-Prozess als auch durch MIDI Macro-Processing und graphisches Editing entwickelt wurden. Das Live-Cello spielt Figuren, die in engem Zusammenhang mit dem Part stehen, der durch den Computer entwickelt wurde.
Paulo Ferreira Lopes wurde 1964 in Lissabon geboren. Er studierte Komposition an der Hochschule für Musik in Lissabon bei Constança Capdeville, António de Sousa Dias und Christopher Bochmann. 1992 schloss er sein Studium als Meisterschüler ab. Von 1992 bis 1995 war er Direktor des elektroakustischen Musikstudios C.C.I.M der Jeunesse Musicale Portugal. 1994 bis 1997 studierte Lopes bei Horacio Vaggione, unter dessen Betreuung er an der Universität St.Denis-Paris VIII das Diplom in computergestütztem Komponieren mit Auszeichnung erhielt. 1996 wurde er dort für die beste Forschungsarbeit auf dem Gebiet Musikinformatik ausgezeichnet. Zur Zeit ist er Stipendiant der Foundation of Science and Technology und übt seine künstlerische und wissenschaftliche Tätigkeit als Gastkünstler im ZKM in Karlsruhe sowie als Doktorand im Fachbereich »Esthétique, Sciences et Technologies des Arts« an der Unversität St.Denis-Paris VIII aus.
»Sotto Voce, für Cello solo (mit Verstärkung) – in memoriam Con-stança Capdeville« – ist als Uraufführung zu erleben. Paulo Ferreira Lopes schrieb das Stück 1993, ein Jahr nach dem Tod seiner ersten Professorin für Komposition Constança Capde-ville, um eine lebendige Erinnerung an die Person zu schaffen, die seinen Weg stark geprägt hatte. In »Sotto Voce« wird kein zielgerichteter Diskurs verfolgt, vielmehr möchte es in einem Moment der Tiefe und Reflektion verharren und diesen immer weiter ergründen. Die elektroakustische Bearbeitung mit Nachhall intensiviert dieses Kontinuum.
»doN« ist das jüngste Werk von Paulo Ferreira Lopes und wurde am 18. Februar 2000 in Lissabon uraufgeführt. Das musiktheatrale Stück kam zustande als Auftrag der Kulturstiftung Culturgest der portugiesischen Bank Caixa Geral Depositos über eine Hommage an das große Künstlerpaar John Cage und Merce Cunningham. Das Stück fingiert einen nächtlichen Besuch in Johns und Merces »jardin secrete«, jenem geheimen Bezirk der intimsten Gedanken, Wünsche und Lüste. Die Rollen sind vertauscht: Merce ist bereits gestorben, John schreibt an seinem letzten (fiktiven) Stück, einer Art Botschaft an den Freund. Schließlich erscheint ihm Merce in der Morgendämmerung. Das Werk fühlt sich schwarzer Romantik mit ihren mystischen, dunklen Bildern verbunden, allerdings nicht ohne das Gewürz des Humors beizufügen. Wenn man so will: Cage Goes Gothic.
Beverley Ellis, geboren in Glasgow, Schottland, studierte Cello in Adelaide, Australien, in London bei William Pleeth und in Freiburg bei Christoph Henkel. Sie war Solocellistin des Kurpfälzischen Kammerorchesters und spielte in verschiedenen Besetzungen bei zahlreichen Konzerten, Rundfunkaufnahmen und Fernsehauftrit-ten. Seit 1995 spielt sie mit »surPlus – ensemble für neue musik« und »musikFabrik Köln«. Beverley Ellis lebt in Freiburg als freie Künstlerin und Pädagogin.
Annick Charlotte Golay arbeitete und experimentierte zunächst vor allem im Bereich der Fotografie. Erste Erfahrungen mit Film und Video machte sie 1991 durch eine Hospitanz in der Kulturredaktion des ZDF/Mainz bei Regisseur und Autor Dr. Wolfgang Ebert. Seitdem ist sie in verschiedenen Film- und Fernsehprojekten im In- und Ausland tätig. Parallel dazu studierte sie Kunstgeschichte und Romanistik in Heidelberg und Paris.
Stephen Mason studierte von 1980 bis 1984 am Royal College of Music in London. 1981 wurde er mit dem »First Year Brass Prize« ausgezeichnet und erhielt 1983 den »College Brass Prize«. In Deutschland spielte er mit dem Ensemble »Capela Lusitana«, in New York in der »Opera Company« in New York. Heute ist er erster Trompeter im Orchester »Gulbenkian«, Lissabon. Er ist Gründer des Quintetts »Hot Brass de Portugal« und unterrichtet als Professor an der Hochschule für Musik in Lissabon.
José Ramalho begann 1981 seine Aktivität im Bereich Theater mit dem Studium der Darstellenden Künste in Lissabon. Seine frühe Spezialisierung im Bereich Figurentheater vertiefte er in Frankreich durch das Studium an der Hochschule für Figurentheater in Charleville-Mezieres und gründete 1985 das experimentelle Figurentheater »Marionetas de Lisboa«. Mit »Marionetas de Lisboa« trat er bei verschiedenen Festivals auf, u.a. beim »Marionet Festival« in Prag und beim »Festival de la Marionette in Charleville-Mezieres«.