HASH Award 2020 - PreisträgerInnen
Natasha Tontey & Pedro Oliveira
Mit dem »HASH« wurden 2020 die Web Residencies von Natasha Tontey und Pedro Oliveira ausgezeichnet. Natasha Tontey entwickelte im Rahmen des Calls »Planetary Glitch« das Projekt »From Pest to Power«, Pedro Oliveira konzipierte »On the Apparently Meaningless Texture of Noise« im Kontext des Calls »Engineering Care.
Natasha Tontey
From Pest to Power
Die Künstlerin und Designerin Natasha Tontey aus Yogyakarta auf Indonesien beschreibt ihre Open-Source-Publikation als „wissenschaftlich-quasi-fiktionales Erkunden des eigenartigen Verhaltens der Kakerlake, das sich aus einer Ansammlung nächtlicher, bewohnbarer, homöopathischer und nichtmenschlicher Handlungsfähigkeiten zusammensetzt, um die Idee eines verwandtschaftlich ökozentrischen Futurismus zu erforschen.“ Das Lernen von den Kakerlaken eröffnet eine Zukunft, in der menschliche wie nicht-menschliche Wesen gleichermaßen existenzielle Bedrohungen meistern können. Denn genau das gelingt Schaben seit Jahrhunderten, in denen sie als Kranksheitsüberträgerinnen transnational verstanden und verachtet werden. Tontey verfolgt, so Juror Nishant Shah, „die Genealogie von Kakerlaken und Diäten in verschiedenen Teilen der Welt, um sich über die neo-orientalistische Wiederentdeckung der Insekten als Supernahrungsmittel lustig zu machen, die zu einem Trend der gentrifizierten, sterilen Moderne des Nordwestens werden, und erinnert uns an indigene und lokale Praktiken, bei denen Kakerlaken mehr als nur Ungeziefer sind.“ Nishant Shah prämierte ein Projekt, dessen Urheberin „sich nicht mit einer Politik der Verzweiflung abfindet, und ihren GesprächspartnerInnen nicht erlaubt, aufzugeben und sich auf modische Gesten kritischer Politik zurückzuziehen, sondern stellt unsere eigene Rolle bei der Gestaltung der Zukunft des Planeten weiterhin in Frage.“ (Nishant Shah)
Pedro Oliveira
On the Apparently Meaningless Texture of Noise
Bereits in seinem Promotionsprojekt befasste sich der in Berlin arbeitende brasilianische Forscher und Künstler Pedro Oliveira mit dem Verhältnis von Sprache/n und Körper/n und der Auswirkung erster auf letztere, insbesondere rassifizierte Körper. Mit »On the Apparently Meaningless Texture of Noise« reagierte Oliverira auf das vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eingesetzte Sprachbiometrische Assistenzsystem, das über das Erkennen sprachlicher Varietäten – Landessprachen und deren unterschiedliche Ausprägungen – Herkünfte zu klären versucht. Diese „Vorstellung, dass menschliche Eigenschaften in irgendeiner Weise messbar, klassifizierbar, einstufbar und taxonomisierbar sind, ist ein gewalttätiges, koloniales Konstrukt“, so der Künstler. Sein im Juni und September 2019 aufgenommenes Sound-Essay in fünf Kapiteln versteht er als Diskursbeitrag, der die Instrumentalisierung von Sprache reflektiert. Im Mittelpunkt stehen dabei die Lücken der Sprache – Husten, Räuspern, Schmatzen – um eine reine Reproduktion zu vermeiden. „Das wiederholte Hören und Navigieren durch den Text aus gebrochenem Klang und Dichtung lässt uns mit einem Gefühl der Uneindeutigkeit und der Sicherheit zurück, [...] und stellt die Notwendigkeit und Organisation von Pflege in Frage und bekräftigt sie zugleich“, so Nishant Shah. In dieser Offenheit sieht Shah das ausgezeichnete Potential des Werks.
Sowohl Natasha Tontey als auch Pedro Oliveira räumen die Möglichkeit „eines zukünftigen Scheiterns voll und ganz ein und weisen auch darauf hin, dass eine Überarbeitung dieses Systems keine Lösung sein wird. Gleichzeitig zeigen in ihrem politischen Auftreten und ihren ästhetischen Interventionen, dass zukünftiges Scheitern nicht dasselbe ist wie eine gescheiterte Zukunft, und dass die Umgestaltung unserer Handlungen und Fakten, unserer Logik und Logistik, unserer Ästhetik und unseres menschlichen Handelns uns immer noch eine alternative Zukunft eröffnen könnte, für die es sich lohnt zu leben; eine Zukunft, für die es sich lohnt zu kämpfen.“ (Nishant Shah)