Chiharu Shiota. Connected to Life
Installationsansicht von Chiharu Shiotas »Connected to Life«. Zu sehen sind mehrere Krankenhausbettgestelle, die von der Decke hängen. Durch transparente Schläuche an den Betten fließt rote Flüssigkeit.
Mi, 17.03.2021 – So, 05.09.2021

Kunst in ihrer besten Form vermag mit einem einzigen Statement ein visuelles Zeichen zu setzen, das einen bestimmten Zeitzustand einfängt. Die Installation »Connected to Life« – »in Zeiten des Todes, wie ich hinzufügen möchte« (Peter Weibel) – der japanischen Künstlerin Chiharu Shiota ist ein solches Kunstwerk.

Eine Reihe miteinander verbundener Betten, die im Foyer des ZKM | Karlsruhe in der Luft schweben, erinnert an die schockierenden Bilder aus Krankenhauskorridoren. Die Zeugnisse menschlicher Verletzlichkeit und Elends verlangen nach einem Mahnmal, das dem Leid und den letalen Folgen der Pandemie für die Opfer des Covid-19-Virus gewidmet wird, aber ebenso dem Opfer all jener, die in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen bereit sind, ihre eigene Gesundheit und ihr Leben aufs Spiel zu setzen, um das Leben anderer zu retten. Die mit roter Farbe gefüllten Plastikschläuche erinnern an Adern, durch die das lebenswichtige Blut und Sauerstoff fließen. Die Installation steht außerdem für die Hoffnung, dass menschliches Mitgefühl und Wissenschaft uns dabei helfen können, einen Weg aus der Corona-Pandemie zu finden und deren Folgen zu überwinden. 

Die Auswirkungen der Pandemie auf das öffentliche Leben, private Kontakte und den Kultursektor sind greifbar: geschlossene Museen, Theater und Konzerthallen ohne Besucher:innen, Selbstständige, die auf finanzielle Unterstützung warten und buchstäblich um ihre Existenz kämpfen. Die Pandemie legt (teils altbekannte) Schwachstellen des Gesundheitssystems bloß, Krankenhäuser auf der ganzen Welt arbeiten an der Grenze der Belastbarkeit. Noch immer steigen weltweit die Todeszahlen, und neue Mutanten erschweren die Viruseindämmung zusätzlich. Die Eingangshallen kultureller Institutionen wie des ZKM sind normalerweise Orte der Begegnung und des Dialogs, wo Besucher:innen, Student:innen, Beschäftigte, Schulklassen und Künstler:innen sich tummeln und austauschen. Wäre die Pandemie nicht, wären sie Orte der Lebendigkeit – doch nun herrscht dort Stille. Mit ihrer großflächigen, für das Foyer des ZKM entworfenen Installation »Connected to Life« zeigt die bekannte japanische Künstlerin Chiharu Shiota ihr Geschick, Angst mit Milde, Monumentales mit Intimem zu verbinden. Die Arbeit besteht aus über 50 von der Decke herabhängenden Betten, die stufenförmig bis zum Boden reichen. Die Farbe fließt durch die Schläuche wie das Blut durch den menschlichen Körper – ein Symbol für den Fluss des Lebens, der für die vielen Todesopfer des Coronavirus so plötzlich endete. Doch indem die Installation uns metaphorisch daran erinnert, dass »die Welt heute ein Krankenhaus ist« (Peter Weibel), trägt sie auch eine Leichtigkeit in sich, die der Thematik ihre Schwere nimmt.

Chiharu Shiota schöpft ihre Inspiration häufig aus persönlichen Erlebnissen oder Gefühlen, die sie auf universelle menschliche Anliegen wie Leben, Tod oder Beziehungen ausdehnt. Konzepte wie Erinnerung und Bewusstsein definiert sie neu, indem sie alltägliche Objekte wie Schuhe, Schlüssel, Betten, Stühle und Kleider zusammenstellt und diese in riesige Geflechte aus Wollfäden einwebt. In ihren Installationen geht sie dem Gefühl der »Präsenz in der Abwesenheit« auf den Grund, und ihre Skulpturen, Zeichnungen, Performance-Videos, Fotografien und Leinwandbilder repräsentieren nicht greifbare Emotionen. 2008 erhielt Shiota den »Art Encouragement Prize« vom japanischen Minister für Bildung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie. Zahlreiche internationale Institutionen auf der ganzen Welt stellten ihre Arbeiten aus, darunter das Museum of New Zealand Te Papa Tongarewa, Wellington, NZ (2020); das Mori Art Museum, Tokio, JP (2019); der Gropius Bau, Berlin (2019); die Art Gallery of South Australia, Adelaide, AU (2018); der Yorkshire Sculpture Park, UK (2018); das Power Station of Art, Shanghai, CN (2017); und die K21 Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf (2015). 2015 repräsentierte Shiota Japan bei der 56. Biennale di Venezia, IT. Im Rahmen der Bayreuther Festspiele 2021 (25.07.– 25.08.2021) und der Reihe »Diskurs Bayreuth« schuf die Künstlerin eine Installation im Festspielpark, eine Auftragsarbeit zum Thema »Götterdämmerung«. Die Künstlerin wurde 1972 in Osaka, Japan geboren. Sie lebt und arbeitet in Berlin.

Peter Weibel zur Installation

»2020 / 2021: Jetzt ist es soweit. Die Menschheit beginnt einen Kampf ums nackte Überleben auf dem Planeten Erde. Shutdowns, Lockdowns: Stationen einer geschlossenen Gesellschaft. 

Masken überall: Eine gesichtslose Gesellschaft. Eine inhumane, lebensfeindliche Bürokratie. Diese Kaskade von Krankenhausbetten erinnert an die Schock-Korridore der Hospitäler.

Diese Sturzflut ist der Höllensturz der Globalgesellschaft. Ein Memorial, gewidmet den Opfern des Covid 19-Virus, aber auch denen, die sich für das Leben und die Gesundheit ihrer Mitmenschen opfern.«

– Peter Weibel

Eine Plakatsäule in Karlsruhe mit Werbung zur Ausstellung »Chiharu Shiota. Connected to Life«.

Online-Präsentation »Connected to Life« | Peter Weibel im Gespräch mit Lisa Federle

Impressum
Künstlerisches Team

Studio Chiharu Shiota (Tomoko Fujimura, Julia Strebelow)

Projektkoordination
Jessica Menger

Technische Projektleitung
Jan Gerigk

Ausstellungsaufbau
ZKM | Museums- und Ausstellungstechnik

Organisation / Institution
ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe

In Kooperation mit

Künstlerin