Global Studies: Kunst und visuelle Medien heute – Tagungsbericht
Die Tagung »Global Studies: Kunst und visuelle Medien« heute war angekündigt als eine Plattform, um laufende Forschungsarbeiten über Kunst und Medien in der globalisierten Welt zu vernetzen. Sie wurde ausgeschrieben, um Arbeiten vorzustellen, die in verschiedenen Fächern und an verschiedenen Hochschulen im deutschsprachigen Raum laufen, aber eine interdisziplinäre Fragestellung verfolgen. Mit den empfangenen Bewerbungen konnten wir mühelos ein dreitägiges Programm füllen. Kunst stand im Mittelpunkt, aber es war bald klar, dass die methodischen Verfahren dafür weit voneinander abweichen, je nach der Disziplin, aus der sie stammen. So gehen Kunstwissenschaftler und Ethnologen an ganz ähnliche Themen mit unterschiedlichen Fragen heran, die der Abstimmung miteinander bedürfen. Kunst gewinnt eine neue Bedeutung, wenn ihre Produktion in anderen Weltteilen untersucht wird: soziale und wirtschaftliche Funktionen treten dabei in den Vordergrund. Die Tagung, die im Medientheater des ZKM in Karlsruhe vom 18. bis zum 20. Juli stattfand, war sehr gut besucht, wobei auffallend viele Besucher von auswärts kamen. Sie begleiteten das Thema mit Spannung und Zuspruch. Es herrscht offensichtlich ein großer Bedarf, ein solches Thema konfliktfrei zu diskutieren.
Neben den Referenten, die sich beworben hatten, waren auch drei Gäste eingeladen, welche für das Thema eine besondere Kompetenz besitzen: zwei Hochschullehrer und ein Museumsmann. Chris Dercon, der Leiter des Hauses der Kunst in München, erläuterte am Beginn der Tagung seine Vision für die Tate Modern, die er ab nächstem Jahr leiten wird. Dabei stand die noch immer offene Frage im Mittelpunkt, wie die permanente Sammlung eines so bedeutenden Museums globalisiert werden kann. Monica Juneja, Professorin für Global Art History an der Universität Heidelberg, forderte am Ende der Tagung dazu auf, die Prämissen von Fächern wie Kunstgeschichte und Ethnologie heute zu hinterfragen und deren Taxonomie in einer nicht hierarchischen Sprache zu verändern. Thomas Fillitz, Professor für Sozial- und Kulturanthropologie an der Universität Wien, brachte das Problem der Kunstbiennalen in Afrika zur Diskussion, wobei er sich vor allem auf die Biennale Dak’Art in Senegal konzentrierte, die seit 1992 existiert. Neben den Gästen sprach auch Hans Belting, der das Projekt GAM am ZKM berät, über die Fragen, die seit der Globalisierung der zeitgenössischen Kunst vor 20 Jahren allenthalben in Sicht treten.
Freitag, 18. Juni
Andrea Buddensieg stellte am Beginn der Tagung das Projekt GAM mitsamt der Themen und Aktivitäten, die in diesem ZKM-Projekt eine Rolle spielen, vor. Die erste Sektion galt solchen Künstlern, die als transnationale Akteure in der heutigen Kunstszene eine Rolle spielen. Rania Gaafar (Karlsruhe) sprach als erste Rednerin über kulturelle Prägungen in der kinematographisch geprägten Videokunst, wobei sie als Beispiel den international viel beachteten Isaac Julien wählte, der selbst im Auditorium anwesend war. Anne Linden (Köln) brachte die Frage nach der passenden künstlerischen Präsentation bei dem südafrikanischen Fotografen David Goldblatt ins Spiel. Nicola Müllerschön (Zürich) stellte die problematische Produktionsweise des Turiner Künstlers Alighiero Boetti vor, der in Kabul seine Werke im Kollektiv weben ließ und dadurch dort die Produktionsweise veränderte.
Samstag, 19. Juni
In der Sektion am Morgen des 19. Juni fielen zwei chinesische Themen durch den ungewöhnlich hohen Reflexionsgrad auf, der heute in diesem Kunstbereich erreicht worden ist. Birgit Hopfener (Berlin) analysierte das performative Kunstverständnis in China, das einen besonderen Anspruch an den Lebensausdruck in der Kunst stellt. Isabel Seliger (Berlin) deckte am Beispiel eines Werks von Miao Xiaochun („The Last Judgement“) den chinesischen Blick in einen global erweiterten Bildraum auf. Zwei weitere Referentinnen, beide aus dem Fach Ethnologie, untersuchten die neu entstandene Kunstszene in Kenia und in Angola. Noemie Jäger (Basel) sprach über die Rolle des Museums als Ort und Problem einer transnationalen Kunstproduktion in Nairobi. Nadine Siegert (Bayreuth) konzentrierte sich auf den politischen Einfluss von Stiftungen und Sammlungen in der lokalen Kunstwelt von Luanda. Chrischona Schmidt (Canberra) erweiterte das Spektrum der Themen durch den Blick auf die Kunst der Aborigines Australiens. Sie wählte als Beispiel einen Ort mit dem schönen Namen Utopia, wo eine marktorientierte Produktion seit 1988 systematisch „entwickelt“ worden ist und die örtliche Gesellschaft tief greifend verändert.
Sonntag, 20. Juni
Die dritte Sektion wandte sich den visuellen Kulturen der Populärkunst und der Massenmedien zu, welche der globalisierten Kunstszene stark lokal geprägte Interessen und Konventionen entgegensetzen. Julia Binter (Wien) führte in den Konflikt zwischen Dokumentarfilm und Kunstfilm ein, wo immer Themen der Globalisierung im Raum stehen. Markus Hafner (Wien) stellte ein eigenes Kunstprojekt vor, das er zum Coca-Cola-Signet in Indien durchgeführt hat. Ulrike Heine (Gießen) thematisierte den Einsatz von visuellen Strategien bei der Debatte des Klimawandels in den globalen Medien. Jacob Birken (Karlsruhe) griff das Problem des Eklektizismus als kultureller Praktik auf, indem er Beispiele von „fremden“ Bildern in der japanischen Popkultur zum Thema machte. Daniela Wolf (Mexiko-Stadt) beschrieb ein vom Kollektiv Laboratorio 060 in Mexiko laufendes Kuratorenprojekt, das in Frontera Corozal initiiert worden ist. Barbara Wolner (Bremen) beschloss den Tag mit einem Referat über ein EU-Projekt über Museen an der Hochschule Bremen.
Die letzte Sektion (Kunstwerke im ideologischen und ökonomischen Transfer) wurde von Sebastian Baden (Karlsruhe) eingeleitet, der über die Darstellung von Terrorismus in der Kunst sprach. Cathrine Bublatzky (Heidelberg) legte eine genaue Analyse der Wanderausstellung „Indian Highway“ vor, die von der Serpentine Gallery in London konzipiert worden ist und als Wanderausstellung auf den einzelnen Stationen jeweils von lokalen Kuratoren verändert wird. Anna Grasskamp (Leiden) lenkte den Blick zurück auf die Kunst- und Wunderkammer in der frühen Neuzeit, als das Fremde erstmals musealisiert wurde. Irina Vogelsang (Passau) beschloss diese Sektion mit einer kritischen Untersuchung des boomenden Kunstmarkts in Indonesien, wo vor allem die Auslandschinesen eine umstrittene Rolle spielen.
Lebhaft waren die Diskussionen, in die auch das anwesende Publikum mit Leidenschaft eingriff. Sie entzündeten sich immer wieder an der Frage, wie heute mit dem Kunstbegriff der expandierenden Produktion in Afrika und in Asien methodisch zu verfahren ist. Das gilt vor allem für einen eurozentrischen Diskurs, der von den internen Spielregeln einer akademischen Disziplin geprägt ist. Allen Anwesenden war deutlich, dass schon der Kunstbegriff Fragen aufwirft, die sich nicht mit fertigen Antworten lösen lassen. Es war auch sichtbar, dass die traditionellen Fächergrenzen nicht mehr die Kompetenz erzeugen, die für die Analyse der sozialen Aktivitäten und ökonomischen Bedingungen der globalen Kunstproduktion unentbehrlich ist. Dabei tritt die Asymmetrie zutage, die zwischen der neuen Kunstszene und ihrem westlichen Diskurs liegt. Es bestand allgemeiner Konsens darüber, dass eine solche Tagung einen großen Bedarf erfüllt. Das Projekt GAM bietet sich dafür als Plattform an. Deswegen war die Bereitschaft für die Vernetzung der Konferenzteilnehmer durch die Website des Projekts GAM groß. Es fand allgemeine Zustimmung, die Sommerakademie während der Laufzeit der großen Ausstellung des Projekts GAM am ZKM im Frühsommer 2011 zu wiederholen.