Gefilterte Freiheit – Wie kontrolliert Google unseren Zugang zu Informationen?
Jörn Müller-Quade, Matthias Nagel und Ferdinand Sauer setzen sich in ihrer Arbeit Filter Bubble (2015) künstlerisch mit den Grenzen von technisch erzeugten Suchfiltern und der dadurch bedingten Zensur für den einzelnen Nutzer auseinander. Die Installation ist Teil der Ausstellung »GLOBAL CONTROL AND CENSORSHIP«, die noch bis zum 1. Mai 2016 am ZKM zu sehen ist.
VON MARIE ROSENKRANZ UND STEFANIE STRIGL
»Tian’anmen«, »British Petroleum«, »Hotelpreise«. Jeweils drei identische Suchanfragen, drei gleiche Monitore, jedoch drei verschiedene Suchergebnisse. Woran das liegt? Die weitverbreitete Suchmaschine »Google« setzt auf geographische und technische Filter: Ausgehend vom verwendeten Endgerät und Aufenthaltsort des Nutzers werden die spezifischen Resultate der Schlagwortsuche bestimmt. Zudem beeinflußen frühere Suchanfragen die ausgespielten Ergebnisse.
Die interaktive und webbasierte Installation »Filter Bubble«, von Jörn Müller-Quade, Matthias Nagel und Ferdinand Sauer, veranschaulicht ihrem Betrachter diese Filtervorgänge von Google: Nahezu individuelle Suchergebnisse auf identische Suchanfragen, deren Unterschiede mal drastisch, mal versteckt und ausnahmslos verblüffend sind, werden einander auf drei Monitoren gegenübergestellt.
Die Visualisierung von Googles Filtervorgängen
Filter Bubble ermöglicht dem Betrachter also die visuelle Nachvollziehbarkeit von Ursache (Aufenthaltsort oder Endgerät) und Wirkung (Sucherergebnis): So schlüsselt die Installation auf, dass beispielsweise New Yorker Hotelpreise auf dem iPhone niedriger sind, als auf dem Laptop. Die Ereignisse auf dem Tian’anmen Platz in Peking vom 3. und 4. Juni 1989 sind in Deutschland direkt aufzufinden und abrufbar, während sich die Informationen in China zunächst auf »famous birthdays« zum gesuchten Datum beschränken. Erst beim genauen Hinsehen entdeckt man weiterführende Links zum so genannten Tian’anmen-Massaker, bei welchem die monatelangen Proteste der chinesischen Demokratiebewegung vom Regime blutig niedergeschlagen wurden. Auch über den »Erfinder des Automobils« sind sich die Suchergebnisse international uneinig: Während für das Schlagwort bei der Google-Bildersuche in Deutschland vielfach Fotografien des Ingenieurs Carl Benz und die ersten Benz Patent-Motorenwägen ausgespielt werden, erscheinen in den USA zahlreiche Modelle moderner Sportwägen und nur vereinzelt Bilder des deutschen Automobilpioniers.
Die Installation zeigt damit auf: Das Versprechen des Internets, freien Zugang zu Informationen zu bieten, wird hier gebrochen. Mit diesem beschränkten Zugang zu Wissen wird die Reproduktion der jeweiligen Lebenswirklichkeit riskiert – und die persönliche Freiheit beschränkt.
Die Crux des freien digitalen Informationszugangs
Als Teil der Ausstellung »GLOBAL CONTROL AND CENSORSHIP«, die noch bis zum 1. Mai 2016 im ZKM zu sehen ist, greift Filter Bubble deren zentrale Fragestellungen auf: Wie bestimmen Daten unseren Alltag? Wie werden sie kontrolliert und missbraucht? Daran anknüpfend zeigt die Arbeit der dem Kompetenzzentrum für angewandte Sicherheitstechnologie (KASTEL) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) angehörigen Wissenschaftler die schmale Grenze von Filtern zu Zensur und Manipulation auf. Der Betrachter wird durch die multiplen Suchergebnisse auf die technisch und geographisch bedingten Filter hingewiesen, derer er sich bei einer einzelnen Suchanfrage nicht vollständig bewusst wäre. So spiegelt ihm die Installation seinen eigenen limitierten Zugang zu Informationen wider, der seinem Standort und Nutzerprofil entspringt und verdeutlicht ihm dadurch den eigenen Umgang – und den Umgang anderer – mit persönlichen Daten.
Wurden in der vorangegangenen Ausstellung »global aCtIVISm«, die vom 14. Dezember 2013 bis zum 30. März 2014 am ZKM zu sehen war, die kommunikativen Möglichkeiten vorgestellt, die das weltweite Netz eröffnet, so spielt in »GLOBAL CONTROL AND CENSORSHIP« deren Kehrseite die zentrale Rolle – die massenhafte Überwachung des Einzelnen. Die Ausstellung mag erschrecken, aber vor allem rüttelt sie auf, unseren Umgang mit Medien neu zu gestalten und sie nicht leichtfertig Dritten, beispielsweise Regierungen und Wirtschaftsunternehmen, als Werkzeug frei zur Verfügung zu stellen, sondern sie zu unserem eigenen Werkzeug zu machen.
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