ZKM erhält Archiv von Aldo Tambellini

Aldo Tambellini, »Self Portrait«, 1967, aufgenommen in »The Black Gate«, New York.

PRESSEMITTEILUNG

Das ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe freut sich über den Erhalt des Archivs von Aldo Tambellini, einem visionären Künstler, der die experimentelle Medienkunst des 20. Jahrhunderts nachhaltig geprägt hat. Tambellini, ein Pionier des Expanded Cinema, der Electromedia Performance und der Videokunst, definierte die künstlerischen Grenzen neu und setzte sich gleichzeitig mit kritischen sozialen Themen auseinander. Dieses von der Aldo Tambellini Art Foundation gestiftete Archiv ermöglicht nicht nur ein tieferes Verständnis von Tambellinis Werk, sondern eröffnet auch neue Perspektiven auf die Geschichte der Medienkunst und Performance im 20. Jahrhundert.

"Schwarz", notierte Tambellini 1967, "ist die Erweiterung des Bewusstseins in alle Richtungen". Die Farbe Schwarz war seit den 1960er-Jahren ein zentrales Motiv in Tambellinis Werk, in dem seine spirituellen, künstlerischen und sozialen Perspektiven zum Ausdruck kamen. Die Farbe knüpfte an ästhetische Gesten der klassischen Moderne an, erinnerte an die Gräueltaten des Zweiten Weltkriegs und verwies auf Tambellinis Faszination für den Raum sowie sein Engagement für soziale Gerechtigkeit.

Tambellini, geboren 1930 in Syracuse, New York, verbrachte seine ersten Lebensjahre in Italien. Als er 1946 nach New York zurückkehrte, wurde Tambellini schnell zu einer Schlüsselfigur der New Yorker Avantgarde-Kunstszene der 1960er Jahre, nicht nur durch seine Arbeit, sondern auch als Kulturaktivist, der Strukturen und Räume schuf, die die unterschiedlichsten künstlerischen Strömungen zusammenführten. 1962 schloss sich Tambellini der UMBRA an, einer Gruppe vorwiegend afroamerikanischer Schriftsteller:innen, Dichter:innen und Intellektueller, die sich für Bürgerrechte einsetzte und deren unverwechselbare Stimme großen Einfluss hatte. Im selben Jahr gründete er das Group Center, ein Kollektiv, das Bildhauer:innen, Dichter:innen, Fotograf:innen, Musiker:innen, Tänzer:innen und Filmemacher:innen zusammenbrachte. Zusammen mit Elsa Tambellini eröffnete er 1966 The Gate, ein Avantgarde-Filmtheater im New Yorker East Village. Ein Jahr später gründete er zusammen mit Otto Piene The Black Gate, New Yorks ersten Ort für experimentelle Performances, der zu einem Anziehungspunkt der Avantgarde-Szene wurde, etwa für Künstler:innen wie Yayoi Kusama, Nam June Paik und Charlotte Moorman.

Ursprünglich in Malerei und Bildhauerei ausgebildet, begann Tambellini 1963 mit der Erforschung neuer Medien und experimentierte mit 35-mm-Diaprojektionen auf Gebäudefassaden. In den folgenden Jahren entwickelte er immersive Filme, Performances und Environments. Seine Serie »Black Films« (ab 1965) gilt als Meisterwerk des Expanded Cinema. Seine Performance »Black Zero« von 1968 ist ein Beispiel für seine bahnbrechenden Electromedia-Performances. Tambellini gehörte auch zu den ersten Künstlern, die sich der Videotechnik zuwandten und erwarb 1966 seinen ersten Videorecorder. Mit »Black Gate Cologne«, das 1968 im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde, schufen er und Otto Piene eines der ersten Kunstwerke weltweit, die speziell für das Fernsehen konzipiert wurden. Während seines Forschungsaufenthalts am Center for Advanced Visual Studies des MIT (1976–1984) konzipierte Tambellini die »communicationsphere«, ein interaktives soziales Netzwerk, das Künstler:innen, Ingenieur:innen und Techniker:innen weltweit miteinander verband und damit Aspekte des Internets vorwegnahm.

Das nach der Jahrtausendwende wieder auflebende Interesse an Tambellinis Arbeit führte zu zahlreichen Ausstellungen und Performances. Seine ikonische Black Zero-Performance wurde 2009 bei Performa 09 in New York neu inszeniert, gefolgt von Ausstellungen in der Tate Modern (2012), dem italienischen Pavillon auf der Kunstbiennale in Venedig 2015 und dem ZKM im Jahr 2017. Heute befinden sich seine Werke in bedeutenden Sammlungen, unter anderem in der Tate, dem ZKM, der Albright-Knox Gallery und dem Rose Art Museum.

Das ZKM blickt auf eine langjährige und kreative Zusammenarbeit mit Aldo Tambellini zurück und pflegt seit seinem Tod eine enge und produktive Verbindung zur Aldo Tambellini Art Foundation. Im Jahr 2017 veranstaltete das ZKM die erste umfassende Retrospektive seines Werks, »Aldo Tambellini: Black Matters«. Im Jahr 2020 digitalisierte und konservierte das Labor für antiquierte Videosysteme des ZKM über 500 historische Videobänder von Tambellini und sicherte damit dieses unschätzbare Material für zukünftige Studien. Mit dem Erwerb von Tambellinis umfangreichem Archiv wird das Archiv des ZKM, das bereits jetzt eine einzigartige Forschungsressource für die Medienkunstgeschichte darstellt, wesentlich bereichert. Tambellinis Archiv umfasst Manuskripte, persönliche Notizen, Skizzen, Fotografien, Dokumentationen von Großprojekten und seltenes Videomaterial aus über sechs Jahrzehnten seines Schaffens und bildet damit eine wichtige Grundlage für künftige Forschungen und eine reichhaltige Quelle für kommende Ausstellungen.

Anna Salamone, Präsidentin, Aldo Tambellini Art Foundation:
"Die Aldo Tambellini Art Foundation suchte nach einer idealen Institution, die als Hüterin von Aldos Archiv fungieren sollte. Das ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe erwies sich als klarer Favorit. Aufgrund der langjährigen Beziehung zwischen Aldo und dem ZKM, die von gegenseitigem Respekt und Zusammenarbeit geprägt ist, ist diese Partnerschaft prädestiniert, sich weiter zu entfalten. Der ausgezeichnete Ruf des ZKM als führendes Zentrum für künstlerische Innovation und zukunftsweisende Kunstformen garantiert, dass Aldos Erbe nicht nur bewahrt wird, sondern auch durch die engagierte Forschung, akademische Veröffentlichungen und Restaurierungsinitiativen des ZKM weiterentwickelt wird."

Margit Rosen, Leiterin der Abteilung Wissen – Sammlung, Archive & Forschung:
"Aldo Tambellini, dessen bedeutende Beiträge zur Kunst des 20. Jahrhunderts erst in jüngster Zeit ansatzweise wiederentdeckt werden, sah in der Kunst ein wichtiges Medium des politischen Aktivismus, beharrte aber stets auf der Autonomie des ästhetischen Experiments. Das Archiv ermöglicht nicht nur ein tieferes Verständnis von Tambellinis vielschichtigem Werk, sondern eröffnet auch neue Perspektiven auf die Geschichte der Medienkunst und Performance im 20. Jahrhundert. Wir freuen uns, dass wir mit der Aufgabe betraut wurden, diesen Schatz, das Aldo Tambellini Archiv, zu bewahren und es Forschung und Öffentlichkeit zugänglich zu machen."

Der Erwerb des Archivs von Aldo Tambellini stellt eine bedeutende Ergänzung der Sammlung des ZKM dar und unterstreicht das Engagement des ZKM, wegweisende Beiträge zur Medienkunst zu bewahren und die Forschung in diesem Bereich zu fördern. Tambellinis Werk ist von großer Aktualität und enthält zahlreiche Anknüpfungspunkte und Impulse für den künstlerischen und gesellschaftlichen Diskurs der Gegenwart.

Über das Aldo Tambellini Archiv

 

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