Werke der KünstlerInnen G–L
Infosphäre
G Laurent Grasso: |
Die Abkürzung »HAARP« steht für High Frequency Active Auroral Research Program, ein Forschungsprogramm der USA, das von einer Anlage in Alaska aus Radiowellen zur Untersuchung der Ionosphäre im zivilen und militärischen Bereichen einsetzte, unter anderem um zu erforschen, inwieweit magnetische Stürme und Störungen in der oberen Atmosphäre das weltweite Rundfunknetz, Stromübertragungsnetze oder per Satelliten gesteuerte Navigationssysteme beeinflussen können. Das in der Animation von Laurent Grasso rekonstruierte Areal mit Gruppenantennen (Phased-Array-Kurzwellensendeanlage) erinnert an Zukunftsvisionen von Nicola Tesla. Von »HAARP« aus können, wie bei einem Funksender, Hochfrequenzwellen in die Ionosphäre gesendet werden. Es entsteht ein riesiger virtueller Spiegel, der wie eine Antenne imstande ist, äußerst tiefe Frequenzen zurück auf die Erde zu schicken. Das Interesse Grassos an der HAARP-Anlage entspringt einer Atmosphäre von Geheimnissen, Ängsten, Gerüchten und Verschwörungstheorien, die das Programm umgeben: Es wird vermutet, »HAARP« wäre dazu in der Lage, das Weltklima zu verändern, könne Flugzeuge und Raketen umleiten, Funkverbindungen unterbrechen und Einfluss auf das menschliche Bewusstsein ausüben.
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Yoon Chung Han & Byeong-Jun Han
Digiti Sonus (2012–2014)
»Digiti Sonus« ist eine interaktive, audiovisuelle Installation, die auf der Vertonung und Visualisierung der biometrischen Daten eines Fingerabdrucks basiert. Die individuellen, charakteristischen Linien der Papillarleisten auf der Fingerkuppe der RezipientIn werden als Klänge dargestellt und in Echtzeit in eine Musikkomposition umgewandelt, welche die menschliche Identität repräsentiert. Gleichzeitig werden die biometrischen Daten des Fingerabdrucks zusammen mit dem durch sie generierten Sound in animierten 3D-Bildern visualisiert. So veranschaulicht die Installation komplexe Körpermuster und ermöglicht den RezipientInnen die eigene Identität zu erforschen und verschiedene Fingerabdrücke mit dem eigenen in Sound und Aussehen zu vergleichen. Durch Variation des Ausgangspunkts der animierten Fingerabdrücke, reorganisieren sich die musikalischen Noten und bilden unterschiedliche Klänge, die in den Ohren der ZuschauerInnen nachhallen.
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Jonathan Harris
Data Will Help Us (2013)
Im Jahr 2013 erhält Jonathan Harris von der New York Times den Auftrag, ein Manifest über das Potenzial und die Gefahren von Big Data zu verfassen. Es entsteht ein Text in vibrierenden Regenbogenfarben, der die RezipientInnen mit aktuellen Fragestellungen konfrontiert. Die Essenz ist dabei stets dieselbe: Daten helfen einerseits unser Leben zu erleichtern, doch gleichzeitig lenken Sie es in ungeahnte Bahnen und werfen neue Fragen bezüglich dem ethischen Umgang mit ihnen auf. Technologien entwickeln sich heutzutage mit rasender Geschwindigkeit. Harris animiert die BetrachterInnen zum Innehalten und fordert sie mittels der Fragen dazu auf, aktuelle Entwicklungen und Veränderungen zu reflektieren. Das Manifest verdeutlicht eindringlich, dass, wenn technologische Entwicklungen und ihre Auswirkungen nicht hinterfragt werden, kein Wachstum mehr stattfinden kann und ethische Maßstäbe sich verschieben. Neue Fragen öffnen die Tür für ungeahnte Möglichkeiten und Entdeckungen, und wir haben jetzt die Entscheidung zu treffen, wohin der Weg dieser datenbasierten Logik uns in Zukunft führen wird.
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Mishka Henner
Scambaiters (2014)
Was passiert, wenn man auf eine Spammail antwortet, anstatt sie sofort zu löschen? Hinter den unliebsamen Nachrichten stecken nicht nur Roboter, die automatisierte Botschaften versenden, sondern echte Menschen, zumeist aus Ghana und Nigeria, die Zeit und Arbeit in die Spamnachrichten investieren und damit ihren Lebensunterhalt bestreiten. Auf der anderen Seite stehen die Empfänger, vor allem in Europa und Nordamerika. Manche von ihnen, sog. »Scambaiters«, lassen sich auf das Spiel von Zahlungsaufforderungen, Gewinnversprechen und fragwürdigen Diensten ein. In der Korrespondenz entwickelt sich eine faszinierende Geschichte fiktiver Charaktere. Die Spammer versuchen dabei, ihren Adressaten von der Echtheit ihres Szenarios zu überzeugen, während die vermeintlichen Opfer Beweise dafür einfordern. Oft verlangen letztere aufwendig inszenierte Fotos. Mishka Henner sammelt und reproduziert diese teils witzigen, teils erniedrigenden Bilder und Botschaften und zeigt so das zwischen Virtualität, Fiktion, Materialität und Realität oszillierende Geschäft des E-Mail-Betrugs. Zuletzt steht die Erkenntnis, dass an jedem Ende der Glasfaserleitung Menschen sitzen, deren virtuelle Handlungen reale Auswirkungen haben.
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Femke Herregraven
Rogue Waves (2015)
Femke Herregraven untersucht aus einem Interesse für globale Finanzen, Daten und Geopolitik heraus die Finanzmärkte im Zeitalter der abstrakten Transaktionen und körperlosen Handels. »Rogue Waves« ist eine Serie von Aluminiumskulpturen. Ihre Formen erinnern an ein System von Maßeinheiten, das auf uralte Mittel des wirtschaftlichen Austausches zurückgeht: geschnitzte Knochen und hölzerne Stäbe. Die Skulpturen spiegeln die zeitgenössische Version von Finanztransaktionen zwischen Maschinen wider. Die vier Aluminiumstäbe erlauben uns einen Blick auf das, was als »Hochfrequenzhandel« bekannt ist: Dabei agieren komplexe Programme und Algorithmen am Markt, um binnen Mikrosekunden Renditen zu erzielen. Die vier Skulpturen materialisieren so ein Netz von Mikroereignissen und nicht wahrnehmbaren Handelsstrategien, die durch Software in Gang gebracht werden. Trotz ihrer Unscheinbarkeit sind sie höchst einflussreich, was entscheidend zur Wandelbarkeit, Wechselhaftigkeit und Instabilität des Aktienmarktes beiträgt.
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Brian House
Quotidian Record (2012)
»Quotidian Record« basiert auf einer auditiven Umsetzung von Standortermittlungsdaten, die vom Künstler über ein ganzes Jahr hinweg gesammelt wurden. Die Arbeit wurde in begrenzter Stückzahl auf Vinyl veröffentlicht. Jeder einzelne Ort, den Brian House besuchte – von seinem Zuhause über seine Arbeitsstelle und die Wohnung eines Freundes bis hin zu einer fremden Stadt im Ausland –, ist mit harmonischen Klängen in Beziehung gesetzt. Das elfminütige Stück porträtiert ein Jahr im Leben des Künstlers und legt die Vermutung nahe, dass selbst unser alltägliches Leben seine eigenen musikalischen Qualitäten aufweisen kann. »Quotidian Record« befasst sich sowohl mit elektronischer Musik als auch mit der Ästhetik und Materialität von Vinyl und verbindet so die zeitgenössische digitale Kultur mit der Geschichte der Popkultur. Es verwandelt einen Datenfluss in ein konkretes Objekt, das man sammeln kann, was den Narrativen von Klassifikation und Kontrolle, die die Dateninfrastrukturen von Staaten und Konzernen bestimmen, einen nostalgischen Anklang verleiht. Die Namen der Städte auf dem Vinyl zeichnen die Reisen des Künstlers nach und machen aus diesem Objekt eine ungewöhnliche Zeitkapsel, die eng mit dem Jahr ihrer Entstehung verknüpft ist, während sie zugleich ein alternatives Porträt einer einzelnen Person skizziert.
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Scottie Chih-Chieh Huang
Dandelion Mirror (2015)
Der Künstler Scottie Chih-Chieh Huang präsentiert die Installation eines Spiegels mit einer physiologischen Messvorrichtung und berührungsloser Sensortechnik. Der Biosensor ist in der Lage, den Gesichtsausdruck der BetrachterInnen zu analysieren und in die Form eines Löwenzahns zu konvertieren. Demgemäß reflektiert der Spiegel nicht nur das Bild einer Person, sondern fungiert gleichermaßen als Präsentationsfläche der interaktiven Installation. Auf einem komplexen fraktalen und rekursiven Algorithmus basierend werden die gemessenen Daten in die Form einer wachsenden, virtuellen Pflanze transformiert. Der virtuelle Löwenzahn erblüht durch das Lächeln der BetrachterInnen, verkleinert sich wenn das Lächeln verblasst und wird zu einer Knospe, wenn die BetrachterInnen nicht lächeln. Smart Technology und Medienkunst verweisen dabei auf die Wichtigkeit eines jeden Lächelns, virtuelle Muster unterstreichen die Symbiose von Datenvisualisierung und menschlicher Spiegelung.
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Jennifer Lyn Morone™ Inc
Jennifer Lyn Morone™ Inc (2014–2015)
Die neue digitale Wirtschaft ermöglicht es Unternehmen, Profite in Milliardenhöhe aus unseren persönlichen Daten (quasi aus dem Fakt unserer schieren biologischen Existenz) zu ziehen. Der Handel mit den persönlichen Daten, getrieben von Unternehmen und Regierungen, passiert oft ohne unser Wissen oder unsere Absicht und liegt außerhalb unserer Kontrolle. Wir sind nicht mehr im Besitz unserer Identität. Jennifer Lyn Morone setzt dem einen Gegenentwurf entgegen indem sie die Veräußerung der eigenen Daten in die Hand nimmt: Ihr Vorschlag besteht im »extremen Kapitalismus«, in der radikalen und bedingungslosen individuellen Datensouveränität. Jennifer Lyn Morone™ Inc ist ein Unternehmen, in dem die Künstlerin selbst Gründerin, Geschäftsführerin, Aktionärin und Produkt ist. Die Jennifer Lyn Morone™ Inc karikiert die ausbeuterische Logik der Großkonzerne und gewährt juristischen Schutz und Rechte auf die komplette Leistung der Person Jennifer Morone. Das Unternehmen bezieht sein Kapital aus ihrer Vergangenheit und aktuellen Ressourcen, dem Verkauf von Aktien auf ihr zukünftiges Potenzial sowie aus Sammlung, Klassifizierung und Auswertung der Daten, die von der Künstlerin in ihrem Leben generiert werden. Persönliche Daten von Jennifer Morone sind Eigentum ihres Unternehmens.
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Jia
The Chinese Version (2012–2015)
In den 1950er-Jahren beschloss die Kommunistische Partei Chinas, das chinesische Schriftsystem zu vereinfachen und so die Kommunikation über Klassen- und Bildungsgrenzen hinweg zu erleichtern. Bis heute sind 2/3 der ursprünglich Tausenden traditionellen chinesischen Schriftzeichen nicht zur Publikation zugelassen, nur rund 10% werden im Alltag benutzt. Jia thematisiert diesen Verlust einer jahrtausendealten Kultur in »The Chinese Version«. Sie mischt die Schriftzeichen, sodass sie als Text keinen Sinn mehr ergeben und nur noch als formalistische Struktur zu erkennen sind. Damit ruft sie zum einen die verlorenen Schriftzeichen und deren Bedeutungen in Erinnerung, die aus der zeitgenössischen Kultur nach und nach verschwinden, weil sie nicht mehr gelehrt werden und nicht zugänglich sind. Zugleich entlarvt sie die entleerte Bedeutung der vereinfachten Schriftzeichen und neutralisiert ihre propagandistische Wirkung.
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JODI
Geo Goo (2014)
Die Netzkunst-Pioniere JODI (Joan Heemskerk und Dirk Paesmans) interessieren sich für die Dysfunktionalitäten von Medien und Mensch-Maschine-Interaktionen. Indem JODI die Fehler und Störungen digitaler Medien kultivieren und eine eigene Ästhetik des Fehlerhaften zelebrieren, decken sie die Funktionsweisen von Software, Interfaces und medialen Anwendungen auf: In einer Rhetorik der Verfremdung zeigen sie, wie etwas nicht funktioniert – so wird die eigentliche Funktion durch die Fehler bewusst. In »Geo Goo« wird Google Maps zweckentfremdet. Die Symbole und Icons, die eigentlich zum Verständnis und zur Orientierung beitragen sollen, verselbstständigen sich auf dem Bildschirm, scheinen ein Eigenleben zu entwickeln und unterwandern so jegliche Nutzungskonventionen, Gewohnheiten und Erwartungshaltungen. Die Landkarte geht unter in Mustern und einem Kauderwelsch aus Zeichen und Code. Die Icons werden ihres Sinnes und ihrer Bedeutung beraubt und führen auf diese Weise die Anwendung Google Maps ad absurdum. »Geo Goo« ist ein Stück konkreter Netzkunst, das die dem Fehler eigene Schönheit ausstellt und dabei nur die Oberfläche des Interfaces zur Anschauung bringt.
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Matt Kenyon (SWAMP)
Consumer Index (2008–2015)
»Consumer Index« ist eine ortsgebundene Performance, bei der Matt Kenyon alias SWAMP (Studies of Work Atmosphere und Mass Production) die Mechanismen des Sammelns persönlicher Daten erforscht, wie sie von Datenhändlern und großen Konzernen in der ganzen Welt eingesetzt werden, um Profile zur Vorhersage des zukünftigen Verbraucherverhaltens zu erstellen. Für sein Projekt registrierte sich Kenyon bei »Nielsen Families«. Unter einer falschen Identität wird er zu einer Datenquelle, die mit jenen Eigenschaft verknüpft ist, welche die Firma Nielsen verwendet, um Menschen als archetypische Konsumenten zu vermessen: Geschlecht, Ethnie, Ausbildung und sozioökonomischer Status. Der Künstler baute dann den »Nielsen Homescan«, einen Barcodescanner, um und verband ihn mit einer Mikro-Videokamera. Für die Performance implantiert er den so modifizierten Homescan in seinen Mund. Die Performance fügt dadurch dem Gedanken der Big-Data-Ströme ein körperliches Element hinzu und verkörpert so im wahrsten Sinne des Wortes das Konzept des Verzehrs sowie der Verdauung von Daten. Kenyon macht sich dann an eine unmögliche Aufgabe: Er will sämtliche Produkte in der globalen Warenwelt einscannen – in Einkaufszentren von den USA bis nach Neuseeland. Da er sich als Virus in den Vorgang des Datensammelns einschleust – gleichsam als Verunreinigung von »Nielsen Families« –, ändert der Künstler sowohl die Erwartung der Datenhändler an sein Konsumverhalten als auch sein Profil und wird somit weniger als sein eigentliches Selbst. Er entzieht sich jeder Kategorisierung und wird ein unersättlicher, unvorhersehbar agierender Konsument.
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Erik Kessels
24 HRS of Photos (2012)
Diverse Plattformen und Communities ermöglichen das kollektive Teilen von Bildern im Internet. So vermischen Image-Sharing-Seiten wie Flickr, Pinterest oder Imgur und Soziale Netzwerke wie Facebook tagtäglich private und öffentliche Bilder und exponieren scheinbar unbefangen die persönlichen Bildwelten ihrer UserInnen. Die Kunst und das Vorrecht der Fotografie sind nicht mehr nur professionellen KünstlerInnen und FotografInnen vorbehalten. Stattdessen ist die digitale Gesellschaft privilegiert, ihr Leben als Pixel aufzuzeichnen und die Bildergeschichten in das World Wide Web einzuspeisen, um unzählige Erinnerungen mit der Welt zu teilen. In »24 HRS of Photos« demonstriert der Künstler Erik Kessels diese überwältigende, digitale Bilderflut, indem er die Fülle der im Internet verfügbaren Bilder materialisiert und ihr so eine physische Form verleiht. Er druckte alle innerhalb eines Tages auf die Plattform Flickr hochgeladenen Bilder, 350.000, aus und füllt damit die Ausstellungsfläche. Das so entstandene Bildermeer visualisiert das Gefühl in den Erinnerungen, Erlebnissen und Eindrücken fremder Menschen zu ertrinken.
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Jeong Han, Kim Hyun, Jean Lee & Jung-Do Kim
EMC (Emergent Mind of City) III: Karlsruhe, Washington, D.C. and Seoul (2015)
Die Installation »EMC (Emergent Mind of City) III« basiert auf einer in Echtzeit ablaufenden Daten-Visualisierung und präsentiert den emotionalen Geist von drei Städten: Seoul, Washington D.C. und Karlsruhe. Die kollektiven emotionalen Qualia der drei Städte werden erforscht, indem die Installation konzeptionell und visuell das Wachstum von Bäumen und Nervenzellen aufgreift. Indem eine emotionale Koordinate der Stadt sowohl diachron als auch synchron aufgebaut wird, zielt »EMC« darauf ab, dass das umweltbedingte Netzwerk der Empathy mit mikro-individuellen und makro-sozialen Emotionen verdeutlich wird. Die drei Städte wurden aufgrund ihrer Analogien bezüglich historischer Ereignisse und Erfahrungen ausgewählt: So ist das Layout von Washington D.C. von 12 europäischen Städten inspiriert, unter anderem von Karlsruhe. Außerdem war Karlsruhe nach dem Zweiten Weltkrieg, von 1945 bis 1995, Standort einer amerikanischen Militärbasis. In Seoul ist seit 1944 die Achte US Armee im Yongsan Viertel stationiert. Das organische Konzept von »EMC« zeigt die Diversität öffentlicher Perspektiven in Städten, die ähnliche Erfahrungen durchlebt haben.
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Brian Knappenberger
The Internet’s Own Boy: The Story of Aaron Swartz (2014)
Der Dokumentarfilm »The Internet’s Own Boy: The Story of Aaron Swartz« gibt einen Einblick in das Leben des Programmierers, Autors und Internetaktivisten Aaron Swartz (*1986). Swartz setzte sich für freien Zugang zu Wissen und gegen Zensur ein und galt in Technologiekreisen in den USA als eine Art Wunderkind. Der Hacker war als 14-Jähriger an der Entwicklung des Web-Standards RSS beteiligt. Im weiteren Verlauf seiner Karriere arbeitete er an der technischen Umsetzung der Creative-Commons-Lizenzen und baute die Plattform Reddit mit auf. Im Jahr 2011 brach Swartz in die Online-Datenbank JSTOR ein, auf der wissenschaftliche Artikel versammelt sind, die man nur gegen Bezahlung lesen kann. Er wurde angeklagt, 4,8 Millionen Artikel illegal heruntergeladen zu haben. Der Film zeigt Interviews mit Familienmitgliedern und Freunden sowie mit Koryphäen aus der Technologie- und Internetszene, mit denen Swartz zusammengearbeitet hat. Die Geschichte des Films endet mit Swartz’ Suizid im Kontext des Rechtstreits mit JSTOR im Jahre 2013. Swartz wurde 26 Jahre alt. Der Film ist unter CC-Lizenz im Internet frei verfügbar.
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Oliver Laric
Versions (2010)
»Versions« ist ein laufendes Projekt von Oliver Laric, das sich mit historischen und zeitgenössischen Ideen zu Bildhierarchien auseinandersetzt. Bei Versions hebt der Künstler die kulturellen Konsequenzen der Reproduktion und Manipulation von Bildern hervor, die zu einer beständigen Verbreitung neuer, geremixter Inhalte und Bedeutungen führen. Beim Durchqueren verschiedener Epochen unterstreicht Laric die historische Herkunft des Kopiervorgangs, dessen Wurzeln in den Traditionen des antiken Griechenlands und Roms liegen: Sobald eine erste Repräsentation hergestellt wurde, ist damit auch bereits die Verbreitung ihrer Kopie möglich. Jede Kopie fügt sich selbst andere Informationen hinzu und erzeugt etwas Neues, das sich vom Original unterscheidet. Dieser Vorgang, der in der Populärkultur schon lange zu beobachten ist und insbesondere von der Filmindustrie im Laufe des 20. Jahrhunderts immer häufiger verwendet wurde, erfährt heute durch Bildmanipulationen mithilfe von Bildbearbeitungssoftware, durch Anpassungen und durch den Remix von Bildern noch eine wesentlich stärkere Betonung: Unsere Wahrnehmung der Realität wird durch die Zirkulation zeitgenössischer Onlinebilder maßgeblich geprägt. Im Zeitalter der digitalen Reproduktion löst sich die hierarchische Trennung zwischen Original und Kopie auf: Viele Versionen koexistieren gleichzeitig. Ungeachtet schlichter Abnutzung und des Fehlens der besonderen Aura eines Originals nehmen diese Versionen dennoch aktiv an der Wissensproduktion teil, wobei eine Vielzahl unterschiedlicher Autoren zur Hybridisierung von Stil und Ästhetik beiträgt, woraus veränderte Informationen und Formen entstehen.
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Marc Lee
10.000 Moving Cities – Same but Different (2015)
In seiner Installation »10.000 Moving Cities« beschäftigt sich Marc Lee mit der Welt des Informationsaustauschs, der nutzerorientierten Inhalte und Nachrichten über Orte, Menschen und Ereignisse. Die BesucherInnen können anhand einer digitalen Oberfläche jeden beliebigen Ort der Welt anwählen. In Echtzeit wird im Internet dazu nach neuesten Text-, Bild-, Video- und Toninformationen gesucht und diese dann sowohl visuell als auch audiotechnisch aufbereitet. Dabei erzeugt jede neue Anfrage immer wieder neue Perspektiven und Bilder der realen Welt als interaktives Zusammenspiel der BesucherInnen und der digitalen Infosphäre. Die audiovisuellen Informationen stammen aus sozialen Netzwerken – sind also nicht von einer bestimmten Organisation, einer Firma oder von KünstlerInnen produziert, sondern von der Öffentlichkeit (user-generated content). Diese nahezu unerschöpfliche Quelle speist die Infosphäre, aus der »10.000 Moving Cities« unzählige Querschnitte generiert und uns wie durch ein Fenster in die Datenströme der Welt blicken lässt.
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George Legrady
We Are Stardust (2008)
»We Are Stardust« ist eine Doppelschirmprojektion mit einer Infrarotkamera. Die Installation zeichnet eine Sequenz von Beobachtungen am Himmel nach, wie sie das Spitzer-Weltraumteleskop der NASA während seiner kalten Mission von 2003 bis 2009 machte. Spitzer ist ein Sonnensatellit in einem der Erdbahn folgenden Orbit. Der Satellit verfügt über drei Infrarotdetektoren zur Messung hitzebasierender Informationen im Weltall. Die Installation besteht aus zwei Projektionen an entgegengesetzten Enden des Ausstellungsraums, die die chronologische Sequenz von Spitzers wissenschaftlichen Beobachtungen visuell nachverfolgen. Eine Projektion zeigt die Sequenz aus ca. 46.000 Beobachtungen, die entstanden, als WissenschaftlerInnen in den Weltraum hinausblickten. Die volle Sequenz erstreckt sich in Zyklen von je eintausend Beobachtungen auf einer Karte des Universums über insgesamt acht Stunden. Die zweite Projektion zeigt den Ausstellungsraum durch eine Infrarotkamera auf militärtechnologischem Niveau. Sie ist über den Köpfen der BesucherInnen angebracht, und ihr Blickwinkel wird von der chronologischen Sequenz der Spitzer-Beobachtungen bestimmt. Da sie sich direkt im Ausstellungsraum befindet, zeichnet sie die Präsenz und das Verhalten der Besucher thermovisuell auf.
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Rafael Lozano-Hemmer
Please Empty Your Pockets (2010)
Der mexikanisch-kanadische Medienkünstler Rafael Lozano-Hemmer ist für seine interaktiven Installationen bekannt, die sowohl den städtischen, öffentlichen Raum (wie in der Serie Relational Architecture) als auch den Galerieraum bespielen und ein breites Spektrum neuer Medien und Technologien (unter anderem Sensoren, biometrische Scanner, Überwachungskameras, Tracking-Systeme und Mikrofone) einsetzen. Die Installation »Please Empty Your Pockets« besteht aus einem computergesteuerten Scanner und einem Laufband. Jeder, der einen kleinen Gegenstand auf das Fließband legt, wirkt an der Entstehung eines neuen interaktiven Kunstwerks mit. Der Aufbau der Installation erinnert an einen Gepäckscanner am Flughafen, mit dem einzigen Unterschied, dass die Beteiligung von Zivilpersonen freiwillig erfolgt. Am anderen Ende des Laufbands erscheint ein gescanntes Bild des Gegenstands zusammen mit Bildern, die zuvor gescannt wurden, sowie Bildern aus einer Datenbank, in der 600.000 seit Bestehen der Installation eingescannte Objekte gespeichert sind. Unterstützt von Augmented-Reality-Technologie, kombiniert die Installation reale Gegenstände mit deren Spuren und fungiert dadurch als kollektives Gedächtnis der konsumierten Gegenstände.