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Ausstellung

Phonorama

Eine Kulturgeschichte der Stimme als Medium

So, 19.09.2004 – So, 30.01.2005

© ZKM | Karlsruhe, Foto: Franz Wamhof
Die menschliche Stimme auszustellen scheint ein paradoxes Unterfangen. Was an Stimme und Hören sichtbar gemacht werden kann, sind zunächst Symbole, Lautschriften, anatomische Modelle, Sprechmaschinen, technische Geräte vom seltenen Phonographen bis zum stimmgesteuerten Navigationssystem. Was aber die erlebte und gehörte Stimme faktisch erzeugt, ist der Raum unserer Wahrnehmungswelt. Für das unmittelbare Raumerleben ist der »gehörte Raum« zumindest so konstitutiv wie der durch das Auge wahrgenommene.
 
In der Ausstellung zu hören sind u. a. Bestände aus Stimmarchiven in Berlin oder Wien, die seit Beginn des 20. Jahrhunderts »Stimmporträts« bedeutender Persönlichkeiten angelegt haben. Stimmliche Experimente werden vorgestellt, die Lautdichter, Schauspieler bzw. Performance-Künstler umgesetzt haben, um die Bedeutung eines gesprochenen Textes über seinen bloßen sprachlichen Gehalt hinaus vokal zu erweitern und zu profilieren. Hören wird man auch die ersten Versuche, Stimmen künstlich herzustellen, so zum Beispiel die »Stimme aus der Sprechmaschine« des Wolfgang von Kempelen (1734-1804), eines hohen Beamten am Hofe Maria Theresias. Mit seiner Maschine wollte er gehörlosen Menschen zu einem Instrument verhelfen, Lautsprache zu erzeugen.
 
Vernehmen wird man auch die eindringliche Stimme von Ingeborg Bachmann, die in ihren Frankfurter Vorlesungen das »schreibende Ich« als »Platzhalter der Stimme« beschreibt. Die singende Stimme vermittelt, wie sehr die sich laufend ändernden Möglichkeiten von Aufzeichnungs- und Studiotechnik auch die ästhetische Stimmwahrnehmung prägen. Seltene Beispiele aus der beginnenden Schallplattenindustrie bis zu aktuellsten Technologien veranschaulichen die Manipulationsmöglichkeiten menschlicher Stimmen. In der Ausstellung akustisch vergegenwärtigt sind auch jene Experimente, die Stimmen Verstorbener einzufangen und hörbar zu machen. Beispiele aus dem europäischen Kirchengesang – von der Faszination für die hohe Männerstimme vatikanischer Kastraten bis zur Bassstimme Maxim Mikhailovs – sowie Ausschnitte aus bald hundert Jahren Radiogeschichte illustrieren die erstaunlichen Möglichkeiten stimmlicher Darbietungen.
 
Die Gestaltung der Ausstellung ist unkonventionell. Ein gleichsam akustischer Film wird erzeugt, der die dargebotenen Stimmen verräumlicht, die Besucher durch die Ausstellungsräume begleitet und so eine Raumwahrnehmung ermöglicht, die von der Umgebung, die sonst vor allem über das Auge wahrnehmbar ist, überraschend abweicht.
 
Zu sehen sein werden Sprechmaschinen aus dem 18. und 19. Jahrhundert, kostbare Phonographen, die ersten sprechenden Puppen und Gegenstände, Instrumente und Messgeräte, die menschliche Artikulation und Stimmbildung beschreiben und rekonstruieren, Dokumente aus frühen Expeditionen, die den ersten Kontakt mit europäischen Sprechmaschinen voyeuristisch verfolgen. Dargestellt wird auch die geheimnisvolle Bedeutung der Bauchrednerei, so zum Beispiel der legendäre Edgar Bergen, der mit der Stimme, die er seiner berühmten Puppe Charlie McCarthy lieh, konservative Moralvorstellungen geschickt zu unterlaufen wusste. Eine Auswahl kostbarer Druckwerke dokumentiert die Geschichte der Gehörlosenerziehung. Nicht zuletzt sind die Versuche erwähnenswert, stimmliche Ausdrucksmöglichkeiten zu notieren: das Spektrum reicht von mittelalterlichen Spruchbändern über die politische Karikatur bis zu aktuellen Beispielen aus der Comic-Literatur oder den Notationssystemen zeitgenössischer Musik.
 
Der Bogen der ausgestellten Stimmen und Objekte reicht bis zu innovativen Projekten und Prototypen, die sich mit Stimmsynthese und stimmlichen Steuerungen auseinandersetzen, und stellt diese in einen Kontext technischer Faszinationsgeschichte.

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