Christian Boltanski

Réliquaire

1990

Réliquaire
Künstler/in / Künstlergruppe
Christian Boltanski
Titel
Réliquaire
Jahr
1990
Kategorie
Installation, Schwarzweißfotografie
Material / Technik
16 Schwarz-Weiß-Fotografien, 400 Keksdosen, 16 Metallschubladen, 16 Lampen
Maße / Dauer
300 x 215 x 94 cm, Installationsmaß variabel
Sammlung
ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe
Beschreibung

„Heute bewahrt man alles ganz perfekt. Aber meine Arbeit soll auf der Grenze sein wie eine Kerze, die von einem Moment zum nächsten verlöschen kann." [1] (Christian Boltanski, 1990)

Die Praxis des Erinnerns und die Auseinandersetzung mit Vergangenheit und Vergänglichkeit sind zentrale Themen im Werk von Christian Boltanski. Schon als Jugendlicher setzte sich der Sohn eines jüdischen Chefarztes intensiv mit der Geschichte seiner Familie während der Zeit des Nationalsozialismus auseinander. Später weitete Boltanski seine Arbeit der (Re-) Konstruktion von Vergangenheit auf eine allgemeinere Ebene aus. So auch in seiner altarhaft anmutenden Installation »Réliquaire«: Sakral und fast an Ikonen erinnernd sind sechzehn verschwommene Schwarz-Weiß-Porträtfotografien von Jugendlichen, die der Künstler aus den Nachlässen anonymer Personen bezog, in vier Reihen präsentiert. Auf Sockeln aus metallenen Keksdosen installiert, wird jedes Gesicht von einer Leselampe angestrahlt. Die Dosen wirken wie Aufbewahrungsorte für Erinnerungen, persönliche Schätze und Fundstücke, die reliquienartig aufgebahrt werden. In der dramatischen Licht-Regie entsteht eine Spannung zwischen Präsenz und Absenz, die von dem Verlangen lebt, die einzelnen Menschen 'erkennen' zu wollen und mehr über deren Einzelschicksale zu erfahren.



[1] Christian Boltanski im Interview mit Doris von Drathen: »Der Clown als schlechter Prediger«, in: Kai-Uwe Hemken (Hg.) »Gedächtnisbilder. Vergessen und Erinnern in der Gegenwartskunst« (Leipzig: Reclam, 1996), S. 236.

AutorIn: Julia Ihls

Über den/die Künstler/in