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(De)composite Collections

Giselle Beiguelman, Bruno Moreschi und Bernardo Fontes

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»(De)composite Collections« ist eine fortlaufende Untersuchung des kolonialistischen Blicks in Museumssammlungen. Ausgangspunkt des künstlerischen Projekts, das im Rahmen der intelligent.museum Recidency realisiert wurde, sind Kunstsammlungen, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden.

Es basiert auf folgenden zentralen Fragen:

Welche alternativen Kunstgeschichten ergeben sich, wenn die Auswertung der Bilder durch eine Künstliche Intelligenz (KI) erfolgt? Wie können KI-Technologien entwickelt werden, die Kolonialismus-Darstellungen erfassen? Können sie dazu beitragen, den kolonialistischen Blick als ein historisches Konstrukt zu begreifen?

Um uns diesen Fragen anzunähern, haben wir die Sammlungen zweier wichtiger brasilianischer Museen analysiert: Das historische Paulista Museum und das Museum für Zeitgenössische Kunst (MAC USP), das Kunstwerken zeigt, die zwischen 1920-1950 entstanden sind. In diesem Zeitraum entwickelte sich der Modernismus, der dem vorherrschenden ästhetischen Stil basierend auf kolonialistischen Ideologien in Lateinamerika erstmals widersprach.

In Anlehnung an die »postkolonial studies« haben wir im Rahmen von »(De)composite Collections« beide Sammlungen verglichen. Dazu erstellten wir Datensätze, die mit Hilfe eines Algorithmus nach wiederkehrenden Motiven in der historischen Malerei und dem brasilianischen Modernismus suchten: beispielsweise indigene Völker, People of Color und weiße Menschen sowie die tropische Natur. Dabei stellten wir einige Gemeinsamkeiten aber auch Unterschiede zwischen den beiden Sammlungen fest. Da die KI-Technologie Bild für Bild liest, kann sie verborgene Muster in den Gemälden, Stichen oder Zeichnungen aufdecken, die über traditionelle kunsthistorische Kategorien hinausgehen.

Die maschinellen Lernverfahren offenbarten, dass die kolonialistische Perspektive sich in den Kunstwerken fortschreibt, anstatt abgelöst zu werden. Das widerspricht der Annahme, dass mit dem brasilianischen Modernismus ein ästhetischer und ideologischer Bruch stattfand.

Plantagenarbeit wird beispielsweise weiterhin mit dem nackten schwarzen Körper assoziiert, der weiße Mann wird in der Regel autoritär und in formeller Kleidung dargestellt, während indigene Völker generische Wesen ohne besondere Eigenschaften sind.

Die Darstellung weißer Frauen hat sich verändert. Konzentriert sich die historische Malerei ausschließlich auf Gesichter, so betont die moderne Malerei den Körper der Frau. Bei Women of Color ist das Klischee der sinnlichen Sklavin vorherrschend.

Die Darstellung weißer Frauen hat sich jedoch verändert: Während sich die historische Malerei ausschließlich auf Gesichter konzentriert, stellt die moderne Malerei den Körper der Frau in den Fokus. Es wird dabei ein frauenfeindlicher Blickwinkel eingenommen, der vor allem die Brüste und der Bauch betont – beides Symbole der Mutterschaft. Bei schwarzen Frauenkörpern wird das Klischee der sinnlichen Sklavin bedient.

Unsere Experimente zeigen, dass KI-Technologien eine kritische Analyse leisten können, die mit traditionellen Methoden der Kunstgeschichte nicht möglich ist. Gleichzeitig werden die Grenzen der KI im Umgang mit sozialem Anderssein und Vielfalt sichtbar. Zugleich verweisen die mit neuronalen Netzen produzierten Bilder auf die Grenzen des Umgangs mit sozialer Andersartigkeit und auf die Vielfalt individueller kreativer Verfahren.Da Künstliche Intelligenz von bestehenden Mustern abhängig ist, neigen Generative Adversarial Networks (GAN) dazu, die kolonialistische Perspektive zu reproduzieren, wenn sie eingesetzt werden, um neue Bilder zu erzeugen.

Das Projekt »(De)composite Collections« offenbart die Fortführung des historischen Kolonialismus im entstehendem Datenkolonialismus. Deshalb schlagen wir die Umkehrung eines der perfidesten Systeme der Bildtechnologie und -Kategorisierung vor: »Composite Portraits von Francis Galton« (1822-1911). Galton schuf die wissenschaftliche Grundlage für die Ablehnung von Körpern, die nicht dem europäischen Ideal entsprechen, indem er in seinen Bildersammlungen Muster herauslas und diese systematisierte. Damit gilt er als Mitbegründer der Eugenik. Seine Thesen wurden vom Nationalsozialismus und anderen totalitären Bewegungen aufgegriffen. Heute Auch wenn sie heute nicht mehr verwendet werden, florieren sie indirekt doch in aktuellen Technologien, die auf Mustererkennungssystemen basieren, wie beispielsweise dem »Eigengesichter«-Algorithmus.

Die Bilder, die wir hier präsentieren, sind ein Ergebnis unserer Untersuchung. Sie spiegeln einerseits, wie Künstliche Intelligenz die sich fortschreibenden Motive aufgreift und offenbart andererseits, dass die traditionelle Kunstgeschichte diese Tendenz weder erkennen noch reflektieren kann. »(De)Composite Collections« schlägt daher eine künstlerische Methode vor, die als dekolonialistische Performance funktioniert: Bilder lesen Bilder, um den kolonialen Blick zu entlarven.
Zusätzlich entsteht ein Leitfaden für die Analyse von Unterschieden und wiederkehrenden Motiven in historischen und zeitgenössischen Sammlungen.

»(De)Composite Collections« ist eine künstlerische Recherche von von Giselle Beiguelman, Bruno Moreschi und Bernardo Fontes im Zusammenhang mit dem transdisziplinären Projekt demonumenta der Fakultät für Architektur der Universität São Paulo (FAU-USP) mit Unterstützung des C4Ai – INOVA-USP.

Wir danken unseren Studenten Studierenden und Forschendenrn für ihre Arbeit bei derdie Zusammenstellung der Datensätze:

Museum Paulista (MP USP):
Amanda Chevtchouk Jurno, Amanda Vargas, Ana Paula Rodrigues Borges, Gabriel Pereira, Guilherme de Angelo Guimaraes da Silveira, Luisa Vasconcellos Rodrigues, Marco Antonio Christini, Matheus de Sousa Santos, Nathielli Ferreira Ricardo Raquel Serapicos, Carol Monteagudo, Deborah Oliveira Caseiro, Diego Giovani Bonifácio, Gabriel dos Santos Noda, Guilherme Bretas, Guilherme de Angelo Guimarães da Silveira, Guilherme Françoso Santos, Luiza Santos, Mariana Yoshimura, Natalia Bruciaferi Goncalves da Silva, Pedro Oliveira Perri, Roberta Saldanha da Silva Berardo Gomes, Rodrigo Augusto das Neves.

Contemporary Art Museum (MAC – USP):
Gustavo Tiago Aires

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Das Werk »(De)Composite Collections« wurde im Rahmen des Projekts intelligent.museum entwickelt. Gefördert im Programm Kultur Digital der Kulturstiftung des Bundes.

Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

Mit freundlicher Unterstützung der Fakultät für Architektur, Stadtplanung und Design der Universität von São Paulo (FAU-USP), C4Ai – INOVA USP und GAIA.

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