Glass Bead. Site 1: Logic Gates, the Politics of the Artifactual Mind
Magazin-Launch
Do, 09.11.2017 18:00 – 20:30 Uhr CET
Im Rahmen der Ausstellung »Hybrid Layers« freut sich das ZKM | Karlsruhe, die neue Ausgabe des in Paris ansässigen Magazins »Glass Bead« mit dem Titel »Site 1: Logic Gates, the Politics of the Artifactual Mind« zu präsentieren.
Mit Vorträgen von:
18:00 Uhr | »Glass Bead« (Fabien Giraud, Jeremy Lecomte, Vincent Normand, Inigo Wilkins) |
18:30 Uhr | Nina Power, Leitende Dozentin für Philosophie (Universität Roehampton, London) |
19:00 Uhr | T’ai Smith, Außerordentliche Professorin für moderne und zeitgenössische Kunst in Europa und Amerika (University of British Columbia, Point Grey, Canada) |
19:30 Uhr | Matteo Pasquinelli, Professor für Medientheorie (HfG, Karlsruhe) |
Matteo Pasquinelli: »Machines That Morph Logic«
Künstliche Intelligenz wird häufig als alchemistischer Talisman bezeichnet, dessen Funktionsweise nur selten erklärt wird. Das bisherige hegemonische Paradigma (für die Automatisierung von Arbeit ebenfalls ausschlaggebend) basiert dabei nicht auf GOFAI (Good Old-Fashioned Artificial Intelligence, die die sinnbildliche Deduktion niemals automatisieren konnte), sondern auf den von Frank Rosenblatt 1958 entwickelten neuronalen Netzen zur Automatisierung der statistischen Induktion. Ist die Mustererkennung über statistische Induktion der präziseste Deskriptor der maschinellen Intelligenz, müssen die verzerrenden Ergebnisse der statistischen Induktion für die kollektive Wahrnehmung und Politik (Überanpassung, Apophänie, algorithmische Diskriminierung, ‚tiefes Träumen‘ usw.) erst noch vollständig verstanden werden.
Nina Power: »Revisiting the Human«
In diesem Gespräch erklärt Nina Power, wie wir mit der Frage der Menschlichkeit im Zeitalter der Technologie im vollen Bewusstsein der feministischen und antirassistischen Kritiken an einer solchen allgemein verbreiteten Sprache umgehen. Sie behauptet, dass die Fähigkeit der Abstraktion und eine gewisse Art des »Inhumanismus« (nicht mit Unmenschlichkeit zu verwechseln, obwohl wir zugeben müssen, dass dies auch immer eine Möglichkeit darstellt) notwendig sind, um rational und wissenschaftlich voranzukommen. Dies gilt für die psychoanalytische Ebene wie auch für die wissenschaftliche Ebene – vielleicht gefällt uns nicht, was wir über uns selbst und unseren Platz im Universum herausfinden, aber es ist immer noch besser, eine solche Entfremdung zu verstehen und anzunehmen, als sich in falscher Sicherheit zu wähnen.
T’ai Smith: »AI’s fashion mirror stage«
Die Welt des Modebusiness folgt Trends und ist momentan von den folgenden Fragen besessen: Wie kann KI die Art verändern, wie wir Menschen Mode in Zukunft wahrnehmen oder kaufen? Welche neuen Instrumente bietet KI Modekonsumenten? Brauchen wir noch Designer, wenn Trends von Algorithmen erkannt und die kommende Saison darauf aufbauend kalkuliert wird? Es scheint, als wären solche nüchternen Fragen aus einer grundlegenden Selbstverliebtheit heraus entstanden: Die Branche sieht ein Spiegelbild ihrer selbst in der Zukunft, aber übersieht dabei den Paradigmenwechsel, der durch KI im System möglich wäre – eine radikale Neustrukturierung dieses Bereichs, in dem Mode (wie wir sie kennen) nicht mehr existiert.
T'ai Smith möchte sich dabei nicht an der fieberhaften Diskussion über das Wachstum oder die Überflüssigkeit der Branche aufgrund von KI beteiligen, sondern stellt ein spekulatives Szenario und Fragen über eine mögliche Zukunft vor, in der KI stärker ins Bewusstsein rückt – nämlich dann, wenn sie über einen artefaktischen Verstand verfügt. Wird sich KI jemals in der Mode und dem Modebewusstsein widerspiegeln? Und wenn sich KI erst einmal profiliert hat, wird sie dann nach Mode verlangen? Wird KI ihr eigenes Spiegelstadium erreichen und in all ihren egoistischen Identitätswidersprüchen die Bedürfnisse und Wünsche erwecken, die der Kapitalismus benötigt? Oder wird der (Mode-)kapitalismus im Sande verlaufen, wenn das lustlose Superego der KI übernimmt?
Im Anschluss findet eine Podiumsdiskussion statt.
Bitte beachten Sie: Die Veranstaltung findet in englischer Sprache statt.
»Site 1: Logic Gates, the Politics of the Artifactual Mind«
Die Ausgabe 0 der Zeitschrift mit dem Titel »Site 0: Castalia, the Game of Ends and Means« widmet sich der Neupositionierung der Kunst in der Welt der Vernunft. Ausgabe 1 konzentriert sich auf das Gebilde der Vernunft selbst und die Art und Weise,wie sie gegenwärtig durch das Aufkommen von künstlicher Intelligenz verändert wird. Während Denkkapazitäten in Maschinen ausgelagert werden, die zunehmend menschliche Intelligenz widerspiegeln, wird die Frage der technischen Artefaktualität des Verstandes und deren politische Auswirkungen immer dringlicher. Weit entfernt davon, auf die rechnergestützte Instanziierung von Intelligenz begrenzt zu sein, erfordert das Verstehen der Politik dieser Entwicklungen bei künstlicher Intelligenz die Anerkennung dessen, dass der Verstand schon immer artefaktisch war.
»Site 1: Logic Gate, the Politics of the Artifactual Mind« beabsichtigt, die formalen, philosophischen und wissenschaftlichen Dimensionen dieser Frage zu erkunden, um die Rolle, welche die Kunst mit der Entfaltung ihrer Möglichkeiten spielen kann, zu betrachten.
Mit Beiträgen von Philosophen, Künstlern, Musikern, Schriftstellern und Historikern: Benjamin Bratton, Ian Cheng, Catarina Dutilh Novaes, Lee Gamble, Peli Grietzer, Matt Hare, Nora Kahn, Danielle Macbeth, Reviel Netz, Matteo Pasquinelli, Nina Power, Dhanveer Singh Brar, T’ai Smith, Hito Steyerl, Gary Tomlinson, James Trafford und Ben Woodward.
Parallel zur Veröffentlichung wird eine neue Reihe mit Beiträgen von Anil Bawa-Cavia, Antoine Bousquet, Emmanuelle Chiappone-Piriou, Tobias Haberkorn, Sonia de Jager-Dambrauskas, Anna Longo, Robert Ochshorn, Reza Negarestani, Daniel Sacilotto und Keith Tilford auf der Research Plattform von Glass Bead veröffentlicht werden.
»Glass Bead« ist eine Forschungsplattform und Online-Zeitschrift, die sich mit dem Wissenstransfer zwischen Kunst, Wissenschaft und Philosophie sowie dessen praktischen wie politischen Dimensionen beschäftigt.