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Ausstellung

Jürgen Klauke: Ästhetische Paranoia

Do, 13.05. – So, 03.10.2010

© ZKM | Karlsruhe, Foto: ONUK
Jürgen Klauke gehört zu den wichtigsten Performance-, Foto- und Medienkünstlern in Deutschland. Die aktuelle Ausstellung im ZKM | Museum für Neue Kunst zeigt – in Kooperation mit dem Museum der Moderne in Salzburg – mit 110 Werken eine Auswahl der neuesten Arbeiten des Künstlers.
 
Der in Köln lebende Künstler Jürgen Klauke hat im Bereich der Body Art und der kritischen Auseinandersetzung mit gesellschaftlich normierten Geschlechter-Identitäten und sozialen Verhaltensmustern Wegweisendes in der Kunst geleistet. Zu einer Zeit, in der die Kunst- und Theoriediskurse noch nicht von Körper-Kunst und Gender Studies bestimmt waren, hat Klauke in seinen Arbeiten seit den frühen 1970er-Jahren die von unserer Kultur vorgeprägten sexuellen Grund- und Verhaltensmuster konsequent untersucht und sie mit seinen oftmals provokanten Fotografien hinterfragt. Den – meistens eigenen – Körper verwendet er dabei in unnachgiebiger Weise als zentrales Ausdrucksmedium. Über die Themenbereiche von Sexualität und Gesellschaft hinaus steht die menschliche Existenz mit ihren allgegenwärtigen Abgründen bis heute im Zentrum seines Werkes. Unter Verwendung alltäglicher Materialien als Mittel der Bildinszenierung gelingt Jürgen Klauke dabei ein konzentrierter Blick auf die Absurdität des Lebens und die systemischen Kollisionen zwischen Individuum und Institution.
 
Mit dem Surrealismus und Salvador Dalís »paranoisch-kritischer Methode« (in: »Die Eroberung des Irrationalen«, 1935) begann im 20. Jahrhundert das Zeitalter der künstlerischen Beschäftigung mit dem Paranoiden. Dem Psychoanalytiker Jacques Lacan zufolge scheitert die Wahrnehmungsstörung der Paranoia nicht an der klassischen Differenzierung zwischen Sein und Schein, zwischen Realität und Repräsentation, sondern ihr wird die Interpretation als Primat der Wahrnehmung zum Verhängnis: Was immer man wahrnimmt, es wird stets anders interpretiert, als es sich zeigt. Heute, im Zeitalter der ubiquitären Datenflüsse beeinflusst offensichtlich die Paranoia als Unterströmung alle psychischen und sozialen Prozesse. Die Denk- und Erlebnisweise der Gegenwart kann daher mit dem Buchtitel eines erfolgreichen Topmanagers der hegemonialen Informations- und Kommunikationstechnologie adäquat beschrieben werden: »Only the Paranoid Survive« (1996, verfasst von Andrew S. Grove, dem Mitbegründer der Computerfirma Intel und deren CEO bis 2004).
 
Bereits mit Werkgruppen wie »Formalisierung der Langeweile« (1980/1981) und »Sonntagsneurosen« (1990-1992) hat Jürgen Klauke diese Symptome des Zustandes der gegenwärtigen Gesellschaft als erster in eine anschauliche Ästhetik überführt. Das griechische Wort »aisthesis«, von dem sich Ästhetik ableitet, heißt bekanntlich Wahrnehmung. Klaukes aktuelles Werk beschreibt die paranoide Wahrnehmung und die paranoide Struktur unserer gegenwärtigen Welt.
Jürgen Klauke ist kein Fotograf, sondern ein Künstler, der die Fotografie als Instrument benutzt, um sich und die Welt zu befragen. Wenn er im Bereich der Body Art oder der künstlerischen Hinterfragung von sozial normierten Geschlechter-Identitäten sowie mit seinen komplexen Werkblöcken zu den Grundfragen menschlicher Existenz schon lange Maßstäbe in der Kunst gesetzt hat, so geht er in seiner neuen Werkphase darüber hinaus. In minimalistisch-strengen bis exzessiven, manchmal auch surrealen Szenen reflektiert Klauke in den neuen Werken die Grundbedingungen des paranoiden Daseins.
 
Die Ausstellung im ZKM | Museum für Neue Kunst, die in Kooperation mit dem Museum der Moderne in Salzburg realisiert wird, zeigt mit rund 110 Werken eine Auswahl der neuesten Arbeiten von Jürgen Klauke, darunter die Serien großformatiger SW-Fotografien »Ästhetische Paranoia« und »Wackelkontakt«. Diese performativ inszenierten Fotografien zeigen den Künstler stellvertretend für das in die Welt geworfene Ich, das sich in Zonen des Unaussprechlichen und Unerklärbaren wiederfindet und den Betrachter einlädt, in diese Ahnungs-Räume einzutreten. In seinen faszinierenden Fotografien organisiert und inszeniert der Künstler luzide Bildräume, in denen er vom Raum absorbiert, aufgelöst oder repetiert wird. Erstmalig wird auch die eigens für die Ausstellung entstandene Serie der »Schlachtfelder« präsentiert: ein sechszehn Meter langes Tableau aus 144 Farbfotografien. In der unmittelbaren und provokanten Ästhetik eines zeitgemäßen memento mori zeigen die »Schlachtfelder« die diskutable Schönheit des Schrecklichen, das im Verborgenen der Schlachthöfe vor sich geht. Die Fotografien reflektieren dabei eine thematische Bandbreite, die von existentieller Endlichkeit bis hin zu den alltäglich stattfindenden Grausamkeiten reicht, und verweisen zugleich über die Ebene der dargestellten Realität hinaus. Ergänzend werden von Jürgen Klauke zwei Sprachräume installiert sowie ein Environment mit sieben Plasmabildschirmen, das eine weitere beeindruckende Facette aus dem umfangreichen Schaffen des Medienkünstlers zeigt.

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