Virtuelle Brücken: Kunst und Technologie zwischen Brasilien und Deutschland
Caroline Menezes ist im Rahmen ihres Bundeskanzlerstipendiums derzeit am ZKM zu Gast.
IM GESPRÄCH MIT CAROLINE MENEZES
Im Interview spricht die Kuratorin, Kunsthistorikerin und -kritikerin über ihr Projekt, ihren Forschungsschwerpunkt und ihr besonderes Interesse an dem weiten Feld, das heutzutage die Vereinigung der beiden Wörter »Kunst« und »Technik« umfasst.
ZKM: Können Sie uns etwas über Ihren beruflichen Hintergrund erzählen? Liegt der Schwerpunkt Ihrer Forschung auf zeitgenössischer Kunst und Medienkunst?
Caroline Menezes: „Ich habe schon seit vielen Jahren beruflich mit Kunst zu tun und Erfahrung mit international ausgerichteten Projekten. Mein akademischer Hintergrund liegt in den Fachrichtungen der Kunstgeschichte und der Medienwissenschaften. Ich habe als Kunstkritikern für kulturelle Publikationen und als Kuratorin für Einrichtungen und unabhängige Projekte in England, Brasilien und Portugal gearbeitet. Ich schätze die Kunst aus allen Epochen und Stilrichtungen; traditionell oder experimentell; aus verschiedenen Ländern und in den unterschiedlichsten Stilen; aber ja, die zeitgenössische Kunst hat mich immer ganz besonders interessiert. Ich sehe gerne, was der menschliche Geist in der Zeit, in der wir leben, erschafft oder in letzter Zeit erschaffen hat. Vor diesem Hintergrund habe ich meine Forschungen in den letzten Jahren der Medienkunst gewidmet. Ich halte sie für die künstlerische Ausdrucksform, der es mit den Themen, die sie in die Kunstszene einbringt, am besten gelingt, die Menschen zum Nachdenken anzuregen. “
ZKM: Welchem speziellen Projekt werden Sie während Ihrer Zeit am ZKM nachgehen?
Caroline Menezes: „Das Projekt heißt »Virtual Bridges: Art and Technology between Brazil and Germany« [Virtuelle Brücken: Kunst und Technologie zwischen Brasilien und Deutschland]. Es geht dabei um einen Austausch, der nicht nur die künstlerischen Praktiken, sondern auch die internationale Zusammenarbeit und den Wissenstransfer zwischen beiden Ländern stärken soll. Das Ziel des Projektes ist es, eine Plattform für Medienkunstschaffende einzurichten, die die Entwicklung dieser Form des künstlerischen Ausdrucks durch den Austausch von Informationen und Erfahrungen zwischen den Kulturszenen beider Länder anregen soll. Das Hauptziel des Projektes ist die Schaffung einer aktiven Internet-Community, die sich laufend über die Themenbereiche Kunst und Technik sowie über ihre Forschung und ihr Mapping austauscht. “
ZKM: Was erwarten Sie von Ihrem Aufenthalt?
Caroline Menezes: „Mein persönliches Ziel ist es, ein aktives Netzwerk zwischen Berufskünstlerinnen und -künstlern zu schaffen und zu fördern, das nicht durch geographische Grenzen eingeschränkt ist. Ich gehe davon aus, dass »Virtuelle Brücken« letztlich den Weg für weitere Projekte bereiten wird, die ein großes Publikum erreichen, das über die Kunstszene hinausgeht. Ich hoffe, dass das Projekt den Austausch von Know-how und künstlerischen Praktiken zischen Deutschland und Brasilien verbessern kann.“
ZKM: Können Sie kurz erklären, was das Bundeskanzlerstipendium ist?
Caroline Menezes: „Das Bundeskanzlerstipendium ist ein vom Auswärtigen Amt finanziertes und von der Alexander-von-Humboldt-Stiftung bezuschusstes Programm, das interkulturelles Bewusstsein fördern und die Bindungen zwischen Deutschland und den fünf anderen Ländern (Brasilien, China, USA, Indien und Russland) stärken soll. Jedes Jahr werden pro Land bis zu 10 Stipendien vergeben. Das Programm hat verschiedene Schwerpunkte wie Politik, Wirtschaft und natürlich Kultur (deswegen bin ich hier). Voraussetzung für die Bewerbung um ein Stipendium ist, ein Ausschreibungsprojekt vorweisen zu können, das bereits von einer Gasteinrichtung in Deutschland akzeptiert wurde. In meinem Fall habe ich mich an das ZKM gewandt, das meinem Projekt zustimmte. Wenn man von der Stiftung angenommen ist, wird man eingeladen, um etwas mehr als ein Jahr in Deutschland zu verbringen. Die erste Stufe des Stipendiums besteht aus einer Einführung in die deutsche Sprache, Kultur und Politik durch Kurse, Vorlesungen und Treffen in Einrichtungen und Organisationen. Nach dieser Phase geht man in die Gasteinrichtung, um das ausgeschriebene Projekt, das auf den internationalen Dialog ausgerichtet sein soll, in Zusammenarbeit mit dem Gastgeber zu entwickeln. Nach Ablauf des Stipendiums sollte die Stipendiatin oder der Stipendiat eine vermittelnde Rolle zwischen ihrem/seinem Herkunftsland und Deutschland einnehmen.“
ZKM: Waren Sie schon einmal im ZKM? Wenn nicht, wie ist Ihr erster Eindruck?
Caroline Menezes: „Ja, ich war schon einmal hier. 2012 kam ich extra nach Karlsruhe, um das ZKM zu sehen. Ich weiß nicht mehr, wie die Ausstellungen hießen, die ich besucht habe, als ich zum ersten Mal hier war, aber ich kann mich noch sehr gut an sie erinnern. Ich hatte viel über die Einrichtung gehört, bevor ich ankam, aber trotzdem war ich tief beeindruckt von ihrer Größe und dem breiten Sortiment an ausgestellten Kunstwerken. Letztes Jahr war ich in einer ganz besonderen Nacht nochmals im ZKM, um das Konzert von Kraftwerk zu besuchen. Ich freue mich sehr, mein Projekt hier entwickeln zu können.“
ZKM: Welche Ausstellungen/Forschungsbereiche interessieren Sie am meisten?
Caroline Menezes: „Dieses weite Feld, das heutzutage die Vereinigung der beiden Wörter »Kunst« und »Technik« umfasst, interessiert mich sehr. Ich sollte wohl eher sagen, dass mich diese sehr dringliche Art der künstlerischen Manifestierung interessiert, in dem die Künstlerin oder der Künstler mit Technik arbeitet, sie aber nicht nur als Werkzeug einsetzt, sondern als eine künstlerische Sprache. (Andererseits scheint diese Erläuterung tautologisch, wenn man die eigentliche Meinung des Wortes »Technik« betrachtet. Ich spreche hier aber von der Bedeutung, die der Begriff Technik für die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts hat). Um meine Antwort etwas zu vereinfachen, würde ich aber ganz allgemein sagen, dass ich mich für Medienkunst interessiere und dass mich Computerkunst, Videokunst und Performances besonders faszinieren. Aus einem theoretischen Interesse für die kuratorische Arbeit heraus bin ich sehr neugierig auf die Rolle der Kuratorin bzw. des Kurators in einem transnationalen Kontext. Unter Verwendung welcher Strategien sollte man ein Kunstwerkt in einem Kontext ausstellen, der vollkommen anders ist als der, in dem es geschaffen wurde?“
ZKM: Vielen Dank für das Interview
Zur Person
Caroline Menezes ist Kuratorin, Kunsthistorikerin und -kritikerin. Sie ist Mitherausgeberin des Buches »The Permanence of the Transient: Precariousness in Art« [Die Dauerhaftigkeit des Vergänglichen: Prekäre Lebensverhältnisse in der Kunstszene] (Cambridge Scholars Publishing, 2014) und veröffentlichte Artikel in Büchern und Kunstkatalogen wie z. B. dem Prospekt »30X Bienal– Transformations in Brazilian Art from the 1st to the 30th Edition« [Transformationen in der Brasilianischen Kunst von der 1. bis zur 30. Biennale] (Bienal São Paulo, 2013). Sie arbeitete viele Jahre als Kunstpublizistin für Zeitungen und Kulturmagazine in Lateinamerika und Europa wie die britische Zeitschrift »Studio International«, bei der sie seit 2006 zum Team gehört.
Zu ihren jüngeren Projekten als Kuratorin gehören die »Memorablia«, eine Einzelausstellung des portugiesischen Künstlers Rui Macedo am »Convento dos Capuchos« im portugiesischen Almada im Juli 2014 und die Ausstellung »Replay« des selben Künstlers im November 2013 am Museu Nacional da República in Brasília, Brasilien. Derzeit ist sie Mitglied der Kuratorengruppe »A Tool Box for Cultural Organization« [Werkzeugkasten für Kulturmanagement], die auf der 31. Biennale von São Paulo entstanden ist. Die jüngsten Ausstellungen, an denen sie mitgearbeitet hat, sind die »In Situ« im Museum für zeitgenössische Kunst im brasilianischen Niterói (MAC –Niterói) im Dezember 2014 und die »Primary Codes« im Kulturzentrum Oi Futuro, Rio de Janeiro im vergangenen Juni. Berufserfahrung in Museen sammelte sie im Jahr 2008, als sie im englischen Colchester als stellvertretende Direktorin der »Essex Collection of Art from Latin America« tätig war, wo sie für die Pflege und Verwaltung der Sammlung, das Betriebsbudget, künstlerische Leihgaben, die Zusammenarbeit mit Künstlern, Forschern oder Partnern sowie die Ausrichtung von Veranstaltungen und die Koordination von Künstlerresidenzen verantwortlich war.
Auf dem akademischen Gebiet arbeitete sie von 2013 bis 2014 als Dozentin im Rahmen des Studiengangs Bildende Kunst an der staatlichen Universität von Rio de Janeiro (UERJ), wo sie für praktisch und theoretisch orientierte Kurse für Kunstgeschichte und die Schönen Künste verantwortlich war. 2009 war sie als Gastdozentin für den Masterstudiengang Transnational Arts tätig. Zu ihren Aufgaben gehörte die Koordination der Ausstellung und der Publikationen für die Abschlussausstellung des Londoner Camberwell College of Arts. Sie ist Gründungsmitglied der »Study Group on Latin American Art & Theory«, einer Diskussionsgruppe der Londoner University of the Arts in Zusammenarbeit mit Forscherinnen und Forschern verschiedener Institute und Einrichtungen wie der Essex University oder der Tate Gallery, Künstlerinnen und Künstlern sowie unabhängigen Kuratorinnen und Kuratoren. Sie nahm an akademischen Konferenzen wie dem 30. Internationalen Kongress der Latin American Studies Association in San Francisco (USA) im Mai 2012 teil und berief eine der Sitzungen im Rahmen der »39. Art Historians Conference« im April 2013 an der englischen University of Reading ein.
Sie hat Kunstpädagogik studiert und an der brasilianischen Universidade Federal Fluminense im Bundesstaat Rio de Janeiro einen Bachelorabschluss in Medienwissenschaften mit dem Schwerpunkt Journalismus gemacht. Sie hat außerdem einen Masterabschluss in Kunstgeschichte an der University of Sussex in Brighton erworben, wobei sie durch das Alban-Programm, dem Programm der Europäischen Union für hochgradige Stipendien für (angehende) Akademikerinnen und Akademiker aus Lateinamerika, unterstützt wurde. Momentan promoviert sie im Fachbereich Kunsttheorie an der Londoner University of Arts.
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