Online-Überwachung in Deutschland im Vergleich zu Südafrika: Wichtige Lektionen

Im Interviews spricht der simbabwische Schriftsteller Ray Mwareya über seine Projekte, den Wert der Meinungsfreiheit und die Wichtigkeit der Aufklärung der Gesellschaft über Missstände.
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Ray Mwareya ist Schriftsteller aus Simbabwe. Unter anderem schreibt er über soziale Missstände, Ausbeutung und politische Verfolgung in Simbabwe, Südafrika und anderen afrikanischen Staaten.

IM GESPRÄCH MIT RAY MWAREYA

Während seines dreimonatigen Gastaufenthaltes am ZKM wird er die Möglichkeiten der Ausstellung »GLOBAL CONTROL AND CENSORSHIP« als Plattform für die weitere Arbeit an seinen Themen und für den Austausch mit JournalistInnen weltweit nutzen. Sein besonderes Interesse gilt dabei dem Datenjournalismus und digitalen Überwachungsmaßnahmen. Wir haben mit ihm über seine Projekte, den Wert freier Meinungsäußerung, die Gefahren der Digitalisierung und seine ersten Erfahrungen in Deutschland gesprochen. Die Macht des geschriebenen Wortes: Sozialer Wandel durch Investigation und frei zugängliche Informationen.

Stefanie Strigl: Ray, mir sind Sie als Schriftsteller und Journalist aus Simbabwe ein Begriff. Warum interessieren Sie sich so sehr für das geschriebene Wort?

Ray Mwareya: Weil ich aus einer Gegend in Afrika komme, wo sich Breitband-Internet immer noch nicht sehr durchgesetzt hat und nicht in großem Maße angenommen wird. Weniger als fünfzehn Prozent der Haushalte in Simbabwe haben Zugang zu WLAN, einem Telefon mit Festnetzanschluss oder zuverlässiges Breitband-Internet bei sich zu Hause. Die Mehrheit der Bürger in Simbabwe hat vor allem keinen Zugang zu High-Speed-Internet, über das Videos oder Audio-Medien rasch übermittelt werden können. Deshalb ist das geschriebene Wort auf dem Smartphone-Display der einfachste und effektivste Weg, um die Öffentlichkeit zu erreichen, wenn es um wichtige Themen zu Gesundheit, Kultur, Wirtschaft oder Gesellschaft geht.

STS: Als Journalist sind Sie ein Whistleblower, da Sie über soziale und politische Missstände in afrikanischen Ländern schreiben. Welche Hauptthemen haben Sie in der Vergangenheit behandelt – können Sie uns einige Beispiele nennen?

RM: Ich habe mich mit dem Thema der grenzüberschreitenden Migration in Südafrika beschäftigt. Ich habe die brutale Realität in Politik und Wirtschaft untersucht, die zur grenzüberschreitenden Migration führt. Ich habe enthüllt, wie junge Einwanderer-Mütter, die in Südafrika (dem Land mit der florierendsten Wirtschaft auf dem Kontinent) arbeiteten, von Arbeitgebern, die ihren Status als illegale Einwanderer ausnutzen, weder Geld in der Schwangerschaft noch Mutterschaftsgeld bekommen. Ich habe gezeigt, dass diese verzweifelten Mütter Schleuserbanden bezahlen, damit diese ihre neugeborenen Babys über die Grenze befördern, sodass die Familien und Großeltern sich um die Babys kümmern und sie selbst ihre Jobs retten können. Diese jungen Einwanderer-Mütter sind gezwungen, so zu handeln, weil sie ihre Jobs behalten möchten. Ich bin stolz, sagen zu können, dass ich aufgrund dieser Story der erste Journalist der Welt war, der den UNITED NATIONS / ILO GLOBAL MIGRATION FAIR REPORTING AWARD (Anm. d. Redaktion: Auszeichnung der Vereinten Nationen für faire Berichterstattung zu globaler Migration) erhielt. Es war das erste Mal, dass die UN eine solche Auszeichnung verliehen hat.

Ich habe auch einige Anstrengungen unternommen, um zu untersuchen, wie das organisierte Verbrechen und die Sklaverei die illegale Goldminen-Industrie in Südafrika vorantreiben. Ich habe in allen Einzelheiten offengelegt, wie internationale Syndikate arme Jungen aus instabilen afrikanischen Ländern entführen und sie ins Land schmuggeln, damit sie als Sklaven und ohne Bezahlung in den alten unterirdischen Minen in Südafrika Gold waschen. Ich habe aufgedeckt, wie Polizisten bestochen werden, damit sie über das Verhalten dieser Entführer, die kleine Jungen in Südafrikas Goldminen versklaven, hinwegsehen. Diese illegale Vorgehensweise breitet sich immer weiter aus und Teile des Goldes aus dieser Sklaverei gelangen auf die glitzernden Märkte im Ausland, zum Beispiel nach Belgien, Indien oder Dubai.

STS: Können Sie die Menschen durch Ihre Artikel für diese Probleme sensibilisieren?

RM: Ja. Nach der Veröffentlichung der Artikel führten Einsatzkräfte der Polizei weitreichende Razzien bei illegalen Goldsyndikaten in Springs, südlich von Johannesburg, der größten Stadt des Landes, durch. Leider hielt dies nur für eine kurze Zeit an. Geflohene Gold-Sklaven waren gerne bereit, sich mit meiner Geschichte zu identifizieren, und lieferten mir bereitwillig großartige Fotos und Interviews.

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    Freie Meinungsäußerung darf kein Luxusgut, sondern muss Standard sein!

    STS: Wir leben in Deutschland in einem Land mit Meinungsfreiheit. Leider trifft dies nicht auf Simbabwe zu. Wie wird Ihre Arbeit als Journalist von diesen Einschränkungen der Meinungsfreiheit beeinflusst?

    RM: In Simbabwe gibt es in Bezug auf die Medienfreiheit etwas, das ich als „Wohlwollen” bezeichne. Aufgrund der englisch geprägten Erziehung und einem im Allgemeinen sehr hohen Niveau an Erfolgen im öffentlichen Bildungssystem, verglichen mit afrikanischen Standards, wird Reportern beim Schreiben von kritischen Berichten ein beträchtliches Maß an Freiheit eingeräumt. Die Freiheit existiert, ist aber eingeschränkt. Reporter dürfen alles Mögliche über das Land schreiben, müssen aber Themen zu Militär und Sicherheit vermeiden. Ich glaube, die Medien in Simbabwe haben diese Einschränkungen inzwischen akzeptiert und – das kann man wirklich sagen – in Simbabwe zensieren die Medien sich selbst. Doch ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt ist die Finanzierung. Simbabwe steht momentan vor einer von Afrikas schlimmsten wirtschaftlichen Herausforderungen. Also haben die Medien kein Geld, um wichtigen Enthüllungsstorys nachzugehen. Das führt dazu, dass billige Geschichten, wie aus der Boulevardpresse, den Bereich der Medien dominieren und wichtige Enthüllungsberichte wegen der fehlenden Finanzierung eingestellt werden. Ohne Geld, und ich sage es noch einmal, zensieren die Medien in Simbabwe sich selbst.

    STS: Wegen Ihrer mutigen Berichte haben Sie bereits internationale Auszeichnungen erhalten – aber auch Drohungen. Wie gehen Sie mit diesem Widerspruch um?

    RM: Ich bin mir sicher, dass meine internationale Bekanntheit übereifrige Beamte davon abhalten wird, mir zu schaden.

     

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    Ray Mwareya

    Der Schlüssel liegt darin, die Öffentlichkeit darüber aufzuklären, dass die Meinungsfreiheit für den Erfolg eines Landes ebenso wichtig ist, wie eine gute Wirtschaftspolitik.

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    STS: Daran anknüpfend: Was ist für Sie der Schlüssel zur Meinungsfreiheit?

    RM: Der Schlüssel liegt darin, die Öffentlichkeit darüber aufzuklären, dass die Meinungsfreiheit für den Erfolg eines Landes ebenso wichtig ist, wie eine gute Wirtschaftspolitik. Und zwar ist das so, weil in afrikanischen Ländern, die gerade von einem raschen Wachstum profitieren, wie zum Beispiel Angola, Äthiopien oder Botswana, die Bevölkerung eher glaubt, dass Meinungsfreiheit ein Luxus ist, auf den sie verzichten können.

    Das öffentliche Bewusstsein um Zensur und Überwachung im digitalen Raum gilt es zu erforschen und zu stärken.

    STS: Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus? Haben Sie während Ihres Aufenthalts am ZKM vor, an bestimmten Themen zu arbeiten?

    RM: Mein Plan für die Zukunft ist der, die Fertigkeiten des Datenjournalismus zu verstehen. Ich möchte verstehen, wie Fertigkeiten auf dem Gebiet des Datenjournalismus eingesetzt werden können, um zu illegalem Steuermissbrauch in Afrika zu recherchieren und darüber zu berichten. Ein Großteil des Vermögens aus afrikanischen Steuergeldern wird von korrupten Beamten abgezweigt und auf ausländische Bankkonten transferiert. Mein Ziel am ZKM ist es, den Grad des öffentlichen Bewusstseins über Online-Zensur und -Überwachung in Deutschland und Südafrika zu vergleichen. In Deutschland ist die Online-Überwachung nach den Enthüllungen von Edward Snowden ein vieldiskutiertes Thema geworden und die Öffentlichkeit zeigt ein erfreuliches Maß an Bewusstsein darüber, was der Staat, die Geheimdienste oder kommerzielle Data-Miner tun. In Südafrika, wo ich einen Teil meiner Arbeitszeit verbringe, wird die staatliche Überwachung von Bürgern, die digitale Tools benutzen, immer rigoroser. Den Enthüllungen von WikiLeaks zufolge spioniert Südafrika seine Bevölkerung aus, ohne dazu die gerichtlichen Genehmigungen einzuholen. Leider wissen viele in Südafrika nichts davon, dass der Staat ohne Erlaubnis ihr Leben abbildet. Das ist also mein Forschungsthema – Online-Überwachung in Deutschland im Vergleich zu Südafrika. Wichtige Lektionen.

    STS: Was ist Ihr Eindruck von der Ausstellung »GLOBAL CONTROL AND CENSORSHIP«?

    RM: Mich beeindruckt die Mischung von futuristischer Technologie und Kunst. Die liberale Kultur am ZKM ist großartig und bewundernswert. Die Ausstellung ist sehr gut konzipiert und mich hat besonders die Erkenntnis aufgerüttelt, dass unverschlüsselte Kameras zu Hause und im Büro es den Behörden auf der ganzen Welt ermöglichen können, uns mit Hilfe unserer Kamera zu Hause auszuspionieren. Das war eine ziemlich erschreckende Erkenntnis für mich. Ich habe bereits so viel durch die Ausstellung gelernt. Ich hätte nichts dagegen, die Ausstellung jedes Jahr aufs Neue zu besuchen.

    STS: Sie sind zum ersten Mal außerhalb Afrikas unterwegs. Was ist für Sie der größte Unterschied?

    RM: Verglichen mit Afrika ist der Stand der Technik in Deutschland enorm. Bei der Automatisierung und Technologie ist Deutschland Afrika um Längen voraus. Ich habe hier auch etwas Wichtiges gelernt, nämlich, dass in Afrika, wenn es sein Wachstum beschleunigen will, Technologie mit Kunst, Verkehr, Gesundheit und allem vermischt werden muss. Ich muss sagen, dass die Straßen in Deutschland prima sind, was großartig für den Umweltschutz ist. Aber ich finde, dass die Menschen in Deutschland zu leise sprechen. Ich wünschte, man könnte auf der Straße lauter sprechen, so wie in Afrika. Haha. DANKE! Und ich liebe eure Fahrräder!

    Wir danken für diese persönlichen Einblicke und hoffen, noch Vieles über und durch Rays Arbeiten erfahren zu können!

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    Über Ray Mwareya

    Ray Mwareya stammt aus Simbabwe und ist als humanitärer Reporter beim Global South Development Magazine beschäftigt. Außerdem schreibt er für die London Guardian News, das Equal Times Magazine, The Mail and Guardian News, The Africa Agri Business Magazine, The Think Africa Press, Waging Non Violence Magazine, Earth Island Journal, The British Ecologist Magazine, Canada Broadcasting Corporation und The Irish Sunday World.

    Als Journalist ist Ray Mwareya eine Art Whistleblower. Seine mutige Berichterstattung zu sozialen Missständen, Folter und Versklavung von Arbeitern, Korruption, Ausbeutung und politische Verfolgung in Simbabwe, Südafrika und anderen afrikanischen Staaten brachte ihm internationale Auszeichnungen ein – aber auch Gegenwind: In Simbabwe wird er seit Jahren selbst verfolgt.

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