Beschreibung
Zum Abschluss der Veranstaltungsreihe »Writers for Freedom« widmete sich das ZKM | Karlsruhe dem Schicksal der chinesischen Dichterin und Künstlerin Liu Xia, die seit der Verleihung des Friedensnobelpreises an ihren Mann Liu Xiaobo im Jahr 2010 unter strengem Hausarrest lebt – permanent überwacht und isoliert. Als Gefangene in ihren eigenen vier Wänden darf sie weder uneingeschränkt Besuch empfangen, noch unbeobachtet die Wohnung verlassen oder telefonieren wann und mit wem sie möchte. Sogar die freie Arztwahl wurde der herzkranken und unter schweren Depressionen leidenden Künstlerin verwehrt.
Doch trotz der harten Restriktionen konnten inzwischen einige Werke Liu Xias einem internationalen Publikum zugänglich gemacht werden: Im Frühjahr 2015 wurde im Rahmen einer rund 50 Objekte umfassenden Schau im Martin-Gropius-Bau in Berlin ihr fotografisches Werk vorgestellt, im November 2015 erschien bei dem US-amerikanischen Verlag Graywolf Press der zweisprachige Gedichtband »Empty Chairs« (chinesisch/englisch).
Als Lesepatin konnte das ZKM Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller gewinnen, die sich seit Langem vehement für die Freiheit des Wortes einsetzt und in ihren Werken immer wieder sprachgewaltig die Schrecken des Totalitarismus skizziert. In Rumänien aufgewachsen, erlebte sie in der Diktatur Ceauşescus selbst, was es bedeutet, ständiger Überwachung ausgesetzt zu sein und in einem Land zu leben, in dem die eigene kritische Haltung zur Gefahr werden kann.
Der Auftritt im ZKM stellt eine Fortsetzung von Herta Müllers Einsatz für die chinesische Kollegin dar, zu deren erwähntem Gedichtband »Empty Chairs« sie im vergangenen Jahr etwa bereits ein Vorwort beisteuerte, in dem sie die eindringliche Lyrik Liu Xias beleuchtet und als ein zentrales Motiv die Zeit ausweist, derer die unter Hausarrest stehende Autorin beraubt wird: »In these poems, time is exactly what it is in the everyday life of the author: stolen by the state.« (Herta Müller)
Wie ernst Herta Müller ihre Rolle als Lesepatin nahm, zeigt vor allem die Tatsache, dass sie eigens für die Veranstaltung im ZKM gemeinsam mit der Dolmetscherin und Übersetzerin Yeemei Guo deutsche Versionen einiger Gedichte Liu Xias erarbeitet hatte. Mit dieser wunderbaren Geste trug sie in besonderer Weise dem Bestreben des PEN Rechnung, Texte inhaftierter und bedrohter AutorInnen in deutscher Sprache zugänglich zu machen.
Moderiert wurde die Veranstaltung von Gerwig Epkes (SWR2 LiteraturEN), Hintergrundinformationen zur Situation Liu Xias sowie zur prekären Lage zahlreicher SchriftstellerInnen weltweit lieferte der Vizepräsident und Writers-in-Prison-Beauftragte des deutschen PEN-Zentrums, Sascha Feuchert.
Writers for Freedom im Rahmen der GLOBALE
Das Projekt Writers for Freedom wurde im Jahr 2015 am ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe ins Leben gerufen und widmete sich in Kooperation mit dem PEN-Zentrum Deutschland und der Literarischen Gesellschaft Karlsruhe sowie mit Unterstützung national und international renommierter SchriftstellerInnen als Lesepaten der wichtigen Aufgabe, öffentlich auf das Schicksal weltweit inhaftierter und bedrohter AutorInnen aufmerksam zu machen. Seit Beginn der Reihe waren Liao Yiwu, Enoh Meyomesse, Hans Thill und Jan Wagner zu Gast.
Videodokumentation:
ZKM | Institut für Bildmedien
Kamera: Martina Rotzal, Christina Zartmann
Schnitt: Johannes Maag