Peter Weibel: Eröffnungsrede
Zur Finissage der Ausstellung »Making Things Public« am 2. Oktober 2015
Der Anlass dieses Banketts ist einerseits das Ende der Ausstellung am morgigen Tag. Diese Ausstellung wurde am 18. März 2005 eröffnet und hat also insgesamt ca. 7 Monate gedauert. Bei der Eröffnung konnten wir nicht ahnen, dass in Deutschland eine Neuwahl caesaristisch vom Zaun gebrochen wird und dass die Bewegungen für eine europäische Verfassung teilweise auf wenig Zustimmung trafen. Diese beiden Ereignisse zeigten, wie richtig die Wahl unseres Themas war. Deswegen haben wir auch in den letzten Monaten mit dem Slogan für die Ausstellung geworben »Die Ausstellung zur Wahl«, damit Sie wissen, was zur Wahl steht und haben auf dem Plakat schon entsprechend die Zeile »Demokratie« markiert - also eine Stimmenempfehlung für die Demokratie als bindend abgegeben. Offensichtlich haben wir weder der Politik noch den Wählern getraut.
Dies hat mit der zentralen Aussage der Ausstellung zu tun, die darin bestand, ins Zentrum der politischen Philosophie nicht wie üblich die Ökonomie zu stellen, die berühmte ökonomische ette im doppelten Sinne, die ökonomische Transferkette, wie die Kette, die sich die Politik anlegt, wenn sie nur ökonomisch denkt. Wir haben uns also nicht auf die berühmte Wertschöpfung als Zentrum der Politik eingelassen, auch nicht auf das klassische Problem der Ökonomie, das Transformationsproblem, das da lautete »Wie werden aus Werten Preise?«. Wir haben uns zweitens aber auch nicht in logischer Folge darauf eingelassen, die Arbeit ins Zentrum des politischen Denkens zu stellen, unter anderem weil die Arbeitszeit ja Ricardo bis Marx, den Wert einer Ware wesentlich mitbestimmt, also die Wertfrage, die Wertschöpfung nicht ohne die Arbeitsfrage gelöst werden kann und wir heute erleben, dass in fortgeschrittenen Wohlfahrtsstaaten in Europa diese Gleichungen nicht mehr in dem Maße funktionieren, wie wir es wünschen.
Wir haben daher ins Zentrum unserer politischen Philosophie die Dinge gestellt, weil eben im Begriff »Republik«, in den Worten »res publica«, die Dinge eben als Ursache der Politik und als Ziel der Politik angegeben wird und die Politik beim Namen genannt wird mit dem Namen der Dinge. Die öffentliche Sphäre ist die Sphäre der öffentlichen Angelegenheiten, der Dinge. Und die politische Sphäre besteht zu einem Großteil aus der öffentlichen Sphäre, das heißt den Debatten über die Dinge. Daher wird es Sie nicht wundern, dass wir darauf hingewiesen haben, dass sowohl das deutsche Wort »Ding« wie auch das englische Wort »thing« als Ursprungswort, als etymologische Herkunft, das Wort »thing« haben und »thing« soviel bedeutet wie »Versammlung« Darum heißt heute auch im Dänischen das Parlament »Volkeding«, Versammlung des Volkes. Vom Französischen »Assemblé« bis zur berühmten »Assemblyline«, wo sich die Arbeiter sich am Flließband versammeln, um ein Ding zu produzieren, sehen wir die Wirkungsmächtigkeit des Begriffes »thing« als Versammlung.
Daher hat Bruno Latour in seiner Schrift von der Realpolitik, die Ausdruck eines bloß pragmatischen Verhältnisses zur Macht und Machbarkeit ist, zur Dingpolitik propagiert - »back to the things«. Diese Rückkehr zu den Dingen ist also die Grundlage der Republik, der res publica, der öffentlichen Dinge, und deswegen auch dieses Bankett der öffentlichen Dinge, dieses republikanische Bankett, wo Sie selbst durch Ihre Anwesenheit die Öffentlichkeit herstellen. Wir haben daher acht Autoren des Katalogs gebeten, in ca. fünf bis acht Minuten Statements über die Lage und den Zustand jenes Dings, das uns im Augenblick besonders am Herzen liegt – nämlich das Ding »Europa«, also über eine mögliche Verfassung für Europa. Da wir im Augenblick erleben, wie im Namen der Globalisierung bisherige Standards des Rechts- und Sozialstaates aufgekündigt werden, schien es uns besonders wichtig, die Autoren zu bitten, über eine mögliche und wünschenswerte Verfassung für Europa nachzudenken.