Eine filmische Auseinandersetzung mit der Ausstellung »Critical Zones«
Ein Beitrag der Seminar-Exkursion der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF
Die Seminar-Exkursion von der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF hat sich vier Tage lang der Ausstellung »Critical Zones« sowie den Büchern »Das terrestrische Manifest« von Bruno Latour und »Unruhig Bleiben: Die Verwandtschaft der Arten im Chthuluzän« von Donna Haraway gewidmet. Studierende unterschiedlicher Fächer und Jahrgänge, eine Doktorandin und zwei Professorinnen haben in der Ausstellung Dialoge geführt über Themen wie »Terrestrisch-Werden«, »Tentakuläres Denken«, »Symbiogenese«, »Gaia« oder das »Chthuluzän« – ein neues Zeitalter des Lernens, welches eine Möglichkeit sein könnte, das anthropozentrische »Kapitalozän« zu überwinden. Durch die im Seminar thematisierte Kritik an Bruno Latour einer kanadischen Métis-Anthropologin und Wissenschaftlerin für indigene Studien, Zoe Todd, wurde das Konzept »Silap Inua« mit der Ausstellung in Verbindung gebracht.
Die Ergebnisse des philosophisch-künstlerischen Seminars liegen nun in filmischer Form vor.
Prolog – Tentakulär Denken
Christine Reeh-Peters: »Tentakulär Denken«
Das Video ist Einleitung und Auftakt der kleinen Filmreihe und bildet eine Immersion in die eigenwilligen Wortschöpfungen und denkerischen Verknüpfungen Donna Haraways. Die ineinander verwobenen Stimmen der Seminarteilnehmer:innen sprechen einzelne Begriffe aus, mit denen sie sich besonders intensiv auseinandergesetzt haben; diese verschränken sich – schlängelnden Tentakeln gleich – mit dem Bild, welches Ebene um Ebene die geisterhaft leere Berliner Hauptbahnhofshalle abtastet: unerwartete Sinnbildungen und Fragen ergeben sich an diesem unruhigen Ort des Durchgangs, der ein Sinnbild genau jener modernen Lebensweise ist, die es kritisch neu zu denken gilt.
Prof. Dr. Christine Reeh-Peters ist Juniorprofessorin für Theorie und Praxis künstlerischer Forschung in digitalen Medien an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF.
IMPULSE RESPONSE
Michael Kondaurow: »IMPULSE RESPONSE«
Die Ausstellung »Critical Zones« basiert auf digitaler Technik und setzt eine Maschine in (elektronische) Bewegung. Sie sticht und reibt, sie summt und raucht, bis sie zurückkommt und die rezipierende Person affektiv trifft. Jeder Klang der Arbeit »IMPULSE RESPONSE« stammt von Aufnahmen, die Michael Kondaurow während des Ausstellungsbesuchs gemacht hat. Diese wurden in der Postproduktion bearbeitet und verfremdet.
Michael Kondaurow studiert im MA-Studiengang »Sound for Picture« an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF.
Silap Inua
Mareike Almedon: »Silap Inua«
Kristina Mareike Almedom greift ein von den Inuit geprägtes Konzept auf: »silla« ('possessor of spirit', ᓯᓚᑉ ᐃᓄᐊ) oder auch »Silap Inua« ('breath, spirit', ᓯᓪᓚ) wird im Video zu einem die Welt befreienden und alles durchdringenden Atem. Silla ist ursprünglich ein Geist des Himmels, des Windes und des Wetters, aber auch der Atem des Lebens selbst. Dieser Idee stellt Almedom die Bilder einer industriellen Landschaft des kapitalistischen Systems und die daraus folgenden ökologischen Probleme auf poetische Art gegenüber.
Kristina Mareike Almedom ist Dramaturgin und studiert im 6. Semester im MA-Studiengang »Drehbuch/Dramaturgie« an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF.
Sila, Silap Inua, Silla
Alisi Telengut: Sila, Silap Inua, Silla
„Das Wort ‚sila‘ hat mehrere Bedeutungen, am häufigsten bezieht es sich auf die Umgebung, wie zum Beispiel die Phrasen silami qanuippa? (wie ist das Wetter?) oder silaup asijjipallianinga (Klimawandel). Die andere Bedeutung von sila bezieht sich jedoch auf Weisheit oder Klugheit wie in silatujuq (er/sie/es ist intelligent, vernünftig oder weise).“ (Übersetzung von: Keavy Martin. »Stories in a New Skin: Approaches to Inuit Literature« (2012).) In ihrer Videoarbeit thematisiert Alisi Telengut diese Vielschichtigkeit des Wortes »sila« und setzt sie mit dem Begriff der »kritischen Zonen« in Verbindung.
Alisi Telengut ist Animationsfilmemacherin und seit 2019 Doktorandin des wissenschaftlich-künstlerischen Promotionsprogramms der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF.
Make Nature Great
Angelica Böhm: »Make Nature Great«
Angelica Böhm geht es in ihrer künstlerischen Forschung darum, die Expertise der filmischen Szenographie für die Visualisierung positiver Zukünfte zur Erreichung der Klimaziele einzusetzen. Statt der üblichen Sci-Fi-Dystopien werden mögliche Lösungsideen imaginiert und in Szenarien greifbar gemacht. Diese werden in Concept Designs dargestellt. Das Video »Make Nature Great« bezieht sich auf diese Technik und ist ein Appell, nicht ausschließlich menschliche Belange in den Vordergrund zu stellen. Es ist eine Reflexion und ein innerer Dialog mit der Ausstellung »Critial Zones« und dem im philosophisch-künstlerischen Seminar hergestellten Bezug zu den Theorien Donna Haraways.
Prof. Angelica Böhm ist Professorin für Szenographie an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF.
Weiterführende Links:
Mit der Beobachtung beginnen
Florian Merz: »Mit der Beobachtung beginnen«
Die Arbeit bezieht sich auf den gleichnamigen ersten Bereich der Ausstellung »Critical Zones« und versteht ihn als Handlungsaufforderung, tatsächlich mit dem Beobachten zu beginnen, und zwar hier und jetzt. In seinem Video überträgt Florian Merz daher die Aufgabe des Beobachtens in die Alltagskultur und betrachtet die Videokultur junger Influencer anhand eines erfundenen Beispiels. Der Protagonist gibt als Youtube-Blogger vermeintlich gute Tipps für die Gesundheit und bittet dafür um besonders viele »Likes«, also positive Reaktionen der Zuschauer:innen. Merz distanziert sich kritisch beobachtend und zeigt auf, dass der Fortbestand bedenklichen Handelns zu großen Teilen in unreflektierten (auto)didaktischen Prozessen wurzelt.
Florian Merz studiert im 6. Semester im BA-Studiengang »Drehbuch/Dramaturgie« an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF.
Texte und Videobeiträge aus dem Seminar von Prof. Dr. Christine Reeh-Peters in Zusammenarbeit mit den Studierenden der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF.