Games and Politics
Die von Goethe-Institut und ZKM entwickelte Tourneeausstellung »Games and Politics« reist um die Welt und zeigt die Bandbreite des Computerspiels als politisch und sozial relevantes Medium auf.
Nach Stationen an den Goethe-Instituten in Mexiko-Stadt, San Francisco, Boston & Cambridge, Jakarta, Hanoi, Sao Paulo sowie Manila und Nowosibirsk 2017, war das Ausstellungsprojekt 2018 in Singapur, Nancy, Skopje, Bangkok, Luxemburg, Kuala Lumpur, Yangon, Wellington und Madrid zu sehen. 2019 und 2020 folgen weitere Stationen in Brüssel, Rijeka, Istanbul, Nikosia, Belgrad, Sarajewo, Ramallah, Colombo, Chennai, Mumbai, Neu-Delhi und Toronto!
Computerspiele transportieren realweltliche Bezüge, Bedeutungen und Ideologien. Sie können politische und soziale Medien sein, im positiven aufklärerischen wie im verführenden, propagandistischen Sinne, wie die GLOBALE-Ausstellung »Global Games«, welche 2015–2016 am ZKM zu sehen war, zeigte.
Ob Computer-Spiele als Politikum, Unterhaltungsmedium oder Kunst gesehen werden, ist vor allem eines: kontextabhängig. Jedes Spiel verortet sich in einer Gesellschaft und thematisiert sie zugleich.
Eine politische Relevanz kann tendenziell für sämtliche Computer-Spiele postuliert werden, auch und gerade dann, wenn sie sich jeglicher politischer Handlung zu entziehen scheinen. Denn selbst in diesen Spielen gilt: Die Spielenden erteilen Anordnungen, müssen aber ihrerseits nach den Regeln des Spiels spielen, um überhaupt spielen zu können. Am anderen Ende dieses Spektrums stehen Spiele, die mit Blick auf eine ansonsten schwer zu erreichende Zielgruppe bewusst zu Zwecken politischer Bildung oder für Propagandaziele eingesetzt werden.
Anhand offensichtlich politisch ambitionierter Computerspiele der letzten zwölf Jahre fragt das Ausstellungsprojekt nach Möglichkeiten und Grenzen des Genres, eine Gegenposition innerhalb der Unterhaltungsindustrie zu entwerfen.
Diese Gegenposition kann zum einen im Durchspielen der Kontingenz politischen Entscheidens selbst formuliert werden, zum anderen im explizit kritischen Aufzeigen gesellschaftlicher Zu- und Missstände. Denn das eint alle in der Ausstellung gezeigten Spiele: Prekäre Arbeitsverhältnisse werden in ihnen genauso thematisiert wie Genderproblematiken, der Überwachungsstaat, die Folgen kriegerischer Auseinandersetzung, der Umgang mit Geflüchteten oder Revolutionen gegen totalitäre Systeme.
Doch kann das Spiel in der Kunstinstitution Museum überhaupt noch ein politisches sein? Und ist das Computerspiel ein geeignetes Medium, sich mit solch komplexen politischen Themen auseinanderzusetzen?
Mit der Ausstellung reagiert das ZKM auf Entwicklungen im Bereich des Computerspiels, einem Medium, das von der Infosphäre hervorgebracht worden ist. Die Effekte der Globalisierung und realweltliche Bezüge schlagen sich deutlich in Computerspielen nieder. Games thematisieren beispielsweise den Syrien-Konflikt, den Einsatz von Drohnen in Kriegsgebieten (»Unmanned«), weltwirtschaftliche Zusammenhänge des globalisierten Finanzmarktes (»Cart Life«), Überwachung (»Vigilance 1.0«, »Touch-Tone«), die Situation von Flüchtlingen an den europäischen Grenzen (»Frontiers«, »From Darkness«), soziale Missstände, hervorgerufen durch den Turbokapitalismus (»Outcasted«), Gender-Fragen (»Perfect Woman«, »Dys4ia«) und vieles mehr. Sie werfen moralische Fragen auf (»Papers, Please.«) und geben Geschichtsstunden (»The Cat and the Coup«).
Die Effekte der Globalisierung und realweltliche Bezüge schlagen sich deutlich in Computerspielen nieder.
Computerspiele sind keinesfalls ein rein westliches Phänomen, sondern vielmehr als globales Medium aufzufassen. Nicht nur User spielen global vernetzt miteinander, sondern auch überall auf der Welt werden Games produziert. Weniger bekannt sind Computerspielproduktionen aus dem arabischen Raum und dem Nahen Osten. Zwei Beispiele aus Syrien und dem Iran: Die vom syrischen Verlag Dar al-Fikr publizierten Shooter »Under Ash« (2001) und der Nachfolger »Under Siege« (2005) inszenieren den Kampf gegen Israel aus palästinensischer Sicht während der zweiten Intifada zwischen 1999 und 2002. Die Iran Computer & Video Games Foundation fördert iranische Spiele und tritt auch auf Computerspielmessen wie der Kölner Gamescom auf.
Das Spiel »Phone Story« zeigt die Schattenseiten des iPhone und wird gerade deshalb von Apple im App Store zensiert.
In der Ausstellung kann man »Phone Story« auf einem iPhone spielen – so wie es gedacht ist. Games können also auch als Lernmittel eingesetzt werden, wie zum Beispiel »Kerbal Space Program« oder »Ludwig«, das im Physikunterricht in Schulen Verwendung findet. Das Spiel »Die Müll AG« möchte über Mülltrennung aufklären und vor allem Kinder für das Thema sensibilisieren.
Die prozedurale Rhetorik wird auf der anderen Seite auch als Propaganda eingesetzt wie das Spiel »America's Army« beweist, das von der US-Regierung als Rekrutierungswerkzeug in Auftrag gegeben wurde und kostenlos zur Verfügung gestellt wird. In der Independent-Szene entwickeln sich aber auch erste Anzeichnen eines Bewusstseins für Antikriegsspiele, wie beispielsweise das deutsche Spiel »Spec Ops: The Line« zeigt. In der Ausstellung wird zudem das Spiel »This War of Mine« des polnischen Entwicklers 11 bit studios gezeigt, das die Geschehnisse eines Krieges aus der Perspektive von Zivilisten erfahrbar macht.
Computerspiele kommentieren aktuelles Geschehen in der Welt. Das Spiel »September 12th: A Toy World« von Gonzalo Frasca aus Uruguay zeigt auf einfache, karikaturistische Weise die Spirale der Gewalt, die durch den amerikanischen War on Terror weiter angestoßen und zementiert worden ist. Das Spiel »Yellow Umbrella« bezieht sich direkt auf die jüngsten Proteste in Hongkong.
Als weiteres Beispiel für eine Karikatur steht »Faith Fighter« von Paolo Pedercini. In dem Beat 'em up, das an Klassiker des Genres wie »Street Fighter II« angelehnt ist und dessen stereotypische – und sogar rassistische – Darstellung von Kämpfern aus der ganzen Welt ironisch aufnimmt, treten Vertreter der großen Weltreligionen gegeneinander an. Jesus kämpft unter anderem gegen Buddha und Mohammed.
»Games and Politics« zeigt also die Bandbreite des Computerspiels als politisch und sozial relevantes Medium auf und regt nicht nur zum Spielen, sondern auch zum Nachdenken und Hinterfragen an!
Am scheinbaren Paradox des ernsten Spiels – des »Serious Game« – zeigt sich daneben auch die Verwissenschaftlichung unserer Kultur und die Hinwendung zu neuen Werkzeugen: Computerspiele sind eine populäre Form, durch die sich gesellschaftlich relevante Prozesse von Globalisierung, Medienumbrüchen und Digitalisierung anschaulich präsentieren lassen. Sie sind mächtige neue Tools.
Stationen der Ausstellung:
2020 | Toronto, Kanada | |||
2020 | Region SAS (Colombo, Chennai, Mumbai, Neu-Delhi), Indien | |||
2020 | Ramallah, Westjordanland | |||
Juli 2019 | Banja Luka über Goethe-Institut Sarajewo, Bosnien/Herzegowina | |||
Mai–Juni 2019 | Belgrad, Serbien | |||
11.05.–02.06.2019 | Goethe-Institut Peking, China | |||
23.04.–15.05.2019 | Goethe-Institut Lagos, Nigeria | |||
08.04.–20.05.2019 | Nikosia, Zypern | |||
05.04.–18.05.2019 | ||||
29.03.–27.04.2019 | Goethe-Institut Shanghai, China | |||
22.02.–16.03.2019 | Istanbul, Türkei | |||
17.01.–06.02.2019 | Goethe-Institut Zagreb, Rijeka, Kroatien | |||
01.01.–28.02.2019 | L'Iselp, Brüssel, Belgien | |||
21.09.–03.11.2018 | Conde Duque Madrid, Spanien | |||
16.08.–23.09.2018 | Physics Room Jamie Hanton, Wellington/ Christchurch, Neuseeland | |||
10.07.–23.07.2018 | Goethe Villa, Yangon, Myanmar | |||
09.05.–09.06.2018 | Athener Konservatorium, Athen, Griechenland | |||
04.05.–20.05.2018 | Lostgens' Art Space, Kuala Lumpur, Malaysia | |||
20.04.–21.05.2018 | Abtei Neumünster, Luxemburg | |||
17.03.–12.04.2018 | Commde-Design Center, Bangkok, Thailand | |||
07.02.–25.02.2018 | FINKI-Fakultät für Informationswissenschaften und Computer-Ingeneurwesen, Skopje, Nord-Mazedonien | |||
30.01.–23.02.2018 | ||||
12.01.–12.02.2018 | Kult Galery, Singapur | |||
12.10.–05.11.2017 | Pobeba Nowosibirsk, Russland | |||
21.09.–21.10.2017 | Ateneo de Manila University, Quezeon City Manila, Philippinen | |||
04.08.–27.08.2017 | Goethe-Institut Hanoi, Vietnam | |||
08.05.–27.05.2017 | Goethe-Institut Jakarta, Indonesien | |||
24.06.–30.07.2017 | Centro Cultural de Sao Paulo, Brasilien | |||
21.04.–21.05.2017 | Boston Cyberarts Gallery, Boston, USA | |||
07.04.–08.04.2017 | Deutsch-Amerikanische Konferenz in Harvard | |||
10.04.–14.04.2017 | Goethe-Institut Boston & MIT GameLab, USA | |||
07.04.–21.05.2017 | Goethe-Institut Boston & Cambridge, USA | |||
15.03.–29.03.2017 | Goethe-Institut Washington, USA | |||
17.02.–03.03. 2017 | Goethe-Institut San Francisco, USA | |||
16.11.2016–15.01.2017 | Goethe-Institut Mexiko-Stadt, Mexiko |
zkm_gameplay. the next level
Die aktuelle ZKM-Ausstellung »zkm_gameplay. the next level« lädt euch ein – lesend und spielend – Einblick in die Geschichte und Gegenwart des Computerspiels zu gewinnen.
Die Spieleplattform gliedert sich in fünf Themenbereiche: 1. die Anfänge der Computerspielekultur, 2. Spiele, die auf besondere Weise erzählen, 3. Spiele, die mit neuen Interfaces experimentieren, 4. Spiele, die gesellschaftliche und politische Themen aufgreifen und 5. ein Blick auf die aktuellen Entwicklungen und spielerische Experimente.
Hier erhältst Du eine Übersicht und eine Auswahl der präsentierten Werke:
Organization / Institution
-
Eine Kooperation von