Making Things Public
Atmosphären der Demokratie
So, 20.03. – Mo, 03.10.2005
Die Ausstellung »Making Things Public« wagt die Erneuerung des Politischen aus dem Geiste der Kunst und der Wissenschaft. Diese ungewöhnliche Ausstellung baut auf der Ausstellung »Iconoclash« (ZKM 2002) auf, welche die Krise der Repräsentation in der Kunst behandelte, während »Making Things Public« das Problem der Repräsentation in der Politik entfaltet.
In diesem bahnbrechenden Projekt überdenken mehr als hundert Künstler, Wissenschaftler, Soziologen, Philosophen, Historiker den Begriff »Politik« neu. In einer Zeit, in der viele Menschen an der Politik zweifeln und verzweifeln, ist es dringlich notwendig, nicht die traditionellen politischen Antworten auf die Probleme der Zeit zu erhalten, sondern die Frage nach dem Politischen selbst neu zu stellen.
Wir haben uns an eine Auffassung von Demokratie gewöhnt, in der es nur um eine Art der Repräsentation geht, nämlich um die Repräsentation des Volkes bzw. der Interessen von Menschen, deren Konflikte im Parlament gelöst werden. Wir denken also bei Demokratie an eine repräsentative parlamentarische Demokratie. Der hier vorgetragene neue Begriff des Politischen blendet die Repräsentationsstrategien der Wissenschaft und Kunst nicht aus, sondern erweitert im Gegenteil die bisherigen politischen Repräsentationstechniken um Wissenschaft und Kunst. Anstatt nach mehr Demokratie nur in der professionellen Politik zu suchen, lenken wir die Aufmerksamkeit auf die neuen atmosphärischen Bedingungen des Demokratischen, ein komplexes Set von Technologien, Schnittstellen, Plattformen, Netzwerken und Medien, die Dinge öffentlich werden lassen.
Wir gehen also zurück auf die Dinge der Natur, der Menschen, der Kunst, die das Politische begründen, und fragen gleichzeitig, was sind diese Dinge? Wir fragen, wie entstehen Dinge? Wie werden Dinge öffentlich gemacht? Was sind öffentliche Dinge, res publica? Republik?
13 Themenbereiche
Die Ausstellung gliedert sich in dreizehn Themenbereiche. »Bitte keine Politik« untersucht Versammlungsarten anderer Kulturen. Für »Das Puzzle der zusammengesetzten Körper« und »Die gute und die schlechte Regierung« ist das Thema des Sammelns, des Zusammenbringens von wesentlicher Bedeutung. In dem Abschnitt »Welche Versammlung für diese Versammlungen?« sieht der Besucher, dass es viele andere Arten des Zusammenkommens gibt, die zwar nicht politisch im herkömmlichen Sinn des Wortes sind, aber in denen sich eine Öffentlichkeit um Dinge wie wissenschaftliche Labors, technische Projekte, Supermärkte, Finanzplätze, Kirchen formiert – »Der Markt ist auch ein Parlament«. Es geht aber auch um die strittigen Fragen der natürlichen Ressourcen wie Flüsse, Landschaften, Tiere, Temperatur und Luft – »Die Parlamente der Natur«. All diese Phänomene haben zu einer verwirrenden Bandbreite von Repräsentationstechniken geführt, welche die reale politische Landschaft, in der wir leben, atmen und diskutieren, geschaffen haben. Können diese Objekte, die sicherlich Ansammlungen darstellen, in wirkliche Versammlungen verwandelt werden?
Ein nächster Abschnitt zeigt: Auch Parlamente sind komplexe Technologien. Statt zu behaupten, dass Abstimmen, Reden, Diskutieren und Entscheiden seltsam anmutende Mechanismen seien, beginnt der Besucher, diese Prozesse wegen ihrer fein gegliederten und ausbalancierten Vermittlungsstruktur mit großem Respekt zu betrachten. Demokratie wird in diesem Abschnitt nicht nur in der offiziellen »Sphäre« professioneller Politik gesehen, sondern die Aufmerksamkeit wird auf die neuen Bedingungen gelenkt, die es ermöglichen, dass Dinge öffentlich gemacht werden – keine Vermittlung, keine Repräsentation. Der nächste logische Schritt ist es, sich vorzustellen, was repräsentative Versammlungen erreichen können, wenn sie all die zuvor betrachteten Vermittlungstechniken nutzbringend anwenden würden. Hiermit begibt sich der Besucher in den letzten Teil der Ausstellung und stellt sich die Zukunft der Politik vor, wo Eine neue Eloquenz und Neue politische Leidenschaften entwickelt werden.
Beim Verlassen der Ausstellung wird klar, dass das Repertoire an Haltungen und Leidenschaften, die üblicherweise mit dem Einnehmen eines politischen Standpunkts verbunden werden, entschieden zu eng gefasst ist. In anderen, nichtwestlichen Traditionen, in den alten politischen Philosophien, in den meisten Bereichen der modernen Wissenschaft und Technologie, in den neuen Räumen im Internet und in den Instrumenten der Repräsentation, von denen Parlamente nur einen Teil darstellen, gibt es zahlreiche andere Möglichkeiten, politisch zu reagieren. Warum also nicht eine »objektbezogene Demokratie« ausprobieren und »zurück zu den Dingen« gehen?!
Die Phantom-Öffentlichkeit
Während des Aufenthalts in der Ausstellung hinterlässt der Besucher zahlreiche Spuren, die das Phantom Öffentlichkeit aktivieren, und dieses Phantom wiederum hinterlässt Spuren im Besucher. Ohne sich darüber vollständig klar zu werden, wird er gleichzeitig Akteur und Projektionsfläche eines unsichtbaren Kunstwerkes, welches danach strebt, das neue Gemeinwesen zu visualisieren und mit Substanz auszustatten. Das gemeinsame Erforschen der unbeabsichtigten und unerwarteten Auswirkungen unserer Handlungen war in den Worten des großen amerikanischen Philosophen John Dewey die einzige Möglichkeit, „die Öffentlichkeit entstehen zu lassen“. Genau dieses versuchen wir mit den Besuchern der Ausstellung zu erreichen: Sie werden in neuen Gruppierungen zusammengeführt und werden so Teil von einem vollständig neuen Ding, einer neuen Versammlung.
Impressum
- Kurator/in
- Kurator/in
Team
Heike Ander (Projektleitung)
Martin Häberle (Technische Projektleitung)
Sabine Himmelsbach (Projektleitung)
Nicolaus Hirsch (Ausstellungarchitektur)
Michel Müller (Ausstellungarchitektur)
Valérie Pihet (Projektleitung)
Organisation / Institution
Sponsoren
Landesbank Baden-Württemberg ; Ministerium für Wissenschaft und Forschung Baden-Württemberg ; Culture 2000 ; Mondrian Stiftung ; GFT ; ProHelvetia ; VISENSO, Visual Engineering Solutions ; Wanzl ; HP ; Virtual Dimension Center, St. Georgen ; HLRS ; Johannes und Mindy Mann [Europäische Union]