Gilles Deleuze und die Künste: Wiederholung und Differenz
Fr, 24.10.2003 – So, 26.10.2003, Symposium

„Eines Tages wird das Jahrhundert vielleicht deleuzianisch sein.“ [Michel Foucault]

Gilles Deleuze [1925–1995] war mehr als einer jener Universitätsprofessoren, die viel gelesen und [meist wenig] geschrieben haben. Er war ein Philosoph, der sich am Ende seines Lebens die Frage stellte: Was ist Philosophie? Worin unterscheidet sie sich von Kunst und Wissenschaft? Ist sie selbst eine Kunst, die Begriffe erfindet? Rhizomatik, Nomadologie, Wunschmaschinen, nichtorganisches Leben, Deterritorialisierung, Ritornell, »agencement« [Gefüge], – das sind einige Begriffe, die Deleuze erfunden hat. Oder resultieren diese Termini aus der Zusammenarbeit mit seinem Freund, Félix Guattari [1930–1992], mit dem er seine wichtigsten Bücher gemeinsam verfasst hat?

Philosophie ist Freundschaft. Deleuze philosophiert mit Freunden, schreibt Bücher mit ihnen, über sie: Spinoza, Leibniz, Hume, Kant, Nietzsche, Bergson, Foucault… Aber es müssen nicht Philosophen sein, ebenso sehr liebt er die Dichter, Komponisten, Künstler: Melville, Proust, Kafka, Lawrence [beide], Carroll, Artaud, Beckett, Luca…, Bacon, Klee…, Godard, Resnais, Welles…, Boulez, Schumann, Berio.

Deleuze nennt Kunst einen Empfindungsblock aus Perzepten und Affekten und die Künste, an denen er das exemplifiziert, sind Literatur, Malerei, Musik, Film, Theater, Oper, Architektur und die Fernsehspiele Becketts. Erstaunlich, was er alles und wie präzise er alles verarbeitet hat: Mathematik, Pop, Psychoanalyse, Film, elektronische Musik…!

Gilles Deleuze hat nicht nur Freunde, sondern auch Gegner: Anti-Ödipus, Anti-Hegel, Anti-Wittgenstein… Das Philosophieren von Deleuze ist verführerisch, es springt über die Grenzen der Wissenschaft, der Universität, des akademischen Stils hinaus. Es sympathisiert mit den Künsten und ist zugleich ein großer Versuch, die Philosophie zu erneuern, sie aus der Gewalt der Meinungen, der Propositionen und Funktionen zu befreien.
Für die Kunst gilt: Mit seinen Neurosen, Affektionen, Perzeptionen, Meinungen macht man keine Kunst. Der Künstler ist kein Kranker, sondern ein Arzt.

Versteht sich das Buch »Was ist Philosophie?« als einem pädagogischen Eros verpflichtet, so soll die Beschäftigung mit den Künsten ihrer Poetik dienlich sein.
(Peter Gente)

Das Festival ist die dritte Veranstaltung in der ZKM-Reihe »Philosophie und Kunst«. Nach der Ausstellung Guy Debord – »Agent der Kritik gegen ihre Anerkennung« im Herbst 2001 und dem im vergangenen Jahr mit großem Erfolg durchgeführten Festival »Michel Foucault und die Künste – Probleme einer Genealogie«, sollen auch bei der diesjährigen Veranstaltung fernab akademischer Schwere Philosophie, Wissenschaft und Kunst in ihrem Verhältnis zueinander diskutiert werden.

Die Vorträge des letztjährigen Festivals »Michel Foucault und die Künste – Probleme einer Genealogie« erscheinen im April 2004 im Suhrkamp Verlag, Frankfurt. Die Veröffentlichung der Festivalbeiträge »Gilles Deleuze und die Künste« ist für 2005 geplant.


Programm


Freitag, 24.10. Oktober 2003

9.45 Uhr 
Sylvano Bussotti
»Piano Piece for David Tudor 4«

10.00 Uhr 
Peter Weibel, Peter Gente / Eröffnung

Michel Tournier
»Aide mémoire« gelesen von Nina Meinhold

11.00 Uhr 
Jean-Clet Martin
»De la dramatisation des images«

12.00 Uhr 
Pause

14.00 Uhr 
Clemens-Carl Härle
»Deleuze und die Frage: Was heißt sprechen?«

15.00 Uhr 
Franco Berardi
»La schizoanalyse face à l'épidémie psychopatique actuelle dans le contexte de la société Sémiocapitaliste. Un Hommage à Félix Guattari«

16.00 Uhr 
Tom Holert
»Eine andere Politik des Populären?«

17.00 Uhr 
Pause

17.30 Uhr 
Thomas Hirschhorn
»Das Deleuze-Monument«

18.30 Uhr 
Pause

19.00 Uhr 
Ausstellungseröffnung im Medienmuseum, Projektraum

20.00 Uhr 
Walter Zimmermann: »Kindheitsblock«, Mitglieder des ensemble recherche

20.30 Uhr 
»Le Grand Escroc« [R: Jean-Luc Godard, F 1963] (angefragt)
 

Samstag, 25. Oktober 2003

10.00 Uhr 
Marcus Steinweg
»Immanenz, Souveränität, Bejahung und das Glück, nicht unsterblich zu sein. Deleuze mit Blanchot«

11.00 Uhr 
René Aguigah
»Was ist eine literarische Maschine?«

12.00 Uhr 
Pause

14.00 Uhr
Videos und Lesung zu Samuel Beckett von Gisela Strähle

16.00 Uhr 
Pause

16.30 Uhr 
Danielle Cohen-Levinas
»Une philosophie de l'hyperbole est-elle possible en musique: D'après une lecture de Deleuze«

17.30 Uhr 
Matthieu Carrière liest Deleuze

18.30 Uhr
Pause

20.00 Uhr 
Schatten der Engel / Film [R: Daniel Schmid, CH 1976]

22.00 Uhr
Achim Szepanski [Mille Plateaux], Richard Pinhas und Jérôme Schmidt
»Deleuze Sound Night Live-Performances«, Foyer
 

Sonntag, 26. Oktober 2003

10.00 Uhr 
Michaela Ott
»Virtualität in Philosophie und Filmtheorie von Deleuze«

11.00 Uhr 
Raymond Bellour
»L'image de la pensée: art ou philosophie, ou au-delà?«

12.00 Uhr 
Pause

14.00 Uhr 
Hannes Böhringer
»Über das Ritornell«

15.00 Uhr 
Joseph Vogl
»Was ist ein Ereignis?«

16.00 Uhr 
Pause

16.30 Uhr 
Robert Fleck spricht über Kunst

17.30 Uhr 
Henning Schmidgen
»Über die Philosophie als Kunst, Begriffe zu schaffen«

18.30 Uhr 
Bernd Stiegler
Buchpräsentation »Gilles Deleuze: Die einsame Insel«, Frankfurt: Suhrkamp 2003

19.:00 Uhr 
Pause

20.00 Uhr 
»Ein neues Leben« [Peau Neuve] / Film [R: Emilie Deleuze, F 1999] (angefragt)

Organisation / Institution
ZKM