Pierre Boulez. Notations
Ein Film von Marion Kalter zum 100. Geburtstag von Pierre Boulez
Do, 12.06.2025 18:00 – 19:30 Uhr CEST
Filmscreening & Konzert
Anlässlich des 100. Geburtstags von Pierre Boulez präsentiert das ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe den Dokumentarfilm »Notations« von Marion Kalter. Im Mittelpunkt steht ein Gespräch mit dem Komponisten, in dem er sich – fotografische Porträts betrachtend – an seine Weggefährt:innen erinnert. Der Film ist eine vielschichtige Hommage an einen der einflussreichsten Musiker und Denker des 20. Jahrhunderts. Auf das Filmscreening folgt ein Gespräch mit der Künstlerin sowie die Aufführung von Boulez’ Dialogue de l'ombre double für Klarinette und Live-Elektronik.
Im Zentrum des Films »Notations« von Marion Kalter steht die Stimme von Pierre Boulez (1925–2016). Im Frühjahr 2005, anlässlich seines 80. Geburtstags, sprach der Komponist, Dirigent und Theoretiker im IRCAM in Paris mit dem Journalisten Claude Glayman. Produziert von Frédéric Luzy und gefilmt von Michel Follin, entstand ein einzigartiges Zeitdokument: vier Stunden Gespräch über ein Leben mit und für die Musik. In einer dichten, rhythmisch strukturierten Montage hat Marion Kalter dieses Material nun zu einem eigenständigen Film gestaltet.
Boulez erinnert sich – an prägende Begegnungen, künstlerische Allianzen und intellektuelle Weggefährten: Pierre-Laurent Aimard, Luciano Berio, Nadia Boulanger, Elliott Carter, Franco Donatoni, Pascal Dusapin, Daniel Harding, György Ligeti, Philippe Manoury, Olivier Messiaen, Anne-Sophie Mutter, Luigi Nono, Maurizio Pollini, Paul Sacher, Georg Solti, Karlheinz Stockhausen, Leonard Bernstein u. a. Die Namen sprechen für sich – doch notations geht darüber hinaus. Die Stimme des Komponisten trifft auf Bilder, die ihn über Jahrzehnte hinweg begleitet haben: Fotografien von Marion Kalter.
Seit 1984, als Kalter Boulez erstmals für die Zeitschrift »Le Monde de la Musique« bei Proben im IRCAM porträtierte, dokumentierte sie sein Schaffen über fast drei Jahrzehnte hinweg – in Paris, Salzburg, New York und Touraine. Ihre Fotografien sind mehr als Dokumente: Sie reflektieren Nähe und Distanz, präzise Beobachtung und ein tiefes Verständnis für das Gegenüber. Diese visuelle Ebene durchzieht auch den Film und verleiht dem Erinnern des Komponisten eine zweite Dimension.
Ergänzt wird die filmische Erzählung durch musikalische Ausschnitte: Boulez’ Douze notations pour piano (1945), eingespielt vom Komponisten selbst für den ORF im Jahr 1992, bildet eine klangliche Grundlage. In Einleitung und Schluss kommt Marion Kalter selbst zu Wort – als Künstlerin, Zeitzeugin und enge Beobachterin eines der bedeutendsten Musiker des 20. Jahrhunderts. Ihre persönliche Reflexion über die langjährige Zusammenarbeit mit Boulez verbindet sich mit einer Hommage an das Hören, das Sehen – und das Erinnern. »Notations« ist kein klassisches Porträt, sondern ein dichtes Erinnerungsgeflecht. Ein filmisches Dokument über Pierre Boulez, aber auch über die Kunst der Annäherung – in Worten, Musik und Bildern.
Dialogue de l'ombre double
Nach einem Gespräch mit Marion Kalter im Anschluss an das Filmscreening wird Boulez’ Dialogue de l'ombre double für Klarinette und Live-Elektronik aufgeführt, interpretiert von Rafel Caldentey und Sebastian Schottke. Inspiration für das etwa 20-minütige Stück war die Szene „ombre double“ aus Paul Claudels Theaterstück Le Soulier de satin. Der Klarinettist dialogiert mit seinem „Schatten“, das heißt mit der vor dem Konzert auf Magnetband aufgezeichneten Klarinettenpartie (Heni Hyunjung Kim und Alexander Kolb), die während des Konzerts über verteilte Lautsprecher räumlich wiedergegeben wird.
Pierre Boulez. Notations
Schwarz-Weiß, Farbe, 16/9, Stereo
Französisch mit Untertiteln [deutsch, englisch]
Deutschland, 2025
• Idee: Marion Kalter
• Konzept / Gestaltung: Andreas Brehmer
• Bildauswahl: Johannes Steidl
• Tonaufnahme Sprecher: Max Clausen
• Tonbearbeitung / Sounddesign / Mischung: Sebastian Schottke
• Musik: Pierre Boulez
• Sprecherin: Marion Kalter
• Interview geführt von: Claude Glayman
• Kamera (Originalinterview): Michel Follin
• Produktion (Originalinterview): Frederic Luzy
• Mit Fotografien von: Marion Kalter
• Produktion / Produzentin: Marion Kalter
Mit freundlicher Unterstützung des Landes Salzburg und der Stadt Salzburg sowie des ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe.
Stimmen aus dem Publikum
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Pierre Michel Menger
Soziologe, Collège de France, Paris
„Eigentlich kann ich dem Vergnügen, Ihren Film zu sehen, nicht widerstehen. Ich mag die visuelle Qualität des Schwarzweißfilms und die intime Beleuchtung sehr, die die Konzentration auf Boulez' Gesichter und Äußerungen und die Integration der von Boulez kommentierten Fotos in den Gesprächsfaden ermöglicht. Und es gibt die bedächtige Ruhe von Boulez' Erinnerungsarbeit.“
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Lori Solondz
Künstlerin, New York
„Dies ist ein großes Werk. Der Film ist sehr gut geschnitten und ermöglicht eine visuelle Erzählung, die nicht einfach zu zeigen ist. (…) Es ist ein historisches Dokument, gewiss, aber es lässt auch die Geschichte lebendig werden. Boulez ist ehrlich, kein Fabulierer … er bleibt auf der Spur und spricht kohärent, er führt den Betrachter von Bild zu Bild. (…) Ich liebe diesen Film!“
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Patrick Bensard
Regisseur und Leiter der Cinémathèque de la Danse, Paris
„Ich habe nun deinen Film über Boulez vollständig gesehen. Ich war neugierig, dann interessiert, dann gefesselt, dann begeistert von diesem Film.
Warum war das so? (…) Zunächst einmal, weil Pierre Boulez über sich selbst spricht, wenn er über andere spricht. (…) Ich liebe den Rhythmus von Boulez' Worten, seinen tiefen Blick, der von einem sehr feinen Geist und vor allem von einem tiefen Wohlwollen geprägt ist. Ein Blick, der immer dort präsent ist, wo sich die Zukunft ankündigt.
Ich mag den Rhythmus des Films und die Art und Weise, wie wir die Zeitalter überqueren, indem wir Boulez' Worten zwischen Licht und Schatten folgen. (…) Ich gratuliere dir ganz aufrichtig zu diesem sehr schönen Film, der so tiefgründig und leicht zugleich ist."
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Philippe-Alain Michaud
Kurator am Musée National d’Art Moderne und Leiter der Filmsammlung, Centre Pompidou, Paris
„Ich wollte Ihnen schreiben, nachdem ich gestern Abend Ihren Film gesehen habe. In jeder Hinsicht, sei es die Beziehung zwischen Foto und Musik, das gefilmte und fotografierte Porträt, die Geschichte der zeitgenössischen Musik und die Autobiografie - durch und nur durch die gefilmten Porträts -, bis hin zum letzten Bild, finde ich ihn wunderbar.“
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