5. Der neue Mensch

Es war die Aura des Neuen, des Aufbruchs nach dem Ersten Weltkrieg, welche die Bauhaus-Akteure von Anfang an proklamierten. Schnell waren die Bauhäusler für ihr unkonventionelles Auftreten bekannt, zu dem nicht nur die Bubikopf-Frisur und der kameradschaftliche Umgang zwischen Männern und Frauen gehörten, sondern auch einige Bauhaus-Familien mit Ehen ohne Trauschein.

Schon im Mai 1919 schrieb der Maler und Bauhausmeister Lyonel Feininger an seine Frau Julia: »Was ich bis jetzt von den Schülern gesehen habe, sieht sehr selbstbewusst aus. Sie haben fast alle Jahre im Felde gestanden. Es ist ein ganz neuer Menschenschlag. Ich glaube sie wollen alle etwas Neues in der Kunst und sind nicht mehr so ängstlich und harmlos.«

Wie der neue Mensch jedoch aussehen könnte, welche Werte und Fähigkeiten ihn auszeichnen sollten, wurde während der gesamten Existenz des Bauhauses kontrovers diskutiert: von Johannes Itten, der durch Körper- und Atemübungen sowie vegetarische Ernährung die Selbsterkenntnis jedes Einzelnen fördern wollte; in der Bühnenarbeit Oskar Schlemmers, in welcher jede Figur über den »Typenkörper« hinaus im Verhältnis von Körper zu Raum erforscht wurde; in Malerei und Fotografie, in der durch Abstraktion, Verzerrung oder Collage neue Menschenbilder entworfen wurden; in den Bestrebungen einer »Weltrevolution« der Studierenden der »kommunistischen Fraktion« unter Direktor Hannes Meyer, der sich selbst als »wissenschaftlicher Marxist« verstand. Die Arbeit am Bauhaus zielte auf zeitgemäße Produkte für eine neue, auch zukünftige Generation ab. Für den Kunstkritiker Adolf Behne zeigte sich das in der Architektur des Bauhausgebäudes von Walter Gropius:

»Hier in dem neuen Bau des Dessauer Bauhauses kommt einmal stark und rein zum Ausdruck (…): das ein neuer Typ Mensch und ein neues Verhältnis dieses Menschen zur Welt Ausgangspunkt und zugleich Zielpunkt der neuen Baubewegung ist.«

Kurator: Boris Friedewald

Adolf Behne