John Marks: Deleuze’s Molecular Vision
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- 38:00
Beschreibung
Der Begriff des „Molekularen“ bei Gilles Deleuze und Pierre-Félix Guattari bezieht sich, wie Eugene Thacker jüngst angemerkt hat, nicht unbedingt auf „Moleküle“ im wissenschaftlichen Sinn. Vielmehr ist er die Spitze, die Deleuze gegen die Hierarchien von Materie/Form und Molar/Molekular wendet. „Molekular“ steht in Tausend Plateaus gleichbedeutend mit Werden, Deterritorialisierung, Multiplizität. Die beiden Autoren formulieren daraus eine Kampfansage an den genetischen Determinismus, der beharrlich mit der Molekularbiologie in Zusammenhang gebracht wird. In ihrer Behandlung des Werks von François Jacob und Jacques Monod interpretierten sie die Beziehung zwischen Nukleinsäuren und Proteinen unter dem Aspekt von „Ausdruck“ und „Inhalt“. Die Existenz dessen, was Deleuze und Guattari als „reine Linie des Ausdrucks“ (DNS) bezeichnen, verleiht dem lebenden Organismus einen hohen Grad an Deterritorialisierung.
Am stärksten ausgeprägt ist der „molekulare“ Blick in Deleuzes Schriften zur Ästhetik, insbesondere in jenen zu Musik, Literatur und Film, in denen er eine radikal materialistische Position bezieht. In Bezug auf die Musik spekuliert er, dass es möglich sein müsse, von der Vorstellung einer musikalischen „Materie“, die in eine „Form“ gezwungen wird (und ihrerseits eine Hierarchie von Materie, Leben und Geist voraussetzt), abzugehen und die Dualität Materie-Form durch Materie-Kraft zu ersetzen. Bestimmte Arten der Musik könnten damit unhörbare Kräfte hörbar machen. In der Literatur erhellt der molekulare Blick, wie unpersönliche Affekte, Empfindungen und Singularitäten sich in Worte fassen lassen. Und in seiner Filmtheorie postuliert Deleuze ausgehend vom Materialismus Bergsons eine radikale Immanenz des Bilds in der Materie.