The Global Contemporary. Gespräch mit Chto delat?
Kunstwelten nach 1989
- Datum
- Dauer
- 24:48
Beschreibung
The Tower: A Songspiel, 2010
Chto delat? [Was tun?] versteht sich als eine Plattform, die mit ihren Arbeiten politische Theorie, Kunst sowie politisches und soziales Engagement zusammenführt. Der Name der Gruppe geht auf den gleichnamigen Roman von Nikolai Tschernyschewski (1863) zurück, der den revolutionären Gruppierungen und der linken Intelligenzija in Russland als Inspirationsquelle diente. Wie Tschernyschewski lehnt Chto delat? das Konzept einer „Kunst um der Kunst willen“ ebenso ab wie die Kommodifizierung der Kunst und sieht als deren Ziel die Verwandlung der Realität selbst.
The Tower: A Songspiel ist der letzte Teil einer Trilogie von sozialkritischen Musicals. Es thematisiert den realen Konflikt um den Bau des Okhta Center in St. Petersburg, eines 403 Meter hohen Turms, in dem Gazprom seine Hauptgeschäftsstelle einrichten wollte. Der Wolkenkratzer hätte das Stadtbild maßgeblich verändert und einen alles beherrschenden Blickfang in der Skyline dargestellt – ein Symbol des neuen, modernisierten Russlands.
Der Film dokumentiert und inszeniert die Auseinandersetzung verschiedener sozialer Gruppen beziehungsweise unterschiedlicher Altersgruppen mit der „Lobby der Macht“ um den Bau des Konzernturms. Letztlich aber erweist sich die Macht der Lobbyisten als ebenso fiktiv wie die Autonomie der Bevölkerung, denn zum Schluss wird die Lobby entlassen und der Chor von den Greifarmen der Behörden erstickt.
Die Handlung wird durch direkte Appelle der Stellvertreter der Macht an den die Einwohnergemeinschaft repräsentierenden Chor und an die Zuschauer vorangetrieben. Die Aufführungspraxis lehnt sich an das epische Theater Brechts an und soll bei den Betrachterinnen und Betrachtern eine rationale Selbstreflexion auslösen und ihre kritische Perspektive stärken, um sie zu befähigen, soziale Ungerechtigkeiten und gesellschaftliche Manipulationen als solche zu erkennen. (DM)