Gedächtnis zu zweit. For the Performance of Europe

»Documentary credit« ist im Jargon der Ökonomie eine Zahlungsmodalität, die zwischen Käufer und Verkäufer eine Bank involviert, um die Zuverlässigkeit des Käufers sicherzustellen. Auf Politik übertragen ist damit ein Anspruch auf Sicherheit beschrieben, der vom Vertrauensverlust der Menschen untereinander nicht nur ausgeht, sondern ihn auch immer wieder herstellt. Im Film wird daraus das geteilte Risiko zwischen Dokumentation und Fiktion, das nicht mit Sicherheit zu vermitteln ist.

»Europa von weitem« bringt die levantinische Projektion Europas aus Jacqueline Kahanoffs »Vom Osten das Licht« mit anderen Projektionen innerhalb des Kontinents und anderswo außerhalb ins Gespräch. Noch während sie sich miteinander unterhalten, überholt der mobile Charakter dieser Projektionen ihre Suche nach einem Ort und entfaltet die Fähigkeit der Projektionsfläche, unterschiedliche Projektionen in sich aufzunehmen. Bald sind sie ein Geisterflüstern in einer Ausstellung koptischer Kunst in Paris, bald eine Weltausstellung , die zwischen Landesgrenzschutz und technologischer Grenzüberschreitung die Eingänge für ein zukünftiges Europa markiert.

»Documentary Credit« beginnt in einem Lager, diesem Paradigma des 20. Jahrhunderts, das von Ausrottung, Vertreibung, Asylsuche und staatlich organisierter Migration gekennzeichnet ist, während die territorialen Ansprüche in Frequenzbereiche abwandern und der Bewegung der Sendersuche folgen: Zuhause ist, wo man sich zwischen Radiowellen befindet. »Europa von weitem« hält sich von Anfang an zwischen den Spuren auf: Ton und Bild sind nicht die einander ergänzenden Medien einer Realisierung. Sie geben ihre Rolle als Identitätsträger auf, um als Werbeträger ihre Projektionen zu vermarkten, für eine freie indirekte Mehrstimmigkeit. 

»Gedächtnis zu zweit. For the Performance of Europe enthält«: »Documentary Credit«, englischer Filmtext; »Unmöglichkeilen neu gemischt«, deutsche Hörspielfassung von »Documentary Credit«; »Europa von weitem«, Text des als Stummfilm und Hörspiel konzipierten Projekts, das bei dem Medienkunstfestival »intermedium 1« im November 1999 in Berlin uraufgeführt wurde; »Europe From Far«, englische Übersetzung aus dem Deutschen von Catherine Kerkhoff-Saxon und Willried Prantner; »Den Griff festhalten«, ein Nachwort von Elfriede Jelinek.