Giga-Hertz-Preis 2020: Konzert I
Siamak Anvari, Annie Rüfenacht & Sandra Schmid, Mark Pilkington und h0nh1m
Sa, 28.11.2020 20:30 Uhr CET
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Im Anschluss an die Preisverleihung erwarten Sie Live-Performances der diesjährigen Giga-Hertz-Produktionspreisträger h0nh1m und Mark Pilkington. Zuvor hören Sie ein Werk von Siamak Anvari sowie eine Performance von Annie Rüfenacht & Sandra Schmid, die Honorary Mentions erhielten.
h0nh1m gehört zu einer neuen Generation von Künstler:innen, die die Aufhebung der Trennung von Installation, audiovisueller Performance und technischer Realisierung betreiben. Genau diese Interaktion zwischen Bild und Musik überzeugte die Jury, da die animierten Bilder in Kombination mit der Musik einen faszinierenden Sog erzeugen, der die Rezipient:innen in eine Kunstwelt eintauchen lässt, die bei aller Ästhetisierung auch Beklemmung erzeugt. Dies ist sicherlich auch als politisches Statement zu sehen, da sich der Himmel über seiner Heimat Hongkong zu verdunkeln droht.
Als Ingenieur, bildender Künstler und Elektronik-Musiker verbindet Mark Pilkington auf natürliche Weise das Visuelle mit dem Hörbaren. Seine Arbeit »Hidden Forest«, realisiert als Live-Computeralgorithmus oder als Fixed-Media-Werk, konzentriert sich auf die Idee natürlicher und künstlicher Ökosysteme sowie auf das Konzept der Bewegung als Manifestation von lebendiger Gegenwärtigkeit und Zeit. Durch die Kombination von Natürlichem und Künstlichem lenkt »Hidden Forest« die Aufmerksamkeit auf flammende Umweltprobleme.
Die Jury des Giga-Hertz-Preises 2020 zeichnet das Schweizer Künstlerinnenduo Annie Rüfenacht & Sandra Schmid mit einer Honorary Mention aus. Der doppelte Charakter zwischen Wissenschaftlichkeit und Abstraktion des Werkes »Kataklasit«, das visuelle und akustische Aspekte von Steinen erkundet, hat die Jury in hohem Maße begeistert.
Siamak Anvari schuf die knapp 17-minütige Komposition »Hafthasht« in einer 24-kanaligen Raumklangfassung, die das Nebulöse, Abstrakte und doch Expressive der Komposition immersiv erleben lässt. Die Jury war beeindruckt von der Direktheit und Frische der Klänge, und von der unmittelbaren Wirkung, die die Komposition im Stande ist zu entfalten.
Programm
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Siamak Anvari »Hafthasht« (2019)
Dauer: 16‘20‘‘
Format: Fixed Media für 24 Kanäle»Hafthasht« ist ein elektroakustisches, für 24 Kanäle komponiertes Fixed-Media-Stück. Das Werk wurde im Oktober 2019 fertiggestellt und im Konzert »Azimuth # 8« uraufgeführt, das im »iii«-Arbeitsraum in Den Haag stattfand. Die Kernidee des Stücks basiert auf dem Phänomen des Nachhallens, beziehungsweise des Echos. Ein Klang reflektiert von verschiedenen Oberflächen und mit jeder Reflexion verliert er einen Teil seiner Energie, bis er in Stille verklingt. Diese Idee fließt sowohl in die Produktion des Klangmaterials als auch in die Verräumlichung des Stückes ein. Dabei fungiert jeder Lautsprecher bei der Projektion des Klangs als eine Oberfläche. Mit anderen Worten: Der 24-Kanal-Aufbau bildet auf symmetrische Art und Weise ein Netzwerk von Reflexionspunkten in diesem Raum. Auch die Zeitintervalle zwischen den Iterationen werden manipuliert und im Verlauf des Stückes in verschiedenen Ausmaßen gedehnt. Die jeden Nachhallprozess abschließende Stille spielt in der Komposition ebenfalls eine entscheidende Rolle. Das Klangmaterial stammt hauptsächlich von Aufnahmen einiger persischer Instrumente wie beispielsweise Setar, Santur oder Tombak.
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Annie Rüfenacht & Sandra Schmid »Kataklasit« (2016)
Dauer: 10‘16‘‘
Format: audiovisuelle PerformanceAsphalt und Stein lösen sich auf, verschmelzen mit digitalen Fragmenten, diese verschmelzen wiederum mit Wasser, das Wasser mit Stein, um sich wieder und wieder zu einer astralähnlichen Landschaft zu vereinen. Die Arbeit »Kataklasit« beschäftigt sich mit dem Ephemeren, dem Unabhängigen in der Natur als auch in der digitalen Welt. Hybride Bildfragmente schlagen eine Brücke zwischen Darstellung und Abstraktion. Mit Hilfe von Programmalgorithmen werden Fotografien in transparente, schwebende und diffuse Fragmente verwandelt. Klänge aus der unmittelbaren Umgebung werden verstärkt und in ihrem Klangpotenzial erweitert. Erkennbare und identifizierbare Klänge werden auf der Bild- und Tonebene auf das Wesentliche reduziert und auf tektonische Zusammenhänge fokussiert. Darüber hinaus beschäftigt sich diese Arbeit mit Aspekten der Simultaneität und Asynchronie von Musik und Bild. Anhand von Feldaufnahmen und Tonaufnahmen aus der unmittelbaren Umgebung wird eine Szenerie geschaffen, in der sich das Bild-Ton-Verhältnis erweitert, verändert und wieder trennt.
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Mark Pilkington »Hidden Forest« (2018)
Dauer: 11’33’’
Format: Audiovisuelle, algorithmische Komposition»Hidden Forest« ist eine algorithmische Komposition, die den Einsatz von Technologie zur Darstellung ökologischer Belange untersucht. Der Wald fungiert als Metapher für ein Ökosystem, das von Wesenheiten bewohnt wird, die durch die Bewegung von Licht und Ton wahrgenommen werden. Kodierte, nicht-biologische Entitäten sind durch Bewegung miteinander verflochten und erlauben uns, die Verkörperung in einem räumlich-zeitlichen Feld zu begreifen. Dies enthüllt eine Vision davon, wie natürliche und künstliche Ökosysteme interagieren, um eine Erfahrung der Natur als Prozess zu ermöglichen. Es ist genau diese Betonung der sich entwickelnden Beziehung zwischen Parametern, beziehungsweise ihrer interaktiven Rückkopplung, die das Stück im Hinblick auf Echtzeit-Anpassung, Emergenz und Transformation charakterisiert. Das parametrische Design erlaubt es, die zeitliche Dimension des Raumes durch die Bildung von invarianten Topologien in den Mittelpunkt zu stellen. Die Vorhersehbarkeit basiert nicht mehr auf endlichen Wahrscheinlichkeiten, sondern auf der Einbeziehung potentieller Qualitäten.
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h0nh1m »RadianceScape Live!« (2020)
Dauer: 10’00’’ – 20’00’’
Format: audiovisuelle Performance»RadianceScape Live!« ist eine audiovisuelle Performance, die das Observatorium ersetzt. Die Kernidee hinter diesem Projekt beruht auf der Visualisierung der Live-Strahlungsdaten von Großstädten auf der ganzen Welt im Vergleich zu Tschernobyl und Fukushima, die mit den Folgen der massiven nuklearen Katastrophen von 1986 und 2011 bis heute zu kämpfen haben. Sowohl der Ton als auch die Bilder werden auf der Grundlage der Strahlungsdaten generiert, die von Safecast.org erhoben wurden, einem globalen Sensornetzwerk zur Sammlung und gemeinschaftlichen Nutzung von Radioaktivitätsmessdaten. Da körperschädigende Strahlung – γ-Wellen – für das Auge immer unsichtbar ist, wird eine abtastende Lasertechnik verwendet, um den Dialog zwischen dem Weltraum und allen Strahlungsdaten aufzubauen. Auf der Basis der Radioaktivität werden unterschiedliche tonale Drone-Atmosphären und Geräusche erzeugt. Die Tonsamples werden mit einem Detektorgerät für elektromagnetische Felder eingefangen, welches zudem das unhörbare Energiefeld alarmierend auslöst. Wird das Stück widerspiegeln, was die Zeugen in den Trümmern und Ruinen erlebt haben?
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Contains a sample of ‘ZURE’ from »async«
by Ryuichi Sakamoto
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