Kultur 4.0 – Now Loading?
Was sind die Potenziale der Netzkultur für Kunst, Kultur und Politik?
VON JULIA JOCHEM
Dieser Frage spürte das Symposium Kultur 4.0 nach, das am 09. Dezember 2014 in Kooperation mit dem Auswärtigen Amt und dem Cyberforum e.V. im Medientheater des ZKM stattfand.
Dabei ist der Titel nicht streng wörtlich, sondern eher als Metapher zu verstehen. »4.0« steht nicht für einen Höher-Schneller-Weiter Wettbewerb, sondern adressiert die Veränderung des Kulturbetriebs. »Kultur 4.0« macht auf den Handlungsspielraum und die Herausforderungen aufmerksam, die durch den »digital turn« entstanden sind. Dieser hat für elementare Umbrüche auf Seiten der Kulturproduktion, -rezeption und -vermittlung gesorgt.
Wie wir diesen Umbrüchen begegnen und sie kreativ nutzen können, das zeigten 13 internationale Speaker aus Frankreich, Deutschland, Brasilien und Argentinien. Jeder von ihnen stellte vor dem Hintergrund seiner individuellen beruflichen Herkunft und Perspektive die vielfältigen Chancen der Netzkultur für den Kulturaustausch dar.
Alles ist digital. Kultur ist digital.
#MenschOrtWeb ist das Bezugssystem das Frank Tentler für die Entwicklung seiner Projekte heranzieht. Er entwickelt und produziert Kommunikations- und Marketing-Projekte für Institutionen und Unternehmen im »Social Web«. In seiner Keynote erläuterte er sein Konzept von digitalen Erlebnisräumen, die er mit dem Begriff »Smartplaces« beschreibt. Darunter versteht er Orte wie Museen und Festivals, die technisch und kommunikativ so optimiert sind, dass sie den Besuchern emotional involvieren: Sie bieten nachhaltige Interaktion, Service und Medienaustausch an.
Santiago Siri ist Autor und Entrepeneur, zudem arbeitet er als Web- und Game Designer. Mit 17 hatte er bereits seine eigene Computerspiele Firma. In seinem Vortrag machte er sich für die Bedeutung des Computerspiels für politische motivierte Projekte stark. Mit Democracy Os hat er eine Open Source Plattform entwickelt, die auf spielerische Weise die Teilhabe an demokratischen Prozessen ermöglicht.
»Alles ist digital – Kultur ist digital«, sagt Kommunikationswissenschaftlerin Nadia Zaboura. Als Beraterin ist sie unter anderem für das Clustermanagement CREATIVE. NRW die LFM NRW sowie die Gamescom tätig. Außerdem ist sie in der Jury der Grimme Online Awards. Anhand von ausgewählten Beispielen zeigte sie wesentliche Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Kommunikation im Netz auf: Der Aufbau von Communities, die zeitgemäßge Kulturvermittlung durch den Einsatz von Bewegtbild, die Nutzung von sozialen Medien und Netzwerken, die Öffnung der Inhalte für Neues, Offen für Remix und Weiterentwicklung, die aktive Einbindung von Fans und Influencern, durch die Multiplikatioreneffekte erzielt und neue Zielgruppen geschaffen werden.
Hybride Welt: Digital und analog
Was genau hinter diesen Faktoren steckt und wie diese mit Leben gefüllt werden können, das machten die zehn Best Practice Beispiele deutlich, die in kurzen Impulsvorträgen vorgestellt wurden. So präsentierte Dr. Stephan Schwingeler (ZKM | Karlsruhe) die Dauerausstellung Gameplay und analysierte die Bedeutung des Computerspiels als künstlerisches Gut. Ebenfalls am ZKM tätig und verantwortlich für das Projekt AppArtAward ist Julia Jochem. Sie stellte mit dem AppArtAward einen Wettbewerb vor, der Künstlerische Applikationen prämiert. In Kooperationen mit den Goethe Instituten weltweit reist die Ausstellung »AppArtAward 2014 - Highlights« um die Welt.
Wenn alles digital ist, wird ein analoger Austausch dann obsolet? Ganz im Gegenteil argumentierten Jeanne Vogt, Kuratorin bei NODE – Forum for Digital Arts und Alexander Scholz, Autor bei Creative Applications und Gründer des HOLO Magazine. Ihre Meinung: Analoge und digitale Welt stehen sich nicht diametral gegenüber, sondern verhalten sich komplementär. Sowohl das NODE als auch Creative Applications sind Netzwerke, deren Mitglieder sich digital austauschen aber auch den direkten Austausch im Rahmen von Konferenzen suchen.
Direkte Teilhabe
Immer neugierig, offen und in Bewegung bleiben. Das waren die zentralen Aspekte, die Dianne Drybay von wearemuseums stark machte und durch Beispiele untermauerte. »Engagiert einen bekannten Blogger auf Instagramm und stellt ihm die Museumsräume zur freien fotografischen Entfaltung zur Verfügung«, war ein konkreter Vorschlag für das Erreichen neuer Zielgruppen. Diese Erschließung ist Antje Lange von den Pinakotheken gelungen: Mit dem Projekt #MyRembrandt zeigte sie eindrücklich, dass digitale Strategien nicht teuer sein müssen, um erfolgreich zu sein. Als Replik wurde ein Selbstbildnis von Rembrandt, ein „Selfie in Öl“, auf Reise geschickt. Antje Langes Fazit: #myRembrandt öffnete das Museum nach außen und ermöglichte auch digitalen Museumsgängern und im Alltag wenig kunstinteressierten Followern die direkte Teilhabe am Vermittlungsprozess der Kunst.
Wie das Museum der Zukunft aussehen könnte, bewiesen die Plattformen Contemporary And des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) sowie ArtOnYourScreen, die Online Ausstellungsplattformdes ZKM. Julia Grosse, Chefredakteurin der Plattform Contemporary And, zeigte anhand des Art Spaces wie ein virtueller Raum für den Austausch zwischen KünstlerInnen, KuratorInnen und KunsthistorikerInnen aussehen kann. Carolin Clausnitzer (ZKM | Karlsruhe) veranschaulichte neben der Möglichkeit digitale Kunst zu präsentieren auch die Chancen und Ansätze für eine digitale Kunstvermittlung.
Mut zum Experiment
Das Weitergeben von kulturellen Werten und Lernen von Sprache auf neuem digitalem und emotionalem Weg thematisierte Márcio Bueno – It Manager bei FCB Brazil. Mit der Plattform Speaking Exchange wurde eine Plattform entwickelt, die BesucherInnen einer englischen Sprachschule in Brasilien mit den BewohnerInnen eines Altenheims in den USA verbindet.
Den komplexesten digitalen Dialog stellte Laure Siegel am Beispiel des ARTE Projektes ARTE Refugees vor. Im Format eines »Newsgames« verpackt, wird der User zum Reporter über Flüchtlingscamps.
So vielfältig die vorgestellten Beispiele und Ansätze waren, so trafen sie sich doch in dem gemeinsamen Wunsch nach Innovation und dem Mut zum Experiment. Hoffentlich können diese Impulse Initialzünder für neue Kooperationen, Konzepte und Kurswechsel sein, die sich auch auf politischer Ebene verankern lassen. Denn wie aktuell das Thema des Symposiums ist, ließ nicht nur der Enthusiasmus der TeilnehmerInnen und ReferentInnen erkennen, sondern auch die Reaktionen, die über Twitter gesendet wurden: 600 Mal wurde unter dem Hashtag #kultur40 kritisch kommentiert, verteilt und nachgefragt.
Let’s get digital!
DIE PRÄSENTATIONEN IM ÜBERBLICK
Die ausführlichen Berichte hat Barbara Wolf für uns verfasst ...
#Kultur40 – NOW LOADING? | SUMMARY | PART 1
#Kultur40 – NOW LOADING? | SUMMARY | PART 2
#Kultur40 – NOW LOADING? | SUMMARY | PART 3
#Kultur40 - NOW LOADING? | SUMMARY | PART 4
#Kultur40 - NOW LOADING? | SUMMARY | PART 5
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