oval und Terre Thaemlitz: Digital Synthesis & FagJazz
Fr, 07.04.2000 21:30 Uhr CEST
Das Konzert stellt an einem Abend zwei der interessantesten und konsequentesten Künstler einer kritisch-dekonstruktivistischen Richtung der New Electronica Musik vor. Beide Künstler einigt die prinzipielle Absage an herkömmliche Vorstellungen, was Musik sei, beide ziehen für ihre Produkte den Begriff Audio vor, beide suchen nach Wegen zu einer nicht primär ”musikalischen“ Methodologie der Klangproduktion, beide fühlen sich kritischer Intervention durch künstlerische Praxis verpflichtet
»oval« alias Markus Popp, in Berlin ansässig, auch bekannt durch das Projekt »microstoria« mit Jan Werner von »Mouse On Mars«, geht den Weg struktureller Abstraktion: Musik/Audio als Sonderfall digitaler Datenverarbeitung, als Unterfall der »productivity software«, als exemplarischer Arbeitsprozess im Verbund der neuen Medien. »Ovalprocess« vermeidet in Konzeption und Produktion übliche musikalische Metaphorik, entwickelt eine spezifische interaktive Software der Klangproduktion in Echtzeit mit einer direkt handhabbaren, ikonischen, objektorientierten Bedieneroberfläche, auch geeignet als komplexes, dennoch intuitiv anwendbares System ko-auktorialer Nutzung im Netz. Popp präsentiert neuestes Material von oval, das, erstaunlich genug, notorische Spuren von „Blues“ und „Rock“ aufweist– Beginn eines Spätwerks?
Terre Thaemlitz begann seine Laufbahn als gesuchter DJ in New Yorker Underground-Clubs; er lebt neuerdings in San Francisco. „Musik ist Diskurs“: Thaemlitz nutzt seine musikalische Produktion und sein eigenes Label »comatonse« als Plattform und Vehikel der Auseinandersetzung mit kulturtheoretischen und gesellschaftlichen Fragen, insbesondere der Geschlechtsrollenidentität, des Transsexualismus und Transvestismus. Mit digitaler Technologie zerlegt, bearbeitet und rekonfiguriert Thaemlitz sein akustisches Material, meist Ready-Made-Samples gefundener Klänge und Musiken. Thaemlitz liebt es, Vorgänger und Vorbilder, wie den Technopop von Kraftwerk oder die Songs von Gary Numan, zu rekomponieren und in gänzlich verwandelten Kontext zu stellen.
(Matthias Osterwold)