- Artist/s
- ::vtol::
- Titel
- navigator
- Jahr
- 2024
- Medium / Material / Technik
- Gleichstrommotoren, LCD, RPi, Web-Cam, Elektronik. Programmiersprachen: Python, CycleGAN
Menschen neigen dazu, in gegenstandslosen Formen welthaltige Abbildungen zu erkennen – sie sehen Tiere in Wolkenformationen oder Gesichter in Flecken. Leonardo da Vinci erkannte den Wert dieser Art des Schauens für den Künstler: „Sie besteht darin, dass du auf manche Mauern hinsiehst, die mit allerlei Flecken bekleckt sind, oder auf Gestein von verschiedenem Gemisch. Hast du irgendeine Situation zu erfinden, so kannst du da Dinge erblicken. […] Durch verworrene und unbestimmte Dinge wird nämlich der Geist zu neuen Erfindungen wach.“ (»Das Buch von der Malerei«)
::vtol:: setzt mit raffinierten technologischen Mitteln fort, was vor 500 Jahren begann. Sein »navigator« ist ein autopoetisches Bildproduktionsinstrument, dem eine Fantasiefunktion einprogrammiert ist. Eine Kamera erstellt aus unterschiedlichen Perspektiven Aufnahmen von einem Bismutkristall, die anschließend von einem Bild-zu-Bild-Übersetzungsprogramm bearbeitet werden, um Strukturen und Muster darin zu entdecken. Die auf einem kleinen Display ausgegebenen Bilder ähneln Landkarten, ohne dass sie auf reale geografische Sachverhalte verweisen.
Was maschinelle Fiktion ist, verbindet sich auf unerwartete Weise mit Wissenschaft. Tatsächlich haben Forscher:innen, die sich mit komplexen Systeme beschäftigen, in den letzten Jahrzehnten – inspiriert durch die Fraktalgeometrie – auf erstaunliche Parallelen zwischen dem Wachstum bestimmter Kristall-Cluster und großer Städte hingewiesen.
Bedeutet der programmierte Transfer menschlicher Imaginationskompetenz auf eine Apparatur eine Entfremdung? Oder spiegelt er vor allem die Plastizität unserer kombinatorischen Fantasie? Zwischen Input und Output liegt der weite Bereich von Verknüpfungslogiken, die zwischen Wissenschaft, Kunst und Wahnsinn oszillieren.